Verkehrsminister Winfried Hermann (Mitte) zeigt’s an: Seit Dienstag werden Fahrgäste über Verspätungen informiert. Foto: Geideck

Minister Hermann weiht System ein, das Pünktlichkeit von Bus und Bahn anzeigt. Mit Kommentar

Calw - Viele Bahnhöfe im Raum Stuttgart besitzen sie bereits – und jetzt auch Calw: Verkehrsminister Winfried Hermann weihte am Dienstag ein Echtzeit-Informationssystem am ZOB ein. Kostenpunkt: knapp 700.000 Euro.

Zur Premiere gleich eine Verspätung: Um 13.50 Uhr soll die Regionalbahn von Calw nach Nagold abfahren, doch die eingeweihten Bildschirme bereiten die Fahrgäste schon einmal darauf vor: Es wird 13.51 Uhr. Das allerdings kann Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wett machen: Zwei Minuten früher als geplant trifft er am Calwer Bahnhof ein und übergibt das neue Echtzeit-System offiziell seiner Bestimmung.

Wenn eigens ein Minister kommt, weil an einem Bahnhof sieben Bildschirme installiert wurden, dann macht das deutlich, welchen Stellenwert das Thema auf politischer Ebene hat. Das sieht man auch am Preis: 690.000 Euro kostet das Echtzeit-System, das seit Dienstagnachmittag den Fahrgästen am Calwer Bahnhof sagt, ob Bus und Bahn pünktlich sind.

Und das funktioniert so: Alle Busse, die im Kreis Calw unterwegs sind, haben eine GPS-Verbindung an Bord. Über diese Verbindung wird festgestellt, wo sich der Bus aktuell befindet und wo er eigentlich sein müsste. Das Echtzeit-System kann dadurch automatisch die Verspätung berechnen, die dann auf den Bildschirmen am Calwer Bahnhof angezeigt wird.

"Ich kann das nicht mehr sehen, dass man Fahrpläne hat, die keiner lesen kann, weil sie zu klein oder verschmiert sind, und die nichts aussagen, weil keine Verspätungen angezeigt werden", erklärte Hermann die Gründe für die Einführung des Systems. Der baden-württembergische Verkehrsminister ist sich sicher: "Echtzeit ist für Fahrgäste von essenzieller Bedeutung."

Rein optisch geben die Bildschirme dem Calwer Bahnhof einen urbanen Anstrich – und das schien dem Calwer Oberbürgermeister Ralf Eggert (parteilos) bei der Einweihung durchaus zu gefallen. "Wir tun sehr viel, um Dinge aufzunehmen, die eigentlich nur in großen Ballungszentren üblich sind", sagte das Stadtoberhaupt. Gleichwohl sei dies beim Echtzeit-System im ländlichen Raum "eine große Herausforderung" aufgrund der niedrigeren Fahrgastzahlen und der längeren Strecken.

Tatsächlich ist das System ein Import aus dem Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), der allerdings pro Tag auch stolze 1,2 Millionen Fahrgäste befördert. Bereits 2012 ging es dort mit Mitteln des Landesprogramms Namoreg (Nachhaltig mobile Region Stuttgart) an den Start. 2015 dockten die Landkreise Calw und Göppingen an das Namoreg-Programm an, um mit dem VVS-System verbunden zu werden. Rund zwei Jahre lang dauerten die Planungen, ehe in Göppingen im Februar sieben Bildschirme installiert werden konnten. Calw zog nun nach.

"Da geht nichts auf Knopfdruck. Da steckt viel, viel Arbeit dahinter", verdeutlichte VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger in Calw. Er ist stolz darauf, dass der VVS einer der ersten Verkehrsverbünde in Deutschland war, der solch ein Echtzeit-System eingeführt hat.

Derweil gestand Gisela Volz, Geschäftsführerin der deutlich kleineren Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw (VGC): "Wir haben noch viel Nachholbedarf, was die Infrastruktur angeht." Schritt für Schritt wolle man nun Projekte umsetzen, denn für Volz steht fest: "Wir sind noch lange nicht am Ende."

Tatkräftige Unterstützung erhält der VGC vom Landkreis Calw, der 110.000 der 690.000 Euro für das Echtzeit-System beigesteuert hat. "Es ist ein zukunftsweisendes System", unterstreicht der Erste Landesbeamte Zeno Danner. Der Landrat-Stellvertreter will es sogar flächendeckend im gesamten Kreis Calw einführen. Zwar soll nicht jede Dorf-Bushaltestelle einen Bildschirm bekommen, aber man werde nun zusammen mit allen 25 Kreiskommunen mögliche Standorte ermitteln. "Die Hotspots", wie Danner sagt. Möglich sei, dass dadurch auch in größeren Calwer Stadtteilen noch solch ein Bildschirm installiert wird. Jedes Mal 690.000 Euro werden dafür allerdings nicht fällig, denn die Technik steht nun im Kreis Calw bereit. Es bleiben nur noch die Kosten für den Bildschirm und den Anschluss an das System.

Bis dahin kann man sich nicht nur am Calwer Bahnhof, sondern auch per Smartphone informieren, ob Bus und Bahn pünktlich fahren – zumindest theoretisch. Denn da die VGC noch keine eigene App entwickelt hat, gibt es nur zwei Möglichkeiten, virtuell an die Daten aus dem Kreis Calw zu kommen: die VVS-App und die elektronische Fahrplanauskunft Baden-Württemberg (EFA BW). Der Haken: Der VVS berücksichtigt in seiner App nur Busse, deren Start oder Ziel im Kreis Böblingen liegt. Und die EFA BW hat seit einiger Zeit technische Probleme – zu groß seien die Datenmengen, die momentan in ihr System eingespeist werden.

Kommentar: Reiner Luxus

Tim Geideck

690.000 Euro nimmt das Land in die Hand, damit die Fahrgäste am Calwer Bahnhof Bescheid wissen, ob Bus und Bahn pünktlich abfahren. 690.000 Euro, damit sich ein jeder schon einmal darauf einstellen kann, ob er vielleicht sechs oder elf Minuten zu spät in Oberreichenbach oder Gechingen ankommen wird. Ein ganz schön teurer Spaß – wohlgemerkt auf Kosten des Steuerzahlers. Noch dazu ein Spaß, der gar nicht richtig funktioniert. Denn da die VGC keine eigene App besitzt, können die Daten, die jeder Bus in das System einspeist, online gar nicht abgerufen werden. Freilich: Die Absicht ist richtig, den ÖPNV zu stärken – auch im ländlichen Raum. Das in Calw eingeführte System aber ist reiner Luxus. Es wird die Pünktlichkeit von Bus und Bahn im Kreis um keine einzige Minute verbessern. Das aber ist ein entscheidender Faktor, um den ÖPNV zu stärken.