Früher waren die Parteitage oft von Machtkämpfen überlagert, jetzt zeigen sich die Bundessprecher Tino Chrupalla (links) und Alice Weidel entspannt. Foto: Carsten Koall/dpa/Carsten Koall

Auf ihrem Bundesparteitag in Magdeburg feiert sich die AfD selbst. Offene Konflikte will sie gerade unbedingt vermeiden. An diesem Wochenende steht allerdings noch eine schwierige Wahl bevor.

Martin Reichardt ist ein Mann, der eher brüllt als spricht. Zumindest, wenn er am Mikrofon steht. „Wir werden einen Parteitag abhalten, der die Weichen stellt“, schreit er, als er als Vorsitzender des AfD-Landesverbands die Delegierten des Bundesparteitags in Magdeburg begrüßt.

Als er über den CDU-Politiker Marco Wanderwitz spricht, der die AfD gern verbieten lassen würde, läuft Reichardts Gesicht rot an. „Das zeigt den Geist der Altparteien. Wir allein sind die, die dem entgegenstehen!“ Und einen Satz ruft er besonders laut: „Wir sind einig, einig, einig!“

Das ist das Gefühl, das die AfD in Magdeburg in den Mittelpunkt stellen will. 600 Delegierte sind dafür zusammenkommen. Nach dem Bundesparteitagtag will die AfD über vier Tage – an diesem und am kommenden Wochenende – ihre Kandidaten für die Europawahl 2024 aufstellen.

Immer wieder Lagerkämpfe

In den vergangenen Jahren waren solche Treffen oft von Machtkämpfen überlagert. Viele Parteispitzen schmissen hin: Bernd Lucke, Frauke Petry, Jörg Meuthen. Sie alle traten aus der Partei aus, die sie geführt hatten – bis diese sich gegen sie wandte. Immer wieder ging es um den Einfluss des völkischen, rechtsextremen Lagers rund um den Thüringer Landeschef Björn Höcke. Jedes Mal standen sich zwei Strömungen gegenüber: auf der einen Seite diejenigen, die die AfD offen rechtsextrem ausrichten wollten, auf der anderen jene, die um die Anschlussfähigkeit der Partei fürchteten.

Doch seit einem Jahr scheint die AfD geeint zu sein – zumindest nach außen. Inzwischen führen Tino Chrupalla und Alice Weidel die Partei. Das Lager von Björn Höcke trägt die beiden. Das ist entscheidend, um sich in der AfD durchzusetzen. Und jetzt zeigt sich: Dass die AfD sich offen rechts gibt, schadet ihr nicht. Ganz im Gegenteil. Die Partei ist erfolgreicher denn je, stellt ihren ersten Landrat und ihren ersten Bürgermeister, in Umfragen ist sie mit 20 Prozent so stark wie nie.

Eine Partei in bester Laune

In Magdeburg zeigt sich eine beschwingte AfD. Machtkämpfe gibt es noch immer, aber sie werden weniger offen ausgetragen. Und vor allem am Freitag soll davon nicht so viel zu sehen sein.

Tino Chrupalla muss erst mal um Ruhe bitten, als er ans Rednerpult tritt. Vergeblich übrigens – den ganzen Tag lang bleibt es laut im Saal. Chrupalla zeigt sich trotzdem munter. Er schwärmt von den guten Umfrageergebnissen, freut sich über die Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz, schimpft über die Grünen. Ein, zwei Mal fährt er mit der Zunge über die Lippen, besonders, wenn er laut geworden ist. Und er betont: „Der Kurs ist der richtige, das Personal ist das richtige, lasst uns genauso weitermachen.“ Bevor er sich wieder setzt, umarmt er Alice Weidel. Die beiden Bundessprecher, die sich in den Armen liegen – auch um solche Bilder geht es an diesem Tag.

Keine heiklen Fragen

Der Bundesparteitag bespricht vor allem Organisatorisches. Es geht um Änderungen an der Bundessatzung, der Wahl- und der Geschäftsordnung. Die Rechnungsprüfer legen ausführlich dar, wie sie die Goldbestände der Partei kontrolliert haben, der Bundesvorstand berichtet über seine Tätigkeiten. Was heikel ist, hat der Bundesvorstand von der Tagesordnung genommen – zum Beispiel einen Antrag, in dem sich die AfD zum Angriffskrieg auf die Ukraine positionieren sollte. Über solche Fragen will man in Magdeburg lieber nicht sprechen.

Trotzdem könnte es an diesem Wochenende noch ungemütlich werden für die AfD. Der Grund dafür ist ein großer Mann mit rundem Gesicht und gescheiteltem Haar. Er heißt Maximilian Krah und tritt meist im Anzug auf, dazu gern noch ein Einstecktuch. An diesem Freitag lächelt er sehr viel. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Parteitag Krah zum Spitzenkandidaten für die Europawahl machen wird, obwohl er hochumstritten ist.

Eine umstrittene Figur

Krah ist Mitglied des Bundesvorstands und sitzt für seine Partei im Europaparlament. Von seiner Fraktion ist er aktuell suspendiert – zum zweiten Mal. Schon 2022 hatte man ihn für ein halbes Jahr ausgeschlossen, weil er die Partei des Rechtsextremen Éric Zemmour während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs öffentlich unterstützt haben soll. Dabei gehört Krahs EU-Fraktion auch die rechte französische Partei Rassemblement National an, deren Chefin Marine Le Pen selbst als Präsidentschaftskandidatin antrat. Außerdem läuft derzeit ein Betrugsverfahren gegen Krah. Er streitet alle Vorwürfe ab.

Man sagt Krah nach, dass er im rechtsextremen Lager der Partei gut vernetzt sei. Wenn er sich durchsetzt, wäre das ein weiterer Erfolg für diese Gruppe, ein weiterer Schritt nach rechts außen. Ob jemand als Gegenkandidat antreten wird, ist noch offen.