Die Stromnetze werden zum Nadelöhr der Energiewende. Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Mit Stromimporten aus dem Ausland bewältigt der Netzbetreiber Transnet BW einen drohenden Netzengpass in Baden-Württemberg. Nutzer der App „StromGedacht“ erhielten einen Sparhinweis aufs Smartphone.

Um einen Netzengpass auszugleichen, hat Transnet BW am Montag kurzfristig größere Mengen Strom aus der Schweiz bezogen. Der Netzbetreiber aus Stuttgart besorgte sich aus dem Nachbarland eine zusätzliche Leistung von 1 Gigawatt. Zur Einordnung: Das entspricht grob dem Betrieb einer halben Million Waschmaschinen.

Transnet-BW-Sprecherin Andrea Jung warnt: „Solange der Netzausbau nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt hält, wird es wie in den vergangenen Jahren zu mehr Netzengpässen kommen.“Der Bedarf ist groß: Bis 2037 müssen Unternehmensangaben zufolge rund 20 000 Kilometer Höchstspannungsleitungen neu gebaut oder erneuert werden.

Windräder zwingen Stromnetze in die Knie

„Netzengpass-Situationen drohen die Leitungen zu überlasten. Deshalb regeln die Übertragungsnetzbetreiber die Windparks im Norden ab“, schildert Sprecherin Jung in Bezug auf eine „angespannte Netzsituation“ am Montag. Transnet BW hatte Verbraucherinnen und Verbraucher um 0.38 Uhr in einer Mitteilung gebeten, zwischen 6 und 14 Uhr „möglichst wenig Strom“ zu verbrauchen. Die entsprechende Meldung auf der App „StromGedacht“ bedeutete aber nicht, dass Stromabschaltungen im Land zu befürchten waren.

Hintergrund der Maßnahme war, dass es im Norden sehr viel Wind gab. Weil die Netze im Zuge der Energiewende noch nicht ausreichend ausgebaut sind, reicht die Übertragungskapazität in den Südwesten für solche Mengen nicht aus. Es entsteht ein Stau, und der Strom sucht sich einen anderen Weg. Um den Bedarf in Baden-Württemberg zu decken, muss dann anderweitig Strom erzeugt oder importiert werden.

Wann Strom importiert werden muss

Redispatch nennt man solche Eingriffe in die Stromversorgung. Sie gehören im Grunde zum Tagesgeschäft bei Transnet BW. Hin und wieder haben sie allerdings ein solch großes Ausmaß, dass die Öffentlichkeit informiert wird. Schon im vergangenen Jahr war es nötig, Strom aus der Schweiz zu importieren und auf Reservekraftwerke zurückzugreifen, um die Stromversorgung stabil zu halten.

Wenn der Wind in Norddeutschland besonders stark weht, hat das auch Auswirkungen auf die Strombörse. Durch das hohe Stromangebot sinken dort die Großhandelspreise, wie Transnet-BW-Sprecherin Jung erklärt. Marktteilnehmer wie etwa Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken im industriereichen Süden decken sich dann mit günstigem erneuerbarem Strom ein. Damit die eingekauften Strommengen bei den Käufern ankommen, weist Transnet BW Kraftwerke im Süden an, ihre Stromproduktion anzupassen. Reicht das innerdeutsche Potenzial – wie in diesem Fall – nicht aus, sind zusätzliche Stromimporte aus dem Ausland notwendig.

Die App „Stromgedacht“

Zuletzt nutzten laut Transnet BW rund 250 000 Menschen die App „StromGedacht“. Am Montag hatten bis zum Nachmittag mehr als 14 000 Nutzerinnen und Nutzer in der App ihre Teilnahme über einen Daumen nach oben signalisiert – das sei eine Verdoppelung gegenüber der vorherigen Mitteilung, teilte das Unternehmen mit.

Die Anwendung arbeitet mit einer Art Ampelsystem: Grün steht für Normalbetrieb. Rot ist für angespannte Situationen vorgesehen, bei denen Prognosen des Strommarktes eine zu geringe Erzeugung für die Nachfrage in Baden-Württemberg vorhersagen. Und ganz neu: Supergrün informiert, wann der Stromverbrauch am klimaschonendsten ist.