Was für ein Gewimmel: Diese Infrarotaufnahme der Nikolauskirche bei Nacht zeigt eindrücklich die Flugbewegungen der dort lebenden Mausohr-Kolonie. Insgesamt hat Dietz in einer Saison 320 000 Ein und Ausflüge gezählt. Foto: Dr. Christian Dietz

Sie bleiben ein Geheimnis und sie sind auch ein bisschen unheimlich. Meist nimmt man sie nur als blitzschnell durch die Dämmerung schwirrende Schatten wahr: Fledermäuse. Wie ihre Welt aussieht, das erklärte Christian Dietz im Bürgerhaus.

Der in Weildorf lebende Gutachter und Buchautor hielt auf Einladung des NABU Haigerloch/Rangendingen einen spannenden und unterhaltsamen Vortrag. Das gelang ihm leicht, denn Dietz ist ein europaweit anerkannter Fledermausexperte.

Aber nicht nur wegen ihm spielt das Städtle in Sachen Fledermäuse in der Champions League mit, sondern auch weil in der Nikolauskirche in der Unterstadt die größte Mausohrkolonie in ganz Baden-Württemberg beheimatet ist. Dort leben etwa 1500 Weibchen dieser Gattung mit ihren Jungen, insgesamt rund 2200 Flugsäuger.

Es gibt über 1000 Arten von Fledermäusen. Sie kommen fast überall in der Welt vor, aber am häufigsten in den tropischen Regenwäldern. Dort sind die Bedingungen ideal für sie, denn sie finden ganzjährig Nahrung. Es gibt Höhlen, in denen riesige Kolonien mit zehn bis 20 Millionen Tieren ihr Quartier haben.

Ein paar wenige Fledermausarten leben wie Zugvögel in Sommer- und Winterquartieren, die bis zu 1000 Kilometer auseinanderliegen können. Die meisten aber suchen sich im Herbst weitgehend frostfreie Höhlen, Bunker oder Stollen, um dort in den Winterschlaf zu fallen – so wie zum Beispiel im Eisenbahntunnel in Haigerloch. Dort senken die einzigen Flugsäugetiere, die es gibt, ihre Körpertemperatur auf drei bis fünf Grad, ihr Herz schlägt dann nur noch ein bis zwei Mal pro Minute.

Darum ist es so wichtig, sie in Ruhe zu lassen. Wird eine Fledermaus gestört, muss sie ihren kleinen Körper binnen Minuten auf 38 Grad hochheizen um fluchtbereit zu sein. Dabei verliert sie so viel Kraft, dass sie bei nur drei Störungen die kalte Jahreszeit nicht überlebt.

In Bad Niedernau, Böhringen, Hopfau oder in Dießen gibt es kleinere Ansammlungen von Mausohren. Haigerloch bildet da eine große Ausnahme. Der Grund: während anderswo Dachstühle aus Holz bis Anfang der 1970er Jahre mit inzwischen nicht mehr erlaubten Holzschutzmitteln behandelt worden sind und den Fledermäusen den Garaus machten, blieben die Dachstühle in Haigerloch unbehandelt.

Insbesondere der in der Nikolauskirche. Dort konnten die Mausohren – auch dank des Einsatzes der Familie Kurz – überleben. Und ihre Kolonie sogar vergrößern. „Inzwischen dürfte die Population in der Nikolauskirche wieder so groß sein wie in den 1940 Jahren“, schätzt Feldermausexperte-Dietz

Ein Glück ist auch, dass an ihrem Ausflugsloch an der Westseite der Kirche nachts kein künstliches Licht scheint. Das schätzen die Flugkünstler. Dietz hat vom letzten April bis in den Herbst die unglaubliche Zahl von 320 000 Ein- und Ausflügen in die Kirche gezählt. Bevorzugt sind die Flatterer zwischen 21 und 3 Uhr morgens unterwegs.

Neben künstlicher Beleuchtung sind eine intensive Landwirtschaft mit dem Einsatz von insektenvernichtenden Pestiziden; Windräder und, ja, auch der Straßenverkehr die größten Feinde der Flugsäuger. Denn sie überqueren die breiten Asphaltbänder wegen fehlender Orientierungspunkte oft nur in Kniehöhe. So werden jährlich zehntausende Fledermäuse Opfer von Kollisionen mit Fahrzeugen.

Was kann man tun, um Fledermäusen Überlebenschancen zu bieten? Dort, wo ihr Lebensraum zerstört wurde – letztes Jahr beim Abbruch eines Bauernhauses in Hart – künstliche Ersatzhabitate schaffen, so wie am Feuerwehrhaus und alten Rathaus in Hart.

Aber das ist nur eine Option. Besser ist es, Streuobstwiesen zu erhalten. „Sie bieten alle Zutaten für die Existenz von Fledermäusen“, so Christian Dietz. Geradezu sagenhaft findet er deshalb Projekte wie die Hochzeitswiese in Rangendingen.