Wie ist die Türkei wirtschaftlich aufgestellt? Was war der Putsch? Mit diesen Themen befassten sich Schüler und Studenten. Foto: Elsner Foto: Schwarzwälder-Bote

Bildung: Schüler und Studenten lernen bei Seminar auf Burg Liebenzell etwas über Geschichte, Wirtschaft sowie Politik des Landes

Die politischen Beziehungen Deutschlands zur Türkei sind derzeit angespannt wie selten. Kaum verwunderlich also, dass sich das internationale Forum der Burg Liebenzell nun mit diesem Thema beschäftigte.

Bad Liebenzell. Elf Jugendliche hatten sich versammelt, um mit Wissenschaftlern und Journalisten über die Geschichte, Wirtschaft und Politik in der Türkei zu diskutieren.

Mehrmals im Jahr veranstaltet die Akademie für politische Bildung und internationale Jugendbegegnung, die von der Bundeszentrale für Politische Bildung gefördert wird, solche Treffen zwischen Jugendlichen. Diesmal jedoch war die Gruppe ein eingespieltes Team: Schüler und Absolventen des Paracelsus-Gymnasiums Hohenheim in Stuttgart. Das Thema Türkei war ein ausdrücklicher Wunsch der neun Jugendlichen. "Was gerade in der Türkei passiert, ist einfach sehr spannend und ein Thema, das wir so im Unterricht noch gar nicht behandelt haben", sagte die 16-jährige Antonia Weinmann. "Über Trump sprechen wir oft im Englischunterricht und haben auch schon Vorträge zur Amerikapolitik besucht. Aber über die Türkei wissen wir noch zu wenig", sagt sie.

Daher begann das Seminar auch erst einmal mit einer Geschichtsstunde über die Türkei, vom Osmanischen Reich bis in die heutige Zeit. "Mir war davor gar nicht bewusst, welch große Rolle die Griechen früher in der Türkei gespielt haben", zeigte sich die 16-jährige Kathrin Rief überrascht. Zusammen mit ihren Schulkameraden besucht sie neben dem regulären Unterricht noch die Politik-Arbeitsgemeinschaft an der Schule. "Über den Verteiler der Politik-AG habe ich von dem Seminar überhaupt gehört", erklärte Maike Johanna Wolff, die inzwischen an der Universität Mainz Politik und Englisch auf Lehramt studiert und Landesvorsitzende der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz ist. Auch die Lehrerin der Politik-AG, Klara Simone Masset, war bei dem dreitägigen Seminar dabei. "Ich fand das ein spannendes Thema", sagte sie.

Teilnehmer bilden sich Meinung zu politischem Thema

Am zweiten Seminartag ging es dann um die Gegenwart: Wie ist die Türkei wirtschaftlich aufgestellt? Was hatte es mit dem Putsch auf sich? Wie sieht es mit dem EU-Beitritt der Türkei aus? Die Schüler und Studenten bekamen jeder eine Fragestellung. Im Internet recherchierten sie zu den Themen und stellten sie am Ende vor. "Es ist uns wichtig, die Selbstständigkeit der Jugendlichen zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, sich selbst eine Meinung zu einem politischen Thema zu bilden", sagte Gudrun Gandenberger. Die Politologin leitet seit 18 Jahren die Seminare an der Akademie für politische Bildung und internationale Jugendbegegnung. Sie bereitet die Seminare vor, lädt die Dozenten ein und achtet darauf, dass die Themen verständlich für die Jugendlichen aufbereitet werden.

Das Verhältnis zwischen Deutsche und Türken war das Thema des Soziologen und Deutsch-Türken Yasar Aydin. Der Wissenschaftler referierte am Samstagnachmittag unter anderem über Migrationsursachen, die Darstellung der Türkei in den Medien und den Umgang mit verschiedenen türkischen Gruppierungen. "Jeder sollte das Recht haben, seine Meinung zu äußern, egal ob er konservativ oder links wählt", sagt Aydin. Außerdem verstehe er nicht, wieso türkische Wahlveranstaltungen in Deutschland nicht zugelassen werden, wohingegen beispielsweise die französischen Wahlkandidaten vor ihren in Deutschland lebenden Bürgern auftreten durften. "Das ist doch Doppelmoral", meinte Aydin.

Im anschließenden Workshop sollten die Schüler genau dies in kleinen Gruppen diskutieren: Wieso die türkischen Wahlveranstaltungen anders wahrgenommen werden, als die französischen. "Frankreich hat viel mehr Parallelen mit Deutschland als die Türkei", versuchte sich die Schülerin Rief an einer Erklärung. "Vor allem teilt die Türkei nicht immer unsere Werte", fügte sie hinzu. "Außerdem lehnen wir den Führungsstil Erdogans ab", ergänzte Schulkameradin Leonie Vorderwülbeck. "Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir nicht so viel über die Türkei wissen", sagte Rief. "Mit Frankreich gibt es viele Schüler- und Studentenaustausche und in der Schule lernen wir die französische Sprache. Türkisch wird an der Schule nicht angeboten."

Am letzten Seminartag bekamen die Schüler und Studenten noch einen Einblick in die Arbeit eines Journalisten, der fünf Jahr lang aus der Türkei berichtet hat. "Es war interessant, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu hören", meinten mehrere Schülerinnen abschließend, "auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren mit den Referenten."