Chris Kühn zog 2013 als Vertretung des Wahlkreises 290 Tübingen in den Bundestag – jetzt hat er sein Büro geräumt. Foto: Fotodesign Horst Haas

Chris Kühn legt sein Bundestagsmandat nieder und wird Leiter der Bundesbehörde für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung. Warum er sich Vollzeit der Endlagersuche widmen will und weshalb sich mit der Stelle ein Kreis für ihn schließt.

Chris Kühn hat in den vergangenen Tagen sein Büro im Dachgeschoss unweit des auffälligen, bunt bemalten Jugendzentrums Epplehaus in der Tübinger Innenstadt geräumt. Gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat er Dokumente in Umzugskartons gepackt – und damit ein Kapitel seiner Karriere abgeschlossen: Mehr als zehn Jahre saß der Tübinger im Bundestag, die letzten zwei Jahre war er zudem Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

Ende Januar hat er entschieden, das Mandat niederzulegen und die Leitung der Bundesbehörde für Sicherheit der nuklearen Entsorgung, kurz BASE, zu übernehmen. Der Schritt, sagt er, sei ihm nicht leichtgefallen. Doch mit der Entscheidung schließt sich auch ein Kreis. „Der Atomausstieg war für mich einer der Gründe, warum ich in die Politik gegangen bin“, erzählt der 44-Jährige.

„Es ist am Ende ein gesellschaftlich-politischer Prozess“

Geboren am 9. April 1979 – wenige Tage nach dem ersten Reaktorunfall im US-amerikanischen Harrisburg – erlebt er als Kind, wie seine Familie von der konservativ-linksliberalen Seite zu den Grünen wechselt. Schon als Student demonstriert er gegen Atomkraft, begleitet Castortransporte. Später, als Landesvorsitzender der Grünen, erklärt er Baden-Württemberg zum Teil der weißen Landkarte. Das bedeutet, dass alle Bundesländer in Deutschland in die Endlagersuche einbezogen sind.

Chris Kühn ist seit 1998 Mitglied beim Bündnis 90/Die Grünen. /Horst Haas

Am 15. Februar wird Chris Kühn zum Gesicht der Behörde BASE, zum Sachverwalter der Endlagersuche in Deutschland. Dazu gehört auch die Beteiligung der Öffentlichkeit. Ein Prozess, der ihm besonders wichtig ist. Der Grüne will die Bevölkerung noch mehr einbinden und möglichst transparent machen, worum es geht. Das reiche von Flyern für Schüler bis zu Fachforen für konkrete Fragen. „Es ist am Ende nicht nur ein technischer, sondern ein gesellschaftlich-politischer Prozess“, sagt er.

Kühn will Bevölkerung noch stärker einbeziehen

In der derzeitigen, der ersten Phase der Endlagersuche werden die geologischen Daten des Landes untersucht. Im Bundestag werden dann abschließend Standortregionen festgelegt, in denen Erkundungen an der Erdoberfläche stattfinden werden, bevor in der dritten Phase unter der Erde Analysen vorgenommen werden. „Dass jetzt nach wissenschaftlichen Kriterien diese offene Endlagersuche mit der Beteiligung der Bürger stattfindet, das ist sicherlich ein sehr fortschrittliches Verfahren, das es in vielen Ländern auf der Welt nicht gibt – vor allem nicht in dieser Transparenz“, sagt Kühn.

Doch nicht alle Bürgerinnen und Bürger sehen in erneuerbaren Energien die Zukunft, vielmehr hinterfragen und kritisieren sie den Atomausstieg. Chris Kühn findet dafür klare Worte: „Der Ausstieg ist 2011 entschieden worden, und es ergibt keinen Sinn, den Wiedereinstieg in die Atomkraft immer wieder neu zu diskutieren.“ Energiepolitik brauche auch langfristige Entscheidungen, deshalb müsse man sich mehr damit beschäftigen, wie zukünftig mit dem Atommüll der Vergangenheit umgegangen werde, anstatt energiepolitische Entscheidungen rückgängig zu machen, sagt Kühn.

Für die kommenden Jahre hat er konkrete Ziele. Er will dafür sorgen, dass die Beteiligung der Bevölkerung im Suchprozess nicht einschläft, will Menschen für das Thema gewinnen, die mit ihrem Fachwissen etwas beitragen können, und an die Entscheidung 2011 erinnern. Ein Konsens, „mit dem wir jenseits der parteipolitischen Auseinandersetzungen und Legislaturperioden die Chance haben, diese Generationenaufgabe gemeinsam voranzubringen“.