Ralf Wegener, auf dem Bild mit Frau Anke, hat mit seinem elektrischen Rollstuhl Probleme, in Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs zu kommen. Foto: privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Aufreger: Menschen mit Behinderung haben es bei der Fahrt in Bus und Bahn schwer / Ein Betroffener erzählt

Es gibt Tage, da läuft es. Und es gibt Tage wie diesen. Als Ralf Wegener zur Einschulung seiner Enkeltochter von Bad Wildbad nach Calmbach fahren wollte, ging wirklich alles schief, was nur schief gehen kann.

Bad Wildbad. Der Grund: Der 54-Jährige sitzt im Rollstuhl und ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, wenn er irgendwohin fahren möchte. Da aber oftmals nicht behindertengerechte Züge und Busse verkehren, gerät er dabei so manches Mal in abenteuerliche Situationen. So auch an besagtem Mittwoch.

Nach jahrelangen Erfahrungen mit dem öffentlichen Nahverkehr weiß Wegener, dass er auf jeden Fall frühzeitig los muss, will er sein Ziel rechtzeitig erreichen. Deshalb informiert er sich auch noch im Internet: Bevor er das Haus verlässt, schaut er sich die Fahrpläne von Bus und Bahn an. Problem dabei: Die Auskunft, die er findet, ist veraltet – der Bus kommt später. Nach einiger Zeit kommt dann der Bus der Südwestbus-Linie 7780 von Freudenstadt nach Bad Wildbad. Nächstes Problem: Statt des behindertengerechten Niederflurbusses der Südwestbus fährt an diesem Tag ein Subunternehmer – mit einem normalen Reisebus, der einen Mitfahrt mit dem großen elektrischen Rollstuhl unmöglich macht. Hilfe naht in Form der VGC-plus-Linie – besser bekannt unter dem früheren Namen Rufbus. Das eingesetzte Fahrzeug besitzt auch einen Rollstuhlplatz – zumindest theoretisch, denn ausgerechnet in diesem sind auch dort Sitze angebracht, sodass Ralf Wegener auch hier nicht einsteigen kann.

Also schickt er seine Frau Anke mit dem Bus voran – damit wenigstens einer pünktlich bei der Einschulung ist – und macht sich mit seinem Elektro-Rollstuhl auf die halbstündige Fahrt von der Ziegelhütte bis zum Bahnhof.

Dort angekommen, trifft er zu seiner Überraschung wieder auf seine Frau – da die Enztalbahn um 13.39 Uhr ausgefallen ist. Nun ist guter Rat teuer: Es ist kurz vor zwei, die Einschulungsfeier beginnt um 14 Uhr und die nächste Bahn fährt erst um 14.39 Uhr. "Glücklicherweise fanden wir einen Autofahrer am Bahnhof, der sich bereit erklärte, meine Frau nach Calmbach zu fahren", ist Wegener dankbar. Also fährt Ehefrau Anke voraus, Ralf Wegener will dann mit der Enztalbahn um 14.39 Uhr folgen. Und diese Bahn kommt dann auch pünktlich – aber natürlich ist es ein Hochflurwagen, in den Wegener nicht einsteigen kann. Also fährt er zurück zur Bushaltestelle und kann dann endlich um 14.49 Uhr die Fahrt nach Calmbach fortsetzen.

Strömender Regen auf dem Heimweg

Am Abend machen sich die Wegeners wieder auf den Heimweg. Mit der Bahn um 19.14 Uhr ab Calmbach soll es wieder zurück nach Bad Wildbad gehen. Mittlerweile regnet es in Strömen und der Zug, der in den Bahnhof einfährt, ist erneut ein Hochflurwagen und somit wieder nicht nutzbar für den Rollstuhlfahrer. Um 19.44 Uhr kann Ralf Wegener dann die Fahrt antreten, gegen 20.30 ist er, völlig durchnässt, endlich wieder zu Hause.

"Mir wurde wieder einmal bewusst, wie sehr ich eigentlich eingeschränkt bin", sagt Wegener, der vor zehn Jahren an Multipler Sklerose (MS) erkrankte und seit 2012 im Rollstuhl sitzt, im Gespräch mit unserer Zeitung. Nur bei schönem Wetter könne er nahezu uneingeschränkt alles unternehmen. Bei Regen, Schnee oder Kälte sei er in seiner Wohnung gefangen. Zumal am Wochenende noch nicht einmal der City-Bus fahre. Alternative wäre ein Rollstuhltaxi, das es in Bad Wildbad aber nicht gebe. Ihn stören "diese unmöglichen Zustände", vor allem auch deshalb, weil es in Bad Wildbad durch die vielen Reha-Kliniken sowieso viele Menschen mit Rollstuhl in der Stadt seien. Mit der Stadtverwaltung habe er noch keinen Kontakt gehabt. "Da ändert sich doch nichts", sagt er resigniert.

Unverständlich ist für ihn bei den Buslinien, dass das beauftragte Unternehmen bei der Auswahl der Subunternehmer nicht darauf achtet, dass diese Niederflurbusse einsetzen. Bei der S-Bahn regt er an, wenn zwei Wagen eingesetzt werden, wenigstens einen Mittelflurwagen mit einem normalen Hochflurwagen zu koppeln.

Er wäre ja auch schon zufrieden, wenn man irgendwo nachschauen könnte, wann behindertengerechte Busse und Bahnen fahren. "Aber das steht ja nirgends", sagt er frustriert.

Das bestätigt Michael Krauth von der Pressestelle der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG), die auch die Enztalbahn betreibt. Langfristig sei angestrebt, in die sogenannte "Sollbeauskunftung" mit aufzunehmen, welche Fahrzeuge behindertengerecht ausgestattet sind. Diese Verbesserung soll "im Verlauf der kommenden Jahre" umgesetzt werden, ein Datum konnte er aber nicht nennen.

Außerdem bestätigt er, dass man auf der Enztalbahn, wie auch auf allen weiteren Strecken, die die AVG betreibt, einen Mischpool aus unterschiedlichen Fahrzeugtypen einsetze. Zudem sei die AVG lediglich der Betreiber. Auftraggeber sei das Land Baden-Württemberg und der Vertrag enthalte keinen Passus, mit welchen Fahrzeugen gefahren werden müsse. Zwar versuche die Gesellschaft, zur gleichen Fahrzeit den gleichen Typ einzusetzen, dies sei aber nicht immer möglich.

So bleibt für Ralf Wegener und weitere Betroffene weiterhin nur, sich frühzeitig auf den Weg zu machen, wenn sie nicht zu spät an ihr Ziel kommen wollen.

Eine Auskunft im Internet, ob die eingesetzten Fahrzeuge im Gebiet der AVG behindertengerecht sind, gibt es derzeit noch nicht. Betroffene haben aber, so die Auskunft der AVG-Pressestelle, die Möglichkeit, sich bei der "Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn" zu melden, die in enger Zusammenarbeit mit der AVG Auskunft darüber geben könne, ob die Bahnen behindertengerecht ausgestattet sind. Die Mobilitätsservice-Zentrale ist täglich von 6 bis 22 Uhr unter der Telefonnummer 0180/6 51 25 12 erreichbar. "Mobilitätseingeschränkte" Fahrgäste können sich am Fahrtag über das Servicetelefon der AVG unter 0721/61 07 58 86, montags bis sonntags in der Zeit von 7 Uhr bis 19 Uhr eine gewünschte Fahrt behindertengerecht planen lassen.