Freund der Schüler: Peter Schopfer hat immer viel Wert darauf gelegt, den Kindern auf Augenhöhe zu begegnen. Foto: Schwarzwälder-Bote

Dickbrettbohrer und kritischer Geist: Nach einem reichen Lehrer-Leben teilt Peter Schopfer seine Erfahrungen

Von Karina Eyrich

Albstadt-Burgfelden. Nicht nur sein Leben als Lehrer ist ein Beispiel dafür, welche Wendungen mancher Weg nehmen kann. Mit Peter Schopfer geht ein Pädagoge in den Ruhestand, der Beispielhaftes vorgelebt und Hochinteressantes erlebt hat.

Florist hätte er werden sollen, in der Gärtnerei seiner Eltern in Villingen-Schwenningen. Alles, bloß das nicht, hatte Peter Schopfer damals gedacht – und ließ sich zum Elektromechaniker ausbilden. Doch von 7 bis 17 Uhr täglich hinter Milchglasscheiben zu arbeiten, im Winter nicht einmal die Sonne zu sehen, war auch nicht sein Ding. So nahm Schopfer, Jahrgang 1951, ein Studium der Wirtschaftsinformatik in Furtwangen auf – zu einer Zeit, da Computer noch keinen Bildschirm hatten und der riesige Drucker ratterte, "dass man es durch ganz Furtwangen hörte". Dass ein Vertreter der Pädagogischen Hochschule Freiburg – es herrschte Lehrermangel – ihn abwarb, sollte sich viele Jahre später als Glücksfall für manche Albstädter Schule herausstellen.

Der Atlas war älter als Albstadt

Von 1974 bis 1978 studierte Schopfer also Deutsch und Gemeinschaftskunde und durfte nach der Prüfung zwei Favoriten angeben, wo er gerne Lehrer sein wollte. Seine Prioritäten: Freiburg Stadt und Freiburg Land. Im Brief des Kultusministeriums stand allerdings: Albstadt. "So nahm ich den Diercke-Weltatlas zur Hand und suchte, doch es gab kein Albstadt", erinnert sich Schopfer lachend. Kein Wunder: Der Atlas war älter als die 1975 gegründete Stadt. Eine Bekannte aber hatte gehört, dass Tailfingen jetzt Albstadt heiße. "Also bin ich hin gefahren und habe nach der Schlossberg-Realschule gefragt", berichtet er. "Dort hat man mich nach Ebingen geschickt."

Deutsch, Gemeinschaftskunde und Technik unterrichtete Peter Schopfer, "im Kopf noch Student und hinten sitzend, aber jetzt vorne stehend und wissend: Mit einer Gehirnhälfte musst du reden und Unterrichtsinhalte vermitteln, mit der anderen die Schülerreaktionen im Blick haben". Er, der "eigentlich gewohnt war, acht Stunden zu arbeiten", war anfangs "fix und fertig, völlig platt", schon weil das Arbeiten der Schüler mit Holz, Metall und Elektronik zuweilen "ohrenbetäubend laut" gewesen sei.

Nach zwei Jahren des Referendariats zog es Schopfer an die Hauptschule, "weil ich die schwierigeren Schüler gesucht habe". Zu ihnen eine emotionale Bindung aufzubauen, war ihm überhaupt das Wichtigste in seinem Lehrerleben: "Wenn man Schüler mögen kann und sie einen auch mögen, dann ist alles ganz einfach", hat Schopfer erfahren. Warum so viele ihn so gerne mochten – sein Abschied vor wenigen Tagen an der Grundschule Pfeffingen, seiner letzten Schulstation, hat es mal wieder deutlich gemacht – erklärt Schopfer sich damit, "dass ich selbst aus einem Umfeld komme, aus dem auch meine Schüler kamen: Ich habe die Ausrücke drauf, weiß, worum es in ihrem Leben geht – das habe ich alles selbst nie vergessen".

