Patienten, die sich mit dem neuen angepassten Impfstoff gegen Sars-CoV-2 immunisieren lassen wollen, werden teils an andere Praxen verwiesen, weil der eigene Hausarzt nicht impft. Foto: dpa-tmn/Zacharie Scheurer

Virologen warnen vor einer starken Infektionswelle – und raten zu einem guten Impfschutz bei Grippe und Corona. Doch nicht jeder Hausarzt hat einen Booster parat. Wer jetzt noch weiterhelfen kann.

Wer sich in Baden-Württemberg gegen Corona und Grippe impfen lassen möchte, braucht derzeit Geduld. Denn in Teilen des Landes ist gerade bei Corona das Netz an impfwilligen Ärzten nicht sonderlich gut ausgebaut. Zwar hat die kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg betont, dass die Impfungen gegen beide Erkrankungen in der sogenannten Regelversorgung angeboten werden – also in den niedergelassenen Arztpraxen. Dennoch ist dies zumindest bei den Hausärzten momentan nicht immer und überall der Fall, bestätigt die Vorsitzende des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, Susanne Bublitz. „Es kann sein, dass Patienten, die sich mit dem neuen angepassten Impfstoff gegen Sars-CoV-2 immunisieren lassen wollen, an andere Praxen verwiesen werden.“

Ärzte wollen keine Impfdosen verfallen lassen

Der Grund sind organisatorische Hürden: So wird der neue angepasste Impfstoff von Biontech/Pfizer bislang nur in Packungen mit sechs Impfdosen angeboten. „Nicht in jeder Hausarztpraxis ist es leistbar, stets sechs impfbereite Patienten zu finden, damit die Bestellung aufgeht“, so Bublitz. „Die Nachfrage war in den letzten Monaten extrem niedrig, weshalb viele Praxen vorübergehend keine Impfungen mehr angeboten haben.“ Gleichzeitig wollen Ärzte vermeiden, dass Impfdosen verfallen.

Auf den angepassten Impfstoff von Moderna zurückgreifen, der in Einzeldosen angeboten wird, können die Ärzte derweil noch nicht:Dieser ist zwar inzwischen zugelassen, ist aber auf dem deutschen Markt noch nicht verfügbar.

Im Südwesten sind viele impfmüde

Gesundheitsexperten hoffen derweil, dass die organisatorischen Hürden die Impfbereitschaft nicht weiter dämpfen: Jeder zweite Bundesbürger macht sich derzeit keine Sorgen wegen einer möglichen Corona-Ansteckung im Herbst und Winter, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov. Dementsprechend wollen sich nur 15 Prozent im Herbst impfen lassen. Nahezu jeder Zweite hält einen Booster dagegen für nicht so wichtig (15 Prozent) oder lehnt diesen entschieden ab (35 Prozent).

Ähnlich sieht es bei der Grippe aus: So wurden bei der Influenza-Impfung in der vergangenen Saison nur 30 Prozent der über 60-Jährigen im Südwesten geimpft, heißt es in einer aktuellen Auswertung der Techniker-Krankenkasse. Damit ist Baden-Württemberg bundesweit das Schlusslicht: Den Höchstwert im Ländervergleich erreichte Sachsen-Anhalt mit knapp 59 Prozent.

Hohe Dunkelziffer bei Corona-Infektionen

Diese Entwicklung beobachten Virologen mit Sorge: „In der Gesamtlage ist in diesem Winter leider wieder eine relativ starke Infektionssaison zu erwarten“, sagte der Chefvirologe der Universitätsklinik Essen, Ulf Dittmer.

Laut Pandemie-Radar des Bundesgesundheitsministeriums ist die Sieben-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner) bei Corona derzeit in Hamburg (14,7) am höchsten, in Baden-Württemberg (6,7) mit am niedrigsten. Allerdings ist hier eine steigende Tendenz beobachtbar. Wahrscheinlich sind die Zahlen aber weitaus höher, da deutlich weniger getestet wird als in den vergangenen Jahren.

Problematisch wird es ohnehin, wenn mehrere Infekte zusammen auftreten – etwa Grippe und Corona sowie eine Infektion mit dem RS-Virus. Daher empfehlen Virologen wie Dittmer auch, auf einen guten Impfschutz gegen die Virusgrippe zu achten: „Wer mal eine richtige Grippe durchgemacht hat, weiß, dass das alles andere als eine harmlose Erkrankung ist.“ Bei den RS-Viren, die auch für schwere Krankheitsfälle bei älteren Patienten verantwortlich gemacht werden, gebe es vermutlich erst im nächsten Jahr eine Impfempfehlung.

Drohende Überlastung der Hausarztpraxen

Experten halten Corona- und Grippeschutzimpfungen auch deshalb für wichtig, da auf diese Weise der ohnehin stark beanspruchte Gesundheitssektor nicht noch zusätzlich belastet wird. „Wir alle kennen die Situation der überlasteten Praxen und Krankenhäuser aus dem vergangenen Winter“, sagt der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Wolfgang Miller. Sein Appell lautet daher: „Wer sich gegen Corona und Grippe impfen lässt, schützt sich selbst vor einer schweren Erkrankung und hilft gleichzeitig mit, unsere vorhandenen Kapazitäten für andere schwere Erkrankungen bereitzuhalten.“

Nach Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) sollten sich vor allem Ältere ab 60 Jahren gegen Grippe und Sars-CoV-2 impfen lassen, sowie Personen mit relevanten Grundkrankheiten, Bewohner von Pflegeheimen, medizinisches und pflegerisches Personal sowie enge Kontaktpersonen von Menschen, die mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko leben müssen.

Ebenfalls empfohlen wird die Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen. Wichtig ist, dass nach der letzten Impfung oder Infektion etwa zwölf Monate vergangen sind. In der Regel kann beim selben Arztbesuch gegen Corona und gegen Grippe geimpft werden.

Impfwillige bekommen ihren Booster in Apotheken

Doch was tun, wenn man keinen Impftermin bekommt? Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg rät Impfwilligen, die beim Hausarzt kein Glück haben, sich an Kooperationspraxen oder an Facharztpraxen zu wenden, die schon in der Vergangenheit Influenza- oder Corona-Impfungen angeboten haben.

Zudem bieten viele Apotheken eine Impfung an: Auf der Internetseite der Landesapothekerkammer kann nach Adressen gesucht werden (www.lak-bw.de/service/patient/schutzimpfungen-in-der-apotheke). Interessierte können dabei zwischen Corona- und Grippeimpfungen filtern.