Konzert für Pflanzenohren: Videostill aus einer Arbeit von Maria Castellanos und Alberto Valverde. Foto: Maria Castellanos

Die neue Ausstellung der Esslinger städtischen Galerie in der Villa Merkel spürt den Sinnen von Gewächsen nach, entdeckt ihre Seele und entwickelt eine Utopie.

Nehmen wir mal den Nolde Emil. Da blicken uns die Pflanzensinne an in Mohnrot, Sonnenblumenocker oder Romantikerblau. Aber es sind nicht die Sinne der Pflanze, es sind die des Malers und Betrachters, die expressionswillig Blüten treiben. Auch die neue Ausstellung in der Esslinger Villa Merkel nimmt Pflanzen zum Motiv, aber nicht im Sinne der menschlichen Sinnesorgane, sondern jener der Pflanzen selbst. Statt dem Pinsel des Aquarellisten braucht es dazu technische Apparaturen, Versuchsanordnungen, naturwissenschaftliche Forschung oder esoterische Spekulation, wie sie Špela Petrič in einer Multimedia-Installation ironisiert. Die Baumumarmerin, der Pflanzenflüsterer mit dem Megaphon, der Botanisierer mit dem Küchensieb als Helm und andere Feld-Wald-Wiesen-Spinner machen komische Miene zur grundsätzlich ernst gemeinten Schau der Kuratorin Julia Katharina Thiemann und ihrer Titel-Hypothese: Pflanzen haben Sinne. Sie stehen nicht nur als Farbkleckse, Sauerstofflieferanten und Futtermittel für Mensch und Tier in der Landschaft herum. Sie räkeln sich nicht nur vegetativ nach Licht, Luft und Feuchtigkeit. Sondern nehmen sich und ihre Umgebung wahr, entwickeln eigene Kommunikationssysteme, verfügen als wahre Genies der Vernetzung über eine eigene soziale Intelligenz. Steile Thesen? Einige davon sind nicht neu. Zum Beispiel die von der Musikalität der Flora, die seit dem 18. Jahrhundert durch den parawissenschaftlichen Diskurs geisterte, mittlerweile aber zur Ehre der Erkenntnisaltäre erhoben wurde, wie Maria Castellanos und Alberto Valverde in der Ausstellung vorführen. Sie beschallten eine Pflanzenrabatte und menschliche Zuhörer mit den Improvisationen einer Bläsercombo. Mittels Sensoren beziehungsweise EEG zeichneten sie die elektrischen Schwingungen der einen und die Gehirnaktivitäten der anderen auf. Eine Visualisierung der so entstandenen Daten zeigt bei Mensch und Gewächs ein sehr ähnliches Bild. Überrascht es da noch, dass Pflanzen auch Töne abgeben können, allerdings im Ultraschallbereich? Die Künstlerin Anais-karenin hat immerhin die Farbtöne von Heilkräuter-Essenzen, die in aufgehängten Reagenzgläsern wie eine biochemische Äolsharfe im Raum schweben, in hörbaren Klang verwandelt.