Und Schopfer weiß, "wie langweilig Schule sein kann, wie böse Lehrer sein können und wie niederträchtig es ist, wenn man bloßgestellt wird, wie es einen belasten kann, wenn man zum dritten Mal sagen muss: "Ich kapier’s nicht!". Wie schwer es ist, "jemandem zuzuhören, den man innerlich abwehrt", hat Schopfer selbst als Schüler erfahren – vielleicht war es ihm gerade deshalb ein so großes Bedürfnis, "ein Kind an der Hand zu nehmen und zu sagen: ›Jetzt verzweifle nicht daran – das kriegen wir schon hin!‹".

Mit dem Rektor, der nach seinem siebten Jahr an die Schalksburgschule kam, mochte Peter Schopfer daher so gar nicht zusammenarbeiten: "Für ihn galten drei Prämissen – Ordnung, Disziplin und Sauberkeit", erinnert sich der Wahl-Albstädter, der es heute noch als Geschenk betrachtet, an der Ignaz-Demeter-Schule in Lautlingen gelandet zu sein: "Klaus Hetges war ein riesiger Schulleiter", sagt er mit Blick auf dessen menschliche Qualitäten. "Von ihm habe ich gelernt, mich nicht so wichtig zu nehmen, auch mal über mich selbst zu lachen." Seinen Ehrgeiz, keine Fehler zu machen, hat Schopfer unter Hetges’ Ägide schnell abgelegt: "Als ich gesehen habe, wie er zu seinen Fehlern stehen konnte, habe ich das bei mir auch zugelassen."

So war Peter Schopfer gut gerüstet für das Abenteuer, das er 1997 – damals war er gerade seit einem Jahr Ortsvorsteher in Burgfelden – mit seiner Frau und den beiden Kindern wagte. Für einen Blick über den Tellerrand in Amerika oder Afrika hatte er sich beworben, und als der Brief kam, in dem Australien als Einsatzort genannt wurde, hatte seine Frau ihn gleich zur Seite gelegt: Sie wusste um die Flugangst ihres Mannes. Der fand jedoch schnell Gefallen am Gedanken, drei Jahre in Sydney zu verbringen: "Da gehen wir hin!"

Mit "Blacky" im olympischen Dorf

Gewundert hat er sich an der deutschen Schule "Johannes Gutenberg" dann schon, wie niedrig das gymnasiale Niveau des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen sei, nach dessen Lehrplänen er dort unterrichtete. Außerdem musste er sich an manches erst gewöhnen: Anderthalb Stunden Fahrt für 20 Kilometer Schulweg. Fünfspurige Straßen. Autos, in denen Menschen frühstückten, Zeitung lasen, sich rasierten oder schminkten. Klassenzimmer mit Töpfen voller Zinksalbe für die Schüler – gegen die Sonne über dem Ozonloch. Und Tiere wie die äußerst giftige Sydney-Trichternetzspinne, die das Barfußgehen im Gras lebensgefährlich macht und sich selbst nach drei Tagen in einem Gurkenglas voller Spiritus noch bewegte.

Den Einzug der deutschen Olympioniken 2000 hat Peter Schopfer, der als Lehrer in "einer Art vordiplomatischem Dienst" tätig war, zusammen mit Joachim "Blacky" Fuchsberger erlebt, die Schule als große Familie: "In Australien ist es selbstverständlich, dass Eltern, Kinder und Lehrer am Wochenende gemeinsam etwas unternehmen."

Diesen Gemeinschaftsgeist hat Schopfer – zurück in Albstadt – gepflegt, Bastelabende mit Schülern und Eltern veranstaltet oder Eltern zum Unterricht eingeladen. Dass viele Kollegen ihm plötzlich reserviert gegenüberstanden, wundert ihn daher nicht. Veränderungen sind bekanntlich nicht jedermanns Sache.

