Fünfarmiger Kandelaber an der Schlossstraße in Berlin Foto: Bertold Kujath www.gaslicht-kultur.de

Vor 200 Jahren wurden die ersten Gaslaternen in London eingesetzt. Heute ist Berlin die Welthauptstadt der Gasbeleuchtung. Ungefähr 42 000 Lampen in der Stadt werden mit Gas betrieben. Doch geht es nach der Senatsverwaltung, soll sich das bald ändern.

Berlin - Bertold Kujath fährt mit der Hand fast zärtlich über den Mast einer Gaslaterne in der Berliner Schlossstraße. Die Allee führt schnurgerade auf Schloss Charlottenburg zu. „Das ist eine der ältesten Gaslaternen in Berlin“, sagt der Vorsitzende des Vereins Gaslicht-Kultur. Es ist nicht irgendeine Lampe, sondern ein fünfarmiger gusseiserner Kandelaber aus dem Jahr 1902.

Vor genau 200 Jahren, am 1. April 1814 wurden angeblich die ersten Gaslaternen in London eingesetzt. Heute ist Berlin die Welthauptstadt der Gasbeleuchtung. Noch ungefähr 42 000 Lampen in der ganzen Stadt werden mit Gas betrieben, das sind so viele wie nirgends sonst. Doch das soll sich bald ändern. Geht es nach der Senatsverwaltung, gibt es bis in einigen Jahren nur noch etwa 3 000 Stück.

Für Bertold Kujath wäre das eine Katastrophe. Der 54-Jährige setzt sich seit beinahe 30 Jahren dafür ein, dass so wenige Gaslaternen wie möglich verschwinden. Es ist nicht so sehr wegen des Erscheinungsbilds, das versucht die Senatsverwaltung so gut wie möglich zu erhalten. Bertold Kujath schätzt vor allem das besondere Licht und er verbindet mit den Lampen ein Stück Berliner Geschichte. „Das Licht einer Gaslaterne bildet ein viel größeres Farbenspektrum ab als die herkömmlichen elektrischen Lampen“, sagt Kujath. „Außerdem gibt es keine UV-Strahlung ab und lockt daher keine Insekten an.“

Wie viele andere findet Kujath, dass Berlin ohne das Licht aus der Gaslaterne einfach nicht dasselbe ist. Viele, die in Berlin aufgewachsen sind, erinnern sich auch daran, dass man die Lampen früher mit einem Tritt ausschalten konnte. „Das lag daran, dass der Mechanismus zum Ein- und Ausschalten früher über eine kurzzeitige Erhöhung des Gasdrucks betätigt wurde“, sagt Kujath. „Trat man gegen die Laterne, war der Effekt der Gleiche, die Lampe verlosch.“ Doch seit die Laternen nach der Wende modernisiert wurden, geht das nicht mehr.

Auch der Schauspieler und ehemalige Fernsehmoderator Ilija Richter meint, dass die Laternen zu Berlin gehören. Vor zwei Jahren sammelte er bei einer Benefizveranstaltung für die Erhaltung der Gaslaterne 7 000 Euro. Geld, mit dem Kujath ein Gutachten in Auftrag gab, das zeigen soll, dass die Gasbeleuchtung in Berlin das Zeug zum Weltkulturerbe hätte. Das würde Touristen anlocken, ist sich Kujath sicher. „Industrie-Denkmäler rücken immer mehr in den Fokus des Interesses“, sagt er.

Doch der Senat hat entschieden, in den nächsten Jahren bis zu 50 Prozent Energie bei der Straßenbeleuchtung einzusparen. Laut Senatsverwaltung beträgt der Energieverbrauch einer elektrischen Straßenlaterne drei Prozent von dem einer Gaslaterne. Ersatzteile müssten aus Indien bestellt werden, weil sie in Europa nirgends mehr hergestellt werden. Und eine Laterne müsse nicht in erster Linie schön, sondern vor allem hell sein, so die Argumentation.

Es sieht so aus, als würde das Licht der Gaslaternen in Berlin bald nur noch denkmalgeschützte Straßenzüge und ein Freilichtmuseum im Tiergarten erhellen. Immerhin mit 90 Laternen aus verschiedenen Epochen die größte Sammlung weltweit.