Ein kleiner Hund (Symbolbild) war ursprünglicher Anlass für den Streit. Foto: Wojtas

Amtsgericht Albstadt versucht Licht in die unklaren Geschehnisse eines Vorfalls in Ebingen zu bringen.

Albstadt-Ebingen - Im Zweifel für den Angeklagten – dieser Rechtsgrundsatz ist drei jungen Männern gestern zu Gute gekommen. Ihr 26-jähriger Freund hatte nicht soviel Glück: Bei ihm war das Maß aus Sicht von Amtsrichter Schairer voll, nun muss er für 13 Monate einrücken.

"Massenschlägerei – da sieht jeder etwas Anderes", kommentierte Verteidiger Conzelmann die Zeugenaussagen in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Albstadt, vor dem ein 26-Jähriger und drei seiner Freunde – einer ist 23, die anderen 21 Jahre alt – der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung angeklagt waren.

Vieles von dem, was sich am 19. Juli 2013 auf einem Parkplatz gegenüber dem Ebinger Bahnhof abgespielt hat, ließ sich gestern auch mit Hilfe von sechs geplanten Zeugen und einer eilig hinzugerufenen Zeugin nicht zweifelsfrei klären. Noch nicht einmal die ungefähre Zahl derer, die an dem Streit als Täter oder Zeugen beteiligt waren.

Von betrunkenem Studenten provoziert

Unstrittig hingegen war der Stein des Anstoßes: ein kleiner Hund, der dem Hauptangeklagten gehört. Als dieser mit dem Tier vor einem Schnellimbiss beim Bahnhof auftauchte, stieß er dort auf einen Studenten, der bei einer Prüfungsfeier bereits reichlich Alkohol getankt hatte und den 26-Jährigen provozierte. Ob er nun "Schau mal, was für ein kleiner Kläffer" sagte oder "Den Hund müsste man mit ins Subway nehmen, vielleicht bekommt man ihn dort als Menü serviert" – darüber machten der Student und der Angeklagte unterschiedliche Angaben, ebenso wie zur Frage, ob der Student dem Hundebesitzer die Leine entrissen hat. Fest steht, dass der Hundebesitzer sich den Studenten vorknöpfte, allerdings nicht, ob er ihn nun geschubst und geschlagen oder sogar gegen den Kopf getreten hatte.

Der Präziseste der fünf weiteren Studenten, die als Zeugen aussagten, hatte seinen Kommilitonen später am Bahnhof getroffen und ihn gefragt, woher er sein Veilchen habe. Weil er seinen Zug verpasst hatte, begleitete er den leicht Verletzten zum gegenüberliegenden Parkplatz, wo auf einmal der Hauptangeklagte aufgetaucht sei und es zu einer Schlägerei kam, aus welcher der bereits verletzte Student eine Platzwunde, eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Schürfwunden davon getragen hat, die ihm eine Nacht auf der Intensivstation des Krankenhauses und drei Tage Bettruhe bescherten.

Dass auch der Hauptangeklagte Verletzungen davon getragen hat, bezweifelte selbst Staatsanwalt Engel nicht und räumte auch ein, dass der 26-Jährige ursprünglich provoziert worden sei. Die stattliche Liste an Eintragungen im Bundeszentralregister und Vorstrafen – zum Zeitpunkt der Tat hatte der 26-Jährige Bewährung – passten für Engel jedoch in das Gesamtbild eines aggressiven jungen Mannes, der sich leicht provozieren lasse und auch in diesem Fall nicht zufällig zu dem Platz unweit des Studentenwohnheims gekommen sei – diesmal mit Verstärkung: um es dem Studenten heimzuzahlen.

Weil keiner der Zeugen die drei mutmaßlichen Mittäter wiedererkannte und sich nicht zweifelsfrei klären ließ, welcher von ihnen nun seine Faust geschwungen oder gar nach dem Studenten getreten haben könnte, beantragte der Staatsanwalt Freispruch für sie, auch wenn er überzeugt sei, dass sie dabei gewesen seien.

Dies war auch der Grund für Amtsrichter Schairer, letztlich der Version der Studenten mehr Glauben zu schenken: "Bestünde ein Belastungseifer, wäre es ein Leichtes für die Zeugen gewesen, zu sagen: ›Die erkenne ich alle wieder.‹" Zudem habe keiner der Zeugen den Hauptangeklagten als "Opferlamm" – so nannte ihn sein Rechtsanwalt Conzelmann – gesehen.

"Drei Taxifahrer haben zugesehen und nicht einmal die Polizei gerufen"

Auch die kurzfristig einbestellte Zeugin, Angestellte einer Spielhalle beim Bahnhof, konnte kein Licht in die Sache bringen, hatte den Anfang der Schlägerei nicht gesehen und erinnerte sich nicht, wer da am Boden gelegen und wer blutend vor ihr gestanden habe. Sie wunderte sich nur: über drei Taxisfahrer, die weder eingeschritten waren noch die Polizei gerufen hätten.

Das hat vielmehr sie getan, ebenso wie einer der Studenten, während der Hauptangeklagte und seine Freunde getürmt seien – ein weiteres Indiz für Richter Schairer, bei seinem Urteil weitgehend dem Antrag des Staatsanwalts zu folgen und den 26-Jährigen zu 13 Monaten Haft zu verurteilen – obwohl dieser vor Gericht beteuerte, sein Leben in den Griff bekommen, heiraten und eine Arbeit finden zu wollen. Eine Chance bleibt ihm noch: In Berufung zu gehen – eine Woche lang hat er Zeit zum Nachdenken.