Dass sein Einsatzort nicht Lautlingen, sondern Pfeffingen hieß, hat Schopfer damals gar nicht geschmeckt. "Das war fast ein Kulturschock", sagt er mit Blick auf die Hauptschule, die zu dieser Zeit nicht den besten Ruf hatte. "Immer wieder wurden Dinge zerstört, und es war richtig mühsam, den Kindern zu vermitteln, dass wir alle zusammen in einem Boot sitzen, dass wir versuchten, ihnen das Rüstzeug zu vermitteln, mit dem sie später einen Beruf finden sollten, und dass sie etwas dafür tun müssen, damit diese Schule einen besseren Ruf bekommt."

Mit "kleinsten Maßnahmen", durch viele Gespräche mit Eltern und Kindern und trotz mancher Rückschläge haben Schopfer und seine Kollegen es geschafft – und dabei nicht vergessen, sich um die guten Schüler zu kümmern, auch um Anreize für die anderen zu schaffen: "Zum Beispiel sind wir in den Europapark gefahren – dafür hat jeder Lehrer die Teilnehmer aus seiner Klasse benannt." Außerdem gab es Sonderpreise – nicht nur für schulische Leistungen, sondern auch für soziale Kompetenz.

"Als ob einem jemand die Stuhlbeine absägt" – so beschreibt Peter Schopfer den Moment, da er von den Plänen zur Schließung der Hauptschule in Pfeffingen erfahren hat: "Relativ früh – aber wir durften es nicht kommunizieren." Wer derjenige war, der durch einen anonymen Eintrag im Gästebuch der Internetseite die Pläne bekannt gemacht hat, darüber schweigt Schopfer schmunzelnd. Wenn er daran denkt, wie wenig Unterstützung von anderen Albstädter Schulen kam, vergeht ihm das Schmunzeln jedoch schnell wieder: "Dabei betrifft es eigentlich jeden", sagt er mit Blick auf die heutige Schullandschaft, in der seine Kollegen in Realschulen und Gymnasien zuweilen ihre liebe Not damit haben, die eher handwerklich und technisch begabten Kinder mit Latein und höherer Mathematik zu quälen. Beispiele für erfolgreiche Karrieren nach dem Hauptschulabschluss fallen Peter Schopfer zu viele ein, als dass er die Hauptschule hätte entbehren wollen – zumal jene in Pfeffingen 2007 ihren Ruf deutlich aufpoliert hatte.

"Der Unterricht verkopft immer mehr

Noch einmal, wieder in Lautlingen, hat Schopfer neu angefangen und dabei "die Arbeit mit den Kindern" in den Mittelpunkt gestellt, ungeachtet der wachsenden Bürokratie und Papierfluten, die er am liebsten ganz abgeschafft hätte, "weil sie alle Energien lähmen: Ich glaube, der größte Fehler ist, dass der Unterricht immer mehr verkopft", sagt Schopfer nun, da er sein Berufsleben beschließt und ohne Blatt vor dem Mund, ganz wie es seine Art ist, der Bildungspolitik auch mal die Leviten lesen kann.

Was rät er Schülern, die auch im Leben erfolgreich sein wollen? Die "Gier auf Wissen" zu pflegen, von der sein Sohn sagt, dass er sie damals in Australien entwickelt habe – heute ist dieser selbst Lehrer und hat sein erstes praktisches Jahr in Malaysia verbracht. Und was treibt ein unermüdlicher, kritischer, neugieriger, manchmal unbequemer Dickbrettbohrer wie Peter Schopfer im Ruhestand? In seinem Haus in Burgfelden, das er 1986 gekauft und drei Jahre lang renoviert hatte, gibt es kaum noch etwas zu tun, und die Internetseiten, die er betreut, wird der Tüftler schon bald auf neuestem Stand haben. "Mein Traum war es, durch die Republik zu reisen und als Aushilfslehrer zu unterrichten", sagt er. Doch etwas Wichtiges kommt ihm und seiner Frau erst mal dazwischen: "Am 3. Oktober heiratet unsere Tochter – und am 4. kommt der Berechnung nach das erste Kind unseres Sohnes zur Welt." Zu solch einem Opa darf man ihm schon mal gratulieren.