Überwältigt: Thorsten Frei nahm nach seiner Wahl Glückwünsche und minutenlange Standing Ovations entgegen. Foto: Kienzler

Verhärtete Fronten bei emotionaler Versammlung. Thorsten Frei gewinnt mit überwältigender Mehrheit.

Bräunlingen - Das war eine politischer Erdrutsch, der am Freitagabend in der Bräunliner Stadthalle losging. Thorsten Frei gilt als vorsichtig. Der CDU-Landes-Vize hätte wohl nie seinen Hut in den Ring für das Bundestagsmandat geworfen, wenn er nicht der Unterstützung einflussreicher CDU-Politiker im Südwesten und in seinem Wahlkreis sicher gewesen wäre. Doch wie deutlich das Votum des Kreisparteitages der Union im Schwarzwald-Baar-Kreis für ihn ausfallen würde, dürfte selbst ihn überrascht haben.

Frei erhält mehr als doppelt so viele Stimmen

Mit deutlicher Mehrheit – mit 502 Stimmen – sprachen sich die Mitglieder im Wahlkreis 286 für den 38-jährigen Herausforderer aus. Eine schallende Ohrfeige für Amtsinhaber Siegfried Kauder, der nur 230 Stimmen erhielt.

"Das ist eine politische Eruption, die hier im Schwarzwald-Baar-Kreis stattgefunden hat", kommentierte Kreisrätin Elke Bettecken die Wahl. Frei hatte bereits vor der Wahl in einer erfrischenden Rede deutlich gemacht, wohin der Kurs mit ihm geht: "Es geht nicht um mich, ich will in der Partei Verantwortung übernehmen." Nach seiner Wahl zeigt sich Frei bescheiden: Es sei ein überwältigender Beweis des Vertrauens, dass er die Wahl so deutlich gewonnen habe, sagte er. Es sei klar, dass die ein Vorschuss sei, den es für ihn nun einzulösen gelte. Auch für den unterlegenen Siegfried Kauder fand Frei Anerkennung. Kauder habe für den Wahlkreis viel geleistet, sagte Frei und ließ verlauten, dass er auf Kauder zugehen werde.

Kauder hatte den Kreisparteitag zu Beginn in ein organisatorisches Chaos gestürzt, indem er sich überraschend als Delegierter zum Bundesparteitag streichen ließ, weil er sowieso dort sei. 733 Personen füllten die Stadthalle in Bräunlingen. Emotional aufgeheizt, prallten hier die Fronten aufeinander.

"Ich bin zwar nicht gekrönt und gesalbt, aber doch der gewählte Volksvertreter"

Und so hatte alles angefangen: Siegfried Kauder hatte schon 2011 erklärt, dass er für eine dritte Legislaturperiode im Bundestag antreten wolle. "Das war nicht mit uns abgesprochen", hatte ein CDU-Mitglied schon damals hinter vorgehaltener Hand artikuliert, was sich zum gigantischen Streit ausweiten sollte und zu Vorwürfen, dass es Kauder an Kommunikationsfähigkeit mangele, dass er nach Gutsherrenart handele. Der Kreisverband rief das Parteischiedsgericht an, um eine Kreisvorstandssitzung durchzusetzen.

Im Juli dann hatten die CDU-Mitglieder mit Mehrheit die Nominierung des damals einzigen Kandidaten Siegfried Kauder verhindert und die Versammlung verschoben. Zuvor sollte der parteiinterne Konflikt geschlichtet werden. Hätte Siegfried Kauder jetzt eingelenkt, so wäre er vermutlich der einzige Kandidat geblieben. Bis die CDU rebelliert, muss üblicherweise viel passieren. Der jüngere Bruder von Volker Kauder, dem einflussreichen Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, hatte bei den ersten beiden Nominierungsversammlungen Mehrheiten von 90 Prozent und mehr erzielt. Seine Verdienste, zum Beispiel im Fluglärmstreit mit der Schweiz und als Opferanwalt waren bis vor zwei Jahren unumstritten. Äußerungen wie "Ich bin zwar nicht gekrönt und gesalbt, aber doch der gewählte Volksvertreter" wertete man damals als Scherz und dem sensibel und clever wirkenden, erfolgreichen Strafverteidiger verziehen die Wähler vieles.

Aber nicht das Hausverbot für die CDU-Kreisgeschäftsstelle, das Kauders dritte Ehefrau vor wenigen Monaten gegenüber der langjährigen verdienten, von Alt-Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) geförderten Kreisgeschäftsführerin Luzia Grießhaber aussprach. Vorfälle wie dieser hatten zur Folge, dass sich in der CDU Zweifel an Siegfried Kauders Urteilsvermögen mehrten. Doch einem Gespräch entzog sich der Abgeordnete, ließ es zu, dass die Partei sich in zwei Lager spaltete. So jedenfalls die Wahrnehmung der Kritiker. Als "eine einzige Katastrophe" beschrieben Mitglieder schließlich eine Kreisvorstandssitzung am 29.Oktober in Brigachtal. Dort sollen Beschimpfungen und Beleidigungen an der Tagesordnung gewesen sein.

Ob der "große Kauder" seinem Bruder vor der Kandidatur Ratschläge erteilt hat?

Thorsten Frei, stellvertretender Landesvorsitzender der CDU, galt zunächst nicht als einer, der Kauder beerben wollte. Der Donaueschinger Oberbürgermeister erschien nur selten zu gemeinsamen Terminen mit Siegfried Kauder, pflegte aber den Kontakt mit Unionsfraktionschef Volker Kauder im benachbarten Tuttlingen. Den Kreis-CDU-Neujahrsempfängen in St. Georgen blieb Frei zum Beispiel fern, während er sich 2010 mit Volker Kauder im Fürstenberger Bräustüble in Donaueschingen sehen ließ.

Ob der "große Kauder" seinem Bruder vor der Kandidatur nun Ratschläge erteilt hat, ist ungewiss. Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" jedenfalls äzt: Verliere Siegfried Kauder den Wahlkreis, habe Volker in Berlin ein Problem weniger.

Thorsten Frei jedenfalls, Jurist wie Siegfried Kauder, gilt als einer, dessen menschliche Qualitäten überzeugen, der vermitteln kann und ankommt. Der Umgang des Familienvaters mit den Bürgern wird als souverän, freundlich, gewinnend beschrieben. So wie Thorsten Frei selbst rüberkommt. Erst vor wenigen Wochen ist Frei denn auch als OB in Donaueschingen wiedergewählt worden: mit ungewöhnlichen 99,2 Prozent.

Hinzu kommt: Der Donaueschinger Oberbürgermeister gilt als Führungsreserve der Südwest-CDU. Doch man sagte ihm eher Ambitionen für den Landtag nach, nicht so sehr für den Bundestag. Schließlich sollte zuletzt eine Schlichtung im Kreisverband noch kitten, was aber nicht mehr zu kitten war. Doch Erwin Teufel, als Vermittler eingeschaltet, gab auf.

Und nun erklärte Frei, dass er gegen Siegfried Kauder antreten wolle. Zuvor hatten Stadt- und Ortsverbände, Bürgermeister und andere Mitglieder ihn dazu aufgefordert. Kauder warf seinen Gegnern ein planloses und durchtriebenes Spiel vor, hielt eisern an der Kandidatur fest. In Bräunlingen musste es zum Showdown kommen.