Oliver Schmieder (links) zeigt den Stadträten die Anlage. Foto: Cools

Was passiert eigentlich mit dem Abwasser? Was landet im Neckar? Und wie problematisch sind Feuchttücher? All diese Fragen wurden am Montag bei einer Begehung der Kläranlage durch einige Stadträte geklärt.

Sulz - Das Thema Stadtentwässerung sei aufgrund der Topografie in Sulz ein spannendes, sagte Stadtbaumeister Reiner Wössner den Mitgliedern des Technischen Ausschusses. Schließlich müsse man teils den Neckar, die Bundesstraße und die Bahnlinie queren, um das Abwasser aus der Kernstadt, Sigmarswangen und Holzhausen zur Kläranlage bei der Rottweiler Straße zu leiten.

1966, recht früh, hatte die Stadt Sulz ihre mechanische biologische Kläranlage (KA) gebaut, 1988 wurde sie für rund acht Millionen Mark auf den neuesten Stand gebracht. 2003 wurde das Regenüberlaufbecken (RÜB) mit einem Fassungsvermögen von 770 Kubikmetern links des Neckars errichtet.

Verdünnt in den Neckar

Alexander Beller vom Stadtbauamt informierte darüber, dass das über den Hauptsammler ankommende Abwasser bei Regenwetter nicht in vollem Umfang in der Anlage behandelt werden könne. Ein Teil werde im RÜB zwischengespeichert.

Bei Starkregen fließe eine gewisse Menge ungeklärten, aber stark verdünnten Abwassers direkt in den Neckar. Wenn das passiere, was doch immer mal wieder der Fall sei, wie Betriebsleiter Oliver Schmieder auf Nachfrage von Heidi Kuhring (GAL) meinte, dann melde man das dem Landratsamt.

Wenn es zu oft passiere, erhalte man einen Hinweis und müsse gegebenenfalls die Anlage erweitern, so Beller. Das wäre allerdings angesichts der beengten Tallage alles andere als einfach.

Feuchttücher problematisch?

Das Abwasser komme tief in der Kläranlage an und müsse im einen Fall vier, im anderen acht Meter über ein Schneckenpumpwerk hochbefördert werden, weshalb man einen etwas höheren Stromverbrauch als in anderen Kläranlagen habe. Die Schnecken haben laut Schmieder den Vorteil gegenüber anderen Pumpen, dass Feuchttücher keine große Gefahr darstellen.

Pro Jahr müssten rund 60 Tonnen an Feststoffen im Abwasser entsorgt werden, erklärte Beller weiter. Ein Mazerator, ein Zerkleinerer, sorgt dafür, dass es durch Faserstoffe und Haare nicht zur Verstopfung kommt.

60 Prozent industriell

Betriebsleiter Schmieder erklärte bei der Führung durch die Anlage Schritt für Schritt, was mit dem Abwasser passiert. 40 Prozent sind häusliches Abwasser, 60 Prozent industrielles. Der erste Reinigungsschritt sei die Entnahme von groben und feinen Stoffen im Rechen. Was zurückbleibt, wird gepresst und entsorgt.

Im Sandfang werden Sand, Steine und Streugut entnommen, danach Schmierstoffe, wie Fette und Öle. Im Vorklärbecken werden weitere Sink- und Schwimmstoffe entfernt. Der Sinkschlamm wird mittels Pumpen in den Faulbehälter, der rund 600 Kubikmeter fasst, gebracht.

Phosphor-Abbau

Danach geht es von der mechanischen zur biologischen Reinigung. Dem Abwasser werden die organischen Stoffe entnommen. Durch Mikroorganismen werden Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen sowie Phosphat entfernt. Darüber hinaus wird mit der Fällungsanlage auf chemischem Weg Phosphor eliminiert, um die geforderten Ablaufwerte einzuhalten. In Sulz liege man dabei unter den besten Fünf des Landkreises, meinte Schmieder. So betrage der Phosphor-Abbaugrad 93 Prozent.

Im Belebungsbecken wird dem Abwasser-Schlamm-Gemisch Sauerstoff zugeführt, damit die Mikroorganismen arbeiten können. Im Nachklärbecken werden Schlamm und Wasser getrennt. Das gereinigte Abwasser wird in den Neckar geleitet.

750 Tonnen Schlamm

Im Faulturm wird der Schlamm auf 38 Grad erhitzt. Rund 750 Tonnen fallen jährlich an. Diese würden getrocknet und im Zementwerk in Dotternhausen verbrannt, so Beller. Die eingebaute Presse sei sehr alt, laufe aber. Ein Austausch könnte jedoch in den kommenden Jahren nötig sein.

