Für flexiblere Arbeitszeitmodelle in der Gastronomie setzt sich der Hotel- und Gaststättenverband ein. Foto: aurema/stock.adobe.com

Dehoga setzt sich für flexiblere Arbeitszeitmodelle ein - doch die Gewerkschaft NGG stellt sich quer.

Freudenstadt - Die Gastronomen Beate Gaiser und Jörg Möhrle brennen für ihren Beruf. Als Dehoga-Funktionäre kochen sie derzeit aber vor Wut. Die Vorwürfe der Gewerkschaft NGG in der Debatte um flexiblere Arbeitszeiten seien an den Haaren herbeigezogen.

"Eine Frechheit", sagt Gaiser, "irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht." Der Gaststättenverband Dehoga setzt sich derzeit für flexiblere Arbeitszeitmodelle in Gastronomie und Hotellereie ein. Vor ihr auf dem Tisch liegt die Antwort der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die dem Dehoga eine glatte Absage erteilt und den Gastronomen empfiehlt, sie sollen lieber ihr Personal höher bezahlen und besser ausbilden (wir berichteten). Das wollen Gaiser, Vize-Dehoga-Vorsitzende im Kreis, und Vorsitzender Möhrle so nicht stehen lassen.

Der Dehoga fordere keine längere Wochenarbeitszeit, sondern eine flexiblere Stundenregelung für einzelne Tage. "Damit wir reagieren können, wenn beispielsweise ein Reisebus etwas später zum Essen ankommt", sagt Gaiser. Ein aktuelles Beispiel: Eine Geburtstagsgesellschaft sei bei ihr im Haus etwas länger gesessen als vereinbart, weil’s eben so schön gewesen sei. Nach strengen Regeln der Arbeitszeit hätten die Servicekräfte die Gruppe entweder zur Tür bitten oder nicht mehr bedienen sollen. Stattdessen sei die Sache "mit Fingerspitzengefühl" geregelt worden. "Der letzte Eindruck zählt ins unserem Geschäft", sagt Gaiser, "einen gelungenen Abend so zu beenden, wäre eine Katastrophe, egal wie gut das Essen und der Service bis dahin waren. Die kommen nie wieder."

Möhrle ergänzt, mit dem neuen Arbeitszeitgesetz, das seit einigen Jahren gilt, falle die Kontrolle in die Zuständigkeit des Zolls; die Gastronomie werde damit indirekt zur "Schwarzwarbeiter-Branche" gesteckt. Dabei würden die Dehoga-Betriebe im Landkreis sauber arbeiten, schon aus eigenem Interesse. Die Branche wolle nur "auf Unvorhersebares reagieren können", keine "Fehlplanung" ausbügeln, und schon gar nicht das Personal ausbeuten. Die Sechs-Tage-Woche solle Ausnahme bleiben, nicht Regel sein. Kranheitsausfälle wolle er nicht riskieren, auch keine Kündigung wegen schlechter Arbeitsbedingungen. "Es dauert mindestens drei Monate, eine offene Kochstelle neu zu besetzen", sagt Möhrle. Durch Personalmangel in der Branche könnten Mitarbeiter "schon morgen zwischen zwei neuen Arbeitspläzten auswählen". Er könne es sich gar nicht leisten, seine Mitarbeiter "wie Lakaien" zu behandeln.

Dem Dehoga schwebt vor, dass die Mitarbeiter an einem Tag länger arbeiten können, "wenn das Geschäft brummt", dafür Überstunden sammeln und sie an einem anderen Tag in der Woche abfeiern. "Manche Mitarbeiter wollen das, weil sie dann aus der Reihe mal ein langes Wochenende machen können, ohne Urlaub zu nehmen", sagt Gaiser. Andere bräuchten flexible Arbeitszeiten, um sich den Betreuungszeiten ihrer Kinder anpassen zu können. Auf EU-Ebene sei das auch möglich.

Die starren Arbeitszeiten mit maximal zehn Arbeitsstunden pro Tag würden selbst für Mini-Jobber gelten; wenn sie zuvor im Hauptberuf acht Stunden am Schreibtisch gesessen hätten, müssten sie nach zwei Stunden in der Gastronomie aufhören. Dann bräuchten sie erst gar nicht anzufangne. Das vernichte Mini-Jobs, auf die mancher nicht nur angewiesen sei, sondern einfach gerne mache. Neue Vollzeitstellen entstünden im Gegenzug nicht.

Die Folge sei eher, dass die Betriebe den Service einschränken müssten, etwa trotz Sonnenschein die Gartenwirtschaft geschlossen lassen. Das sei vorgekommen. "Die Gäste waren richtig sauer", erinnert sich Gaiser. Dass sich die NGG an der Arbeit abends und an Wochenenden stört, ruft bei ihnen Kopfschütteln hervor. "Ja was denn sonst", fragt Möhrle, "wann gehen die Leute denn aus? Vormittags?"

Außerdem stört den Dehoga, dass die NGG die Qualität der Ausbildung in Zweifel zieht und alte, überholte Ressentiments pflege: "Lange Arbeitszeiten, miese Bezahlung und Anpfiffe von einem cholerischen Chef", sagt Möhrle. Es sei nicht fair, "schwarze Schafe" herauszupicken und damit die gesamte Branche in Verruf zu bringen. Die Ausbildung in den Betrieben der Region sei fundiert, das duale System in Deutschland international anerkannt. "Wer eine Ausbildung etwa zur Restaurantfachkraft hier absolviert hat, wird überall auf der Welt sofort mit Kusshand genommen", sagt Gaiser.

Im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) im Kreis Freudenstadt sind 432 Betriebe organisiert. Nach eigenen Angaben erzielte die Branche voriges Jahr 210 Millionen Euro Jahresumsatz, bietet 2800 sozialversicherungspflichtigt Arbeitsplätze und beschäftige darüber hinaus 4700 Aushilfskräfte. Mit 1,28 Millionen Übernachtungen betrage das Plus 3,8 Prozent, die Bettenauslastung liege im Kreis bei 49 Prozent. Vorsitzender Möhrle (47) beschäftigt in seinem Betrieb, dem Hotel Tanne in Tonbach, 70 Mitarbeiter, darunter rund ein Dutzend Lehrlinge. Das Haus hat 100 Betten, Barbetrieb und ein Restaurant mit 150 Sitzplätzen. Im Haus gebe es rund 20 Dienstzeitpläne, angepasst auf die Berufe, vom Konditor bis zum Koch. Beate Gaiser (50) vom Hotel Adler in Freudenstadt beschäftigt 15 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit sowie Mini-Jobber. Das Haus hat 21 Zimmer mit 42 Betten und ein Restaurant mit 70 Plätzen.