Im Englischen wird er "Death Cap" (Todeshaube) genannt: Der grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) ist hierzulande verantwortlich für 90 Prozent aller Pilzvergiftungen. Foto: Archiv

Auch in Wäldern der Zollernalb beginnt die Saison. Grüner Knollenblätterpilz kann tödlich sein.

Zollernalbkreis/Tübingen - September und Oktober gelten als Hauptsaison für Pilzsammler – auch in den Wäldern der Zollernalb. Für die Mitarbeiter der Zentralen Notaufnahme im Zollernalb-Klinikum und die Fachärzte der Uniklinik Tübingen beginnt damit eine andere Hauptsaison: die der Pilzvergiftungen.

Katharina Schmid, die Leitende Ärztin der Notaufnahme in Balingen, hatte in diesem Jahr noch keinen akuten Fall. Aber die Universitätsklinik Tübingen vermeldet in diesen Tagen vermehrt Fälle von Pilzvergiftungen. Nach Angaben des Klinikums geht es in den meisten Fällen um Patienten, die den tödlich giftigen Grünen Knollenblätterpilz mit einem vermeintlich essbaren Speisepilz verwechselt haben. Der "Grüne Mörder" ist auch in den Laub- und Mischwäldern der Zollernalb häufig zu finden und lockt durch seinen angenehmen Duft nach Kunsthonig.

Was geschieht, wenn ein Patient mit Pilzvergiftung in die Zentrale Notaufnahme des Zollernalb-Klinikums kommt? "Er wird sofort auf die Intensivstation gebracht. Falls es notwendig ist, wird der Magen ausgepumpt, auch eine Dialyse ist möglich", sagt Katharina Schmid. Sobald feststehe, um welche Art von Pilzen es sich handelt, werde die Giftnotrufzentrale kontaktiert, um eine geeignete Therapie einzuleiten. Je nach Zustand des Patienten werde dann von Fall zu Fall entschieden, ob er in Balingen bleiben kann oder nach Tübingen geschickt werden muss.

Aber wie können die Pilze nachträglich identifiziert werden, um die Vergiftung entsprechend zu behandeln? Anhand der Sporen, mit denen Pilze sich vermehren, könne man die Gattung schnell feststellen. Deshalb müsse der Patient sofort gefragt werden, ob es noch Reste gebe, die beim Putzen und Zubereiten angefallen sind. In Zweifelsfällen bringen laborchemische Untersuchungen Klarheit.

Die Vergiftung könne zu schwerwiegenden Organschäden, vor allem der Leber, führen, heißt es in einer Mitteilung der Uniklinik. Oft könnten die Patienten nur noch durch eine Lebertransplantation gerettet werden.

"Überdurchschnittlich häufig betroffen sind Spätaussiedlerfamilien aus den früheren Sowjetrepubliken", heißt es in der Mitteilung der Uniklinik. "Sie kennen sich in der Regel sehr gut mit Pilzen aus. Ausgerechnet der gefährlichste unter den hiesigen Giftpilzen, der Knollenblätterpilz, kommt aber in ihrer früheren Heimat nicht vor und wird dann oft mit Champignons oder Täublingen verwechselt."

Gehe es um eine Vergiftung mit dem Grünen Knollenblätterpilz, gelte es keine Zeit zu verlieren: Zwei Giftarten bilden den tödlichen Cocktail: die Phallo- und die Amatoxine. Beide Gifttypen können durch Erhitzen nicht zerstört werden. Erste Anzeichen für eine Vergiftung gibt es bereits ein bis zehn Stunden nach dem Verzehr. Die Phallotoxine verursachen heftige kolikartige Bauchschmerzen, wässrigen Durchfall und Erbrechen. Nach drei bis vier Tagen kommt es zu einer scheinbaren Erholung. Scheinbar, denn nach vier bis sechs, im Extremfall sogar zehn Tagen tritt die verhängnisvolle Wirkung der Amatoxine ein: Betroffen sind Nieren und Leber, die unwiederbringlich geschädigt werden.

Die Symptome treten frühzeitig genug auf, um Gegenmaßnahmen einzuleiten, betonen die Experten für Lebererkrankungen an der Medizinischen Universitätsklinik. Bei Verdacht sollte also sofort ein Arzt oder eine Notfallambulanz aufgesucht werden. Auf keinen Fall sollte man sich darauf verlassen, dass eine Vergiftung nach einmaligem Erbrechen oder Durchfall ausgestanden ist. Besondere Eile sei bei Störungen des vegetativen Nervensystems geboten.

Was sollten Pilzsammler beachten, um sich gar nicht erst in gefährliche Situationen zu bringen? Ganz einfach: Sie sollten immer nur Pilze essen, die sie zweifelsfrei identifizieren können. Für Anfänger gilt: Keine Lamellenpilze sammeln, sondern nur Röhrenpilze. Unter denen gibt es lediglich zwei giftige, aber nicht lebensbedrohliche Sorten.

In gewisser Hinsicht geben die Spezialisten auch Entwarnung: Noch häufiger als nach dem Verzehr von Giftpilzen seien Magenprobleme nach dem Genuss von zu alten oder falsch gelagerten Exemplaren, bei denen sich das Eiweiß zersetzt habe. Deshalb sollten Pilze immer kühl und luftig aufbewahrt und frisch zubereitet werden.

Kein Problem sei es übrigens – entgegen einer weit verbreiteten Meinung –, ein Pilzgericht wieder aufzuwärmen. Vorausgesetzt, es wurde davor gut durchgekocht und stand nicht länger als zwei Tage im Kühlschrank.