Beim Abbau der organischen Verbindungen fällt Faulgas an, das restlos verwertet wird. Das Klärgas wird zum Betrieb des 2011 modernisierten Blockheizkraftwerkes (BHKW) mit 20 Kilowatt Leistung eingesetzt. Parallel wird Erdgas für die Beheizung des Gebäudes eingesetzt.

Desinfektionsmittel ist ein Problem

Problematisch für die Abwasserentsorgung, so Schmieder auf Nachfrage aus dem Ausschuss-Gremium, seien beispielsweise Alkohol und zuckerhaltige Getränke, weil diese verstärkt mikrobielle Prozesse in Gang setzen, die Schwefelwasserstoff und Methan freisetzen. Auch Desinfektionmittel sei problematisch, weil es Wasserorganismen abtöten könne.

Bedenklich seien zudem Rückstände von Schmerzmitteln, wie Diclofenac, oder Hormonen, wie Östrogen von der Antibabypille, im Neckar, machte Oliver Schmieder deutlich.

Neues Blockheizkraftwerk

Zum Schluss wurde das BHKW angeschaut, denn nach dem Rundgang ging es noch zur Sitzung in den Backsteinbau, wo eine Ersatzbeschaffung einstimmig abgesegnet wurde.

Das BHKW sorgt für die restlose Verwertung des im Faulturm entstehenden Klärgases. Da aber nur ein begrenzter Tagesanfall an Klärgas zur Verfügung stehe, seien die Abwärme und die Stromerzeugung ebenfalls begrenzt, wie Alexander Beller erklärte.

In den vergangenen zehn Jahren sei das BHKW rund 65 000 Betriebsstunden gelaufen und habe rund 900 000 Kilowattstunden Strom erzeugt und den Wärmebedarf zur Faulturmbeheizung zu etwa 85 Prozent abgedeckt. Man könnte auch sagen: Das BHKW hat anhand seiner Betriebsstunden die Erde mit durchschnittlich 70 Stundenkilometern 113 Mal umrundet.

Eine Reparatur des alten BHKW würde sich nicht lohnen, sagte Beller. 2020 und 2021 habe die Standzeit reparaturbedingt sieben Monate betragen. Und Standzeit bedeute Geldverlust. Eine Ersatzbeschaffung sei nötig.

Höhere Effektivität

Ursprünglich war man dafür von 72 000 Euro ausgegangen. Nun habe man aber festgestellt, dass es sinnvoller wäre, ein größeres BHKW zu installieren und eine Klärgasaufbereitungslage vorzuschalten. Dort soll dann der Schwefelstoff, der laut Beller Motorenteile schädigen kann, mittels Aktivkohlefilter absorbiert werden. "Je reiner das Erdgas, desto besser läuft die Maschine", sagte er.

Mit einem größeren BHKW müsse man den Motor zudem nicht immer auf Volllast fahren. Da es 30-Kilowatt-Blockheizkraftwerke gibt, die speziell für die Klärgasverbrennung entwickelt wurden, könne außerdem eine höhere Effektivität bei geringeren Unterhaltungskosten geschaffen werden.

Schnell wieder erwirtschaftet

Beller legte dem Gremium ein Angebot der Firma Höfler Blockheizkraftwerke in Höhe von rund 117 000 Euro vor, inklusive Demontage des Bestands-BHKW und Einbau des neuen BHKW und der Klärgasaufbereitungsanlage. Dadurch blieben nach Abzug zusätzlich generierter Finanzierungsmittel überplanmäßige Kosten in Höhe von rund 17 000 Euro, die laut Beller nach rund acht Monaten wieder erwirtschaftet wären.

Die Beschaffungskosten eines 30-Kilowatt-BHKW hätten sich netto nach 2,3 Jahren amortisiert, rechnete Beller vor. Bei einem günstigeren 20-Kilowatt-BHKW ohne Gasreinigung erst nach 3,4 Jahren. Der Vorteil sei, auf zehn Jahre gesehen, dass sich der Gesamtbetriebserlös durch das größere Modell um rund 245 000 Euro netto steigere.

Auf Nachfrage von Stadtrat Helmut Pfister (FWV) erklärte Beller, der Wirkungsgrad beim 30-Kilowatt-BHKW sei viel größer, obwohl es die gleiche Menge Gas verarbeite und weniger laufe als das 20-Kilowatt-BHKW.

Jürgen Huber (FWV) meinte, man müsse dieses Geld jetzt, wo man es sich noch leisten könne, in die Hand nehmen. Schließlich wisse man nicht, was die Zukunft bringe.