Rosemarie und Peter Prömm (von rechts) zeigen Christine Emmerich, Hanspeter Michel und Robert Hahm, wie das Haus von Anna Anderson alias Anastasia einst ausgesehen hat. Foto: Henriques Foto: Schwarzwälder-Bote

Filmteam begibt sich auf Spuren angeblicher Zarentochter / Treffen mit Zeitzeugen im "Café Anastasia"

Von Marieke Henriques

Bad Liebenzell-Unterlengenhardt. Es gibt Ereignisse, die für Schlagzeilen sorgen und sich regelrecht ins kollektive Gedächtnis einbrennen. Manchmal ereignen sich diese Geschichten dort, wo man sie am wenigsten vermutet: vor der eigenen Haustür.

So etwa im Fall jener sagenumwobenen Anna Anderson, die 1947 nach Unterlengenhardt gelangte und davon überzeugt war, Anastasia Nikolajewna Romanowa, die jüngste Tochter des letzten russischen Zarenpaares zu sein. Dort lebte sie in einer Militärbaracke, später in einem Wohnhaus, das noch heute im Burghaldenweg 7 steht. 1968 siedelte sie nach Charlottesville in Virginia um, wo sie 1984 starb.

"Es ist einfach eine irre Geschichte", meint Hanspeter Michel, SWR-Redakteur und Autor. Und in der Tat: Noch heute – ganze 43 Jahren später – gibt es Menschen, die sich an jene Frau erinnern, die Verträge und Urkunden mit "Anastasia Tschaikowski, Großfürstin von Russland" unterschrieb. Genau jenen Augenzeugen galt die Spurensuche, auf die sich das sechsköpfige Filmteam des SWR für die Sendung "Ich war dabei!" machte. Denn die Sendereihe greift mit Archivmaterial und O-Tönen der Zeitzeugen Ereignisse aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf, welche die Menschen einst bewegten. Die Interviews führte Moderatorin Christine Emmerich.

Die erste Station der Filmcrew war das "Café Anastasia" in Unterlengenhardt. Dort trafen sich das Team mit Zeitzeugen, die keinen Zweifel an der Authentizität Anastasias aufkommen lassen. Dass die vorgebliche Zarentochter in Wirklichkeit die polnische Fabrikarbeiterin Franziska Schanzkowska gewesen sei, wird hier entschieden zurückgewiesen.

Einen Tag später drehte die Crew im Garten des Ehepaars Rosemarie und Peter Prömm, den heutigen Besitzern jenes Hauses, in dem Anderson lebte. Noch heute hat das Gebäude, das von Rhododendrenbüschen und einem Walnussbaum nahezu verdeckt ist, eine ganz besondere Ausstrahlung. "Als meine Eltern das Haus gekauft haben, war der ganze Garten mit Brennnesseln zugewuchert", erzählte Peter Prömm vor der Kamera. "Die Innenwände waren in dunklem Romanow-Rot lackiert", erinnert er sich und zeigt Fotos dazu. Verlassen habe Anderson das Haus so gut wie nie. Nur einmal habe sie zur "Mondscheinserenade" geladen und Hof gehalten.

Dritter Drehort war das Alte Rathaus, in dem eine Gerichtsverhandlung zur Klärung der Identität Anastasias stattfand. Die Szene, wie Anderson mit einstündiger Verspätung zur Verhandlung erschien, erlebte Robert Hahm aus nächster Nähe mit. Im Interview erzählt der ehemalige Rektor, wie er mit seinen Schülern vom Fenster aus das Geschehen verfolgt habe. Konkret ergeben habe der Prozess schlussendlich nichts und so sei es gewesen wie zuvor: Die eine Hälfte des Dorfes habe an die Zarentochter geglaubt – die andere nicht.

Die Reihe "Ich war dabei" wird am Sonntag, 12. Juni, und Montag, 13. Juni, ab 21.50 Uhr im SWR-Fernsehen ausgestrahlt. Am 13. Juni geht es um Anastasia.