Es gibt immer mehr Flüchtlinge, aber zu wenig Platz. Stuttgart muss für zusätzlich 570 Asylsuchende Unterkünfte schaffen. Foto: dpa

Weltweite Krisen vertreiben immer mehr Menschen aus ihrer Heimat. Folge: Die Aufnahmestelle in Karlsruhe platzt aus allen Nähten. Jetzt müssen Städte wie Stuttgart mehr Platz schaffen. Sogar ein leer stehender Trakt des Bürgerhospitals soll 100 Menschen Zuflucht bieten.

Stuttgart - Die Zeit drängt. Die Stadt braucht schnellstens mehr Unterkünfte für Flüchtlinge. Die Sache duldet keinen Aufschub mehr. Zu prekär ist die Situation. „In Karlsruhe leben die Flüchtlinge teilweise in den Fluren. Es ist eine desaströse Situation“, berichtete Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer, „die Menschen müssen da schleunigst raus.“ Die Stadt ist durch das Bundesamt für Migration verpflichtet, zusätzlich 730 Personen in diesem Jahr aufzunehmen. Damit wäre die Zahl von 1580 Menschen erreicht, denen in Stuttgart Asyl gewährt wird. Rund 160 neue Flüchtlinge hat die Stadt seit Januar bereits aufgenommen. Bis zum Jahresende muss etwa noch weiteren 570 Menschen eine Unterkunft gestellt werden.

Und damit beginnt das Problem: Es fehlen Plätze. Derzeit sind es nur 360 Plätze, die konkret belegt werden können. Und das nicht einmal sofort. Teilweise sind die Unterkünfte erst zum Jahresende beziehbar, teilweise laufen die Verhandlungen über eine Anmietung erst an. Für weitere 210 fehlende Plätze gibt es allerdings noch gar keine konkreten Pläne. Für Isabel Fezer bedeutet das: „Wir müssen die Suche nach Unterkünften und Liegenschaften intensivieren.“

Nicht durch das. Um dem starken Flüchtlingsstrom gerecht zu werden, braucht das Sozialamt mehr Personal. Je nachdem, wie sich die Zahl der Flüchtlinge weiterentwickelt, will die Verwaltung aufrüsten. In der Spitze sollen 5,7 Stellen neu geschaffen werden. Eine Planung, die der Gesundheits- und Sozialausschuss des Gemeinderats jetzt einstimmig billigte. Nach den neusten Prognosen dürften diese knapp sechs Stellen tatsächlich benötigt werden. Im Jahr 2014 muss die Stadt wohl 807 Plätze bereitstellen. „Das wird eine Herkulesaufgabe, alle diese Menschen anständig in der Stadt unterzubringen“, sagte die Stadträtin der Grünen, Clarissa Seitz. Ihr Kollege Philipp Hill (CDU) sieht das ebenso. „Das ist eine große Aufgabe, ich weiß nicht, ob Sie in den Urlaub fahren können“, scherzte er in Richtung der Sozialbürgermeisterin.

Flüchtlinge möglichst gleichmäßig auf Bezirke in Wohnungen verteilen

Tatsächlich ist die Herausforderung groß, wie die aktuelle Planung für vier Stadtteile zeigt: In Bad Cannstatt (Oppelner Straße) sollen 25 Plätze bis zum Jahresende entstehen. In dem Gebäude in Heumaden, das im vergangenen August niedergebrannt ist, sollen weitere 35 Plätze bis Ende des Jahres entstehen. Um diese Unterkünfte in der Kirchheimer Straße um einen weiteren Block zu ergänzen, muss die Stadt nun 2,43 Millionen Euro investieren. Recht zügig sollen dagegen die 100 Plätze in einem Trakt des Bürgerhospitals (Tunzhofer Straße) realisiert werden. Über die Anmietung eines Gebäudes in der Vaihinger Arthurstraße wird jedoch noch verhandelt. Dennoch fehlen weitere 210 Plätze, um die Aufnahmepflicht zu erfüllen.

Die prekäre Situation dürfe die Stadt jedoch nicht dazu verleiten, den Stuttgarter Weg zu verlassen, wie Isabel Fezer meinte. „Das Modell des Stuttgarter Weges ist ein Vorbild im Land, an dem sich auch weiterhin unser Handeln orientiert“, sagt Isabel Fezer. Gemeint ist damit, die Flüchtlinge möglichst gleichmäßig auf die Bezirke der Stadt in Wohnungen zu verteilen. So sollen eine örtliche Akzeptanz und Integration der Flüchtlinge erreicht werden. Die FDP-Fraktion befürchtet jedoch, dass das Gegenteil eintritt: „Dadurch sind soziale Unruhen programmiert“, sagte Stadtrat Matthias Oechsner.

Beträchtliche finanzielle Folgen

Finanzbürgermeister Michael Föll will jedoch wie seine Kollegin Fezer unverdrossen am Stuttgarter Weg festhalten. Er rechnet mit 50 bis 60 kleineren Einheiten, um diesen Weg perfekt umzusetzen. Gleichwohl weiß Föll, dass dies in der Realität kaum erreichbar ist: „Am Ende des Tages sind wir also auf größere Einheiten wie die in Heumaden angewiesen.“

So oder so. Die finanziellen Auswirkungen sind für die Stadt beträchtlich. Für das Jahr 2013 sind für den Unterkunftsbereich knapp 2,5 Millionen Euro prognostiziert. Für den Sozialleistungsbereich sollen weitere 6,6 Millionen Euro hinzukommen. Pro Flüchtling bekommt die Stadt vom Bund 12.270 Euro im Jahr. Einem Flüchtling stehen neben der Unterkunft im Monat 130 Euro zu.