Machen sich Gedanken über die berufliche Bildung im ländlichen Raum (von links): Bürgermeister Michael Ruf, Küchendirektor Oliver Ruthardt, Kultusminister Andreas Stoch, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, Joachim Eisert, Schulleiter Peter Stumpp, und Moderator Frank Krause. Foto: Klumpp Foto: Schwarzwälder-Bote

Bei Diskussion in der Reihe "Dunkle Wälder – Bunte Perspektiven" Impulse für berufliche Bildung im ländlichen Raum gefragt

Von Sylvia Wiegert

Baiersbronn-Obertal. Das Patentrezept wurde zwar nicht gefunden, dafür aber einige Zutaten, um jungen Menschen den ländlichen Raum schmackhafter zu machen: Wenn es um die berufliche Bildung geht, setzt Kultusminister Andreas Stoch auf flexible Klassenteiler, regionale Schulkonzepte und Reformen, damit aus Lehrklassen keine Leerklassen werden.

Sie gehen zum Studieren in die Städte und kehren in der Regel nicht zurück: Während sich in den Ballungsräumen junge Arbeitskräfte "knubbeln", sucht manch ein Betrieb auf dem Land händeringend nach geeigneten Auszubildenden. Welche Impulse braucht die berufliche Bildung, damit Talente bleiben und Fachkräfte kommen? Diese Frage stand diesmal im Mittelpunkt der Diskussionsreihe "Dunkle Wälder – Bunte Perspektiven", mit der die Gemeinde Baiersbronn die Stärken und Schwächen des ländlichen Raums unter die Lupe nimmt. Gast von der grün-roten Landesregierung war diesmal Kultusminister Andreas Stoch, und der bekam im Waldhotel Sommerberg von Peter Stumpp, Schulleiter der Freudenstädter Heinrich-Schickhardt-Schule, Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, und Oliver Ruthardt, Küchendirektor im Hotel Bareiss, einige Wünsche mit auf den Weg. Zum Beispiel den nach einer Flexibilisierung des Klassenteilers. Die hält Schulleiter Stumpp angesichts des demografischen Wandels und der "dramatischen Ausdünnung" in manchen Berufsbereichen für dringend nötig. Für die beruflichen Bildungsangebote gebe es immer weniger Schüler, deshalb hätten vor allem die Landschulen in einigen Berufsbereichen Schwierigkeiten, den erforderlichen Klassenteiler von 16 Jugendlichen zu erreichen, so Stumpp.

Die möglichst wohnortnahe Berufsschule liege auch ihm am Herzen, versicherte Stoch. Eine flexible Handhabung des Klassenteilers sei daher durchaus sinnvoll, so der Minister, allerdings werde man auch damit in Zukunft nicht jedes Angebot vorhalten können: "Wir müssen darüber nachdenken, wie man ähnliche Berufsbereiche oder pädagogischen Angebote bündeln kann", so Stoch.

Mehr Beruforientierung und Betriebspraktika an allen Schularten wünscht sich Joachim Eisert für die Wirtschaft, um den Trend zum "Akademisierungswahn" zu stoppen. Vor allem was die Elternhäuser anbelangt, hält der Kammer-Geschäftsführer einen Wertewandel für wichtig. Dazu müsse man deutlich machen, dass die akademische Ausbildung nicht alles ist und es kein gesellschaftlicher Abstieg sei, wenn der Sohn eines Zahnarzts Zahntechniker wird. Allerdings nimmt Eisert durchaus auch die eigene Klientel in die Pflicht: "Gerade Betriebe im ländlichen Raum müssen erkennen, dass sie ein positives und modernes Format brauchen, um für junge Menschen attraktiv zu sein." Zu dieser Imagepflege gehört für den Wirtschaftsexperten auch die gezielte Werbung und Information der Betriebe an den Schulen.

Die soll bald verstärkt möglich sein, denn Stoch plant für das im neuen Bildungsplan verankerte Fach Berufsorientierung eine enge Verzahnung aller Schulen mit der heimischen Wirtschaft: "Da ist es durchaus sinnvoll, wenn Praktiker an die Schulen gehen und die überfachlichen Kenntnisse der Jugendlichen erweitern", meint der Kultusminister.

Mehr Imagepflege wünscht sich Küchendirektor Oliver Ruthardt nicht nur bei den Betrieben, sondern in der gesamten Region: "Wir müssen gerade den Jugendlichen auch die Stärken und schönen Seiten des ländlichen Raums schmackhaft machen und ihnen die beruflichen Perspektiven bei uns aufzeigen", hob er hervor.

Wie die Bildungsangebote gehalten und Lehrstellen erfolgreich besetzt werden können, darüber soll sich ein runder Tisch Gedanken machen, regte Peter Stumpp an: "Freudenstadt könnte zur Modellregion werden, in der Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Schule gemeinsam nach Lösungen suchen." Damit lag der Schulleiter ganz auf der Linie des Ministers: "Wir brauchen für den ländlichen Raum eine intelligente, regionale Schulentwicklung mit Konzepten, die von den Beteiligten gemeinsam und passgenau entwickelt werden."

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