Schwarze Rauchwolken verdunkelten am 17. September 1904 den Himmel über Binsdorf. Die Flammen vernichteten gut ein Drittel der Gebäude im Ort. Foto: Kreisarchiv

Im September 1904 stand Binsdorf in Flammen. Nach Katastrophe wurde Ort neu geplant. Prägender Zusammenhalt.

Geislingen-Binsdorf - Ein Flammenmeer legte am 17. September 1904 halb Binsdorf buchstäblich in Schutt und Asche. Fast genau 110 Jahre ist das jetzt her.

781 Menschen lebten kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts in der damals selbstständigen Stadt Binsdorf. 186 Haupt- und 102 Nebengebäude waren dort gezählt worden. Direkt neben der heutigen Schule brach an jenem Samstagvormittag das Feuer aus, das Binsdorf zum dritten Mal innerhalb von vier Jahrhunderten verwüstete.

Bereits 1513 und 1799 hatte es in der Stadt verheerende Feuer gegeben, berichtet Kreisarchivar Andreas Zekorn. Wassermangel wegen der Lage auf dem Kleinen Heuberg und des Fehlens von Quellen sei dabei immer das Hauptproblem gewesen. Auch 1799 hatte es nach einem langen, trockenen Sommer im September gebrannt.

68 Wohnhäuser brannten nieder

"Die Brandkatastrophe 1904 stellt, wie die von 1799 auch, einen, wenn nicht den markantesten Punkt der Ortsgeschichte dar", unterstreicht der heutige Ortsvorsteher Hans-Jürgen Weger. Das Feuer habe auf die Stadtplanung unmittelbare Auswirkungen gehabt: Der neu erstellte Ortsbauplan gab die bis dahin verdichtete Bebauung auf. Straßen wurden verbreitert und Durchbrüche zwischen Gebäuden angelegt, um die Gefahr des Überspringens eines Feuers zu verringern.

Auch weil Ersatz für 68 niedergebrannte Wohnhäuser geschaffen werden musste, entstand nördlich des Kernorts ein Neubaugebiet, um Wohnraum zu schaffen. Bereits im November 1905 waren laut Kreisarchivar Zekorn die meisten Häuser wieder aufgebaut oder ersetzt.

Zum Verständnis des großen Zusammenhalts, der bis heute das Ortsleben prägt, kann das Wissen über die von den damaligen Binsdorfern gemeinsam bewältigte Katastrophe von 1904 ein Beitrag sein. Doch auch von außen kam Hilfe – nicht nur beim Löschen, sondern auch danach. So waren 69 Binsdorfer Kinder ab zwei Jahren ein Jahr lang im Geislinger Schloss untergebracht.

"Positiv war die vielfältige Solidarität, die Binsdorf entgegen gebracht wurde", sagt Ortsvorsteher Weger. Große Teile der bereits eingebrachten Ernte und des Futters für das Vieh waren vom Feuer vernichtet worden. Doch es gingen so viele Naturalspenden ein, dass der Balinger Güterbahnhof, wo diese eintrafen, teilweise überlastet war: Kleidung, Möbel, Matratzen und Bettzeug, Decken, Stoff, Spielzeug, landwirtschaftliche Geräte, Baumaterial und nicht zuletzt Lebensmittel, die ein Hilfsverein täglich nach der Frühkirche an die betroffenen Familien verteilte.

395 955 Mark betrug der geschätzte Schaden. Hilfsbeiträge und die gesetzliche Brandversicherung deckten diese Summe zu 81 Prozent ab. Der restliche Betrag wurde im Lauf der folgenden Jahre durch eine jährliche Gemeindeumlage erhoben. Damit wurden beispielsweise das neue Rathaus und die heutige Grundschule errichtet. Nach dem Unglück kaufte die Stadtverwaltung zudem eine Quelle und ließ eine Wasserleitung bauen – das kostete nochmals rund 100 000 Mark.

Spuren des Brandes sind noch heute zu erkennen, wenn man genau hinschaut: Eine Glocke, die das Feuer überstand, ist heute in der Stirnwand einer ehemaligen Bäckerei eingemauert. Und an der Stelle, an der ein Küchenherd das Unglück damals verursachte, erinnert ein Schriftzug an dem dortigen Gebäude an die Geschehnisse vor 110 Jahren.

Das Ortsbild prägen bis heute das nach der Katastrophe neu gebaute Rathaus und die Schule. Zudem finden sich über vielen Türen Inschriften aus den Jahren nach 1904.

Vom Flammenmeer in Binsdorf, den verzweifelten Löschversuchen Feuerwehrleute, den rauchenden Ruinen und den Schaulustigen, die aus der ganzen Umgebung nach Binsdorf kamen, gibt es im Orts- und Kreisarchiv zahlreiche Fotografien. Einige von ihnen werden künftig zusammen mit weiteren Informationen – auch über die Brände von 1513 und 1799 – im neuen Raum zur Präsentation der Ortsgeschichte im Rathaus zu sehen sein.