Rom - Ein Hauch von Endzeitstimmung liegt über der italienischen Hauptstadt. Silvio Berlusconi, im Frühjahr 2008 strahlender Wahlsieger, kommt mit den Reparaturarbeiten in seinem Regierungslager nicht mehr nach. Er verliert einen Getreuen nach dem anderen durch Korruptionsskandale. Ein offener Konflikt mit Gianfranco Fini, dem aufmüpfigen Präsidenten der Abgeordnetenkammer, absorbiert auch viel Energie des "Cavaliere". Ob bei einem heiß umstrittenen Abhör- und Mediengesetz oder einem Anti-Krisen-Paket von 25 Milliarden Euro - überall schlägt dem 73-jährigen Berlusconi Widerstand auch aus den eigenen Reihen entgegen.

Am Tiber wird bereits ziemlich offen über eine Zeit nach Berlusconi gesprochen. Während das Land dringende Reformen erwartet, wirkt die Mitte-rechts-Regierung aus Berlusconis Volk der Freiheit (PdL) und der rechtspopulistischen Lega Nord wie gelähmt. Dabei hatte der Mailänder Medienzar und Milliardär im März die Regionalwahlen ganz überzeugend gewonnen, hätte den Weg also frei für eine Politik, die das Bel Paese bis zur regulären nächsten Parlamentswahl 2013 ein Stück weit aus der Wirtschaftskrise führt. Zudem ist die Opposition weiterhin zerstritten und zu farblos, und der größten Anti-Berlusconi-Partei PD (Demokratische Partei) um Pierluigi Bersani bescheinigt der "Corriere della Sera" schlichtweg politische Abwesenheit: "Die Partei, die es nicht gibt".

Inmitten der Malaise drohte Berlusconi mit seinem vielleicht letzten Trumpf: Neuwahlen. Um den Zusammenhalt seines Regierungslagers zu erzwingen, boxt er weiterhin mit einem Vertrauensvotum nach dem anderen seine Gesetze durchs Parlament. Und er flirtet auf der Suche nach einer "exit strategy" mit Pier Ferdinando Casini von der katholischen UDC.

Vergebens. Hinter seinem Rücken wird aus der linken Ecke heraus die Idee einer breiten Übergangsregierung lanciert. Als Galionsfigur handeln die Medien dabei bereits Wirtschaftsminister Giulio Tremonti. Bereits zum vierten Male Berlusconis Minister, musste dieser einmal mehr der treue Knappe sein und gegen solche Spekulationen auftreten.

Auch Sozialforschungsinstitute schlagen Alarm: Die Neigung der Italiener zur Korruption nehme besorgniserregend zu. "Noch ist Italien nicht Griechenland", sagt der Soziologe Raffaele Pastore, "aber wir sind auf dem besten Wege dorthin." Auch der Mafia-Experte Roberto Saviano ist besorgt: "Jeden Morgen bei der Lektüre der Zeitungen hat man den Eindruck, eine neue Folge eines Krimis zu lesen, bei dem Politik und Wirtschaft und sogar ein Teil der Justiz unter einer Decke stecken."

"Wir haben zwei Regierungen, eine wird von Berlusconi geführt und die andere von Tremonti", meinte Enrico Letta von der Führungsriege der PD. Denn bei dem Anti-Krisen-Paket habe sich Tremonti doch schon "auf der ganzen Linie" durchgesetzt - Berlusconi, so heißt es, sei anfangs gegen den strikten Sparkurs seines Ministers gewesen, weil er einen noch steileren Abfall seiner eigenen Popularität befürchtet.

Diese leidet gegenwärtig aber vor allem auch darunter, dass ein Korruptionsskandal den anderen jagt, so dass man glatt die Übersicht verlieren könnte. Eine "geheime Verschwörung", in die Politiker aus Berlusconis Reich und auch Richter verwickelt sein sollen, zieht Kreise. Dazu kommt das parteiinterne Gezänk zwischen Berlusconi und dem sich profilierenden Gianfrano Fini. Also sucht der "Cavaliere" verzweifelt nach einem Rettungsanker.

Urlaub mache er in diesem Sommer nicht, verkündete der Medienmogul. Dafür will er sich in einem Schlösschen bei Rom einem Neustart der Partei widmen, in der Finis postfaschistische Nationale Allianz (AN) aufgegangen war. Dann befahl Berlusconi seinen Ministern, den Streit im Fernsehen und den übrigen Medien mit Finis Anhängern zu lassen. Während er so zu kitten versucht, was noch zu kitten ist, steht die Frage von Neuwahlen im Herbst oder im Frühjahr 2011 im Raum. Und die Debatte über die Zeit nach Berlusconi geht weiter, zumal nach dem Rücktritt des Wirtschaftsstaatssekretärs Nicola Cosentino in der vergangenen Woche. Italienischen Medienberichten zufolge soll er einer Geheimloge angehören, die juristische Entscheidungen des Landes zu beeinflussen trachtet.

Literaturnobelpreisträger Dario Fo blickt nach eigenen Angaben in eine "düstere italienische Zukunft". Mit betroffenem Gesicht stellt er fest: "Was wir jeden Tag aus den Medien erfahren, schlägt dem Fass den Boden aus, denn hier geht es ja schon lange nicht mehr nur um illegale Parteienfinanzierung oder ein paar Schmiergelder". Mit dieser Einschätzung steht der renommierte Schriftsteller nicht allein.

Auch Sozialforschungsinstitute schlagen Alarm: Die Neigung der Italiener zur Korruption nehme besorgniserregend zu. "Noch ist Italien nicht Griechenland", sagt der Soziologe Raffaele Pastore, "aber wir sind auf dem besten Wege dorthin." Auch der Mafia-Experte Roberto Saviano ist besorgt: "Jeden Morgen bei der Lektüre der Zeitungen hat man den Eindruck, eine neue Folge eines Krimis zu lesen, bei dem Politik und Wirtschaft und sogar ein Teil der Justiz unter einer Decke stecken."