Winfried Kretschmann Foto: dpa

Das Vorgehen ist zumindest ungewöhnlich. Obwohl das Thema Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen von Grün-Rot längst abgeräumt war, beginnt der Ministerpräsident die Diskussion im neuen Jahr von neuem.

Stuttgart - Erst im November hatte der SPD-Landesparteitag ein von Innenminister Reinhold Gall (SPD) gefordertes Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in Baden-Württemberg abgelehnt. Gall hatte das seit Monaten gefordert, weil er von Polizisten draußen im Dienst tagaus, tagein die Klage hört, wie groß die Probleme im Umgang mit betrunkenen und dann gewaltbereiten Menschen seien. Doch der SPD-Nachwuchs setzte sich auf dem Parteitag durch. Statt eines Verbots soll es mehr Prävention geben.

Neben Gall hatte auch Kretschmann noch im Oktober bekundet, dass das Thema für ihn nicht vom Tisch sei, da er die Sorgen der Städte teilt. Ihnen soll die rechtliche Möglichkeit eingeräumt werden, temporäre und räumlich begrenzte Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen und in Fußgängerzonen zu verhängen.

Doch der Ministerpräsident und der Innenminister stoßen auf Widerstand in den eigenen Parteien. Neben der SPD lehnen auch die Grünen ein solches Verbot ab. „Innerhalb von Grünen und SPD sehe ich da keine Mehrheit“, sagte Chris Kühn. Der Landesvorsitzende der Grünen verweist darauf, dass ein Alkoholverbot im Wahlprogramm der Grünen abgelehnt wurde. Auch im Koalitionsvertrag tauche es nicht auf. Ein Runder Tisch zu der Frage, wie die „Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum erhöht werden kann“, sei aber grundsätzlich zu begrüßen, so Kühn weiter. Der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

FDP will nicht mitmachen

Die Aussagen Kühns müssen sehr zum Verdruss des Ministerpräsidenten sein. „Der Innenminister und ich sehen das etwas anders“, hat Kretschmann vor kurzem klargemacht. Und auch, dass er wie Gall bei diesem Thema nicht auf der Linie der Partei ist.

Wie aber will man die akuten Probleme in den Griff bekommen? Ansatzpunkt könnte das Alkoholverbot sein, um Saufgelage auf öffentlichen Plätzen oder in Fußgängerzonen zu vermeiden. Jetzt ist Kretschmann offenbar gewillt, das Thema persönlich anzupacken, wenn auch durch die Hintertür – Parteitagsbeschlüsse und Fraktionslinien hin oder her. Er respektiere zwar, dass „die Parteien am politischen Willensbildungsprozess mitwirken“, in diesem Fall aber müsse gehandelt werden, so seine Meinung. Möglich also, dass die Landesregierung eine Entscheidung gegen Parteitagsbeschlüsse treffen wird, auch wenn dies „keine einfache Situation“ sei, so Kretschmann. Ein Runder Tisch könnte ihm dabei helfen.

Allerdings ohne die FDP. „Wir machen für Herrn Kretschmann nicht den Steigbügelhalter für ein weiteres Verbot, das er sonst bei Grün-Rot nicht durchsetzen kann“, sagte Landeschefin Birgit Homburger. Ihre Partei habe dazu eine klare Beschlusslage. Diese sieht vor, dass „Bürger nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürfen“. Ein allgemeines Verbot sei daher nicht gerechtfertigt.Homburger weist darauf hin, dass es schon jetzt möglich ist, Verbote auf einzelnen öffentlichen Plätzen zu verhängen. Das Problem: die aufsichtführenden Regierungspräsidien agieren unterschiedlich. Was in Freiburg nicht geht, funktioniert in Friedrichshafen.

In Freiburg hält man aber ein Alkoholverbot nach wie vor für wichtig. Der dortige Grünen-Oberbürgermeister Dieter Salomon hatte das Thema einst als einer der Ersten im Land angestoßen. Ob es nach den parteiinternen Widerständen dazu noch kommt, ist aber fraglich. In Tübingen, das wie Freiburg immer wieder über Saufgelage in der Innenstadt klagt und das rechtliche Instrument eines Alkoholverbots auf öffentlichen Plätzen liebend gerne hätte, scheint man die Hoffnungen darauf bereits aufgegeben zu haben. Eine Alternative zu dem Verbot sieht Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) nicht. „Wir machen schon alles. Streetworker, Ordnungsdienste und private Sicherheitsleute sind im Einsatz, um die alkoholbedingte Gewalt sowie die Verschmutzung unserer Stadt einzudämmen.“ Mehr Polizisten einzusetzen sei zwar immer gut, jedoch löse dies das Problem nicht. „So viele Polizisten kann man gar nicht auf die Straße stellen“, meinte Palmer vor kurzem.