Zwischenbilanz der diesjährigen Wirtschaftsentwicklung im Zollernalbkreis haben in der Tailfinger Dependance der IHK Reutlingen Thomas Lindner (links), ihr Vizepräsident, und Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp gezogen. Foto: Kistner

Der Wirtschaft im Zollernalbkreis geht es mittelprächtig – auf fette Zehner-Jahre sind magerere Zwanziger gefolgt. Die großen Probleme, die nicht über Nacht verschwinden werden: Inflation, hohe Energiepreise, Fachkräftemangel, wuchernde Bürokratie.

Thomas Lindner, Groz-Beckert-Aufsichtsratschef und Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen, hat in einem langen Unternehmleben schon diverse Wirtschaftskrisen und Konjunkturzyklusschwankungen erlebt; er wird davon nicht so schnell nervös wie mancher jüngere Kollege aus der mittleren Führungsebene, der bisher nur eine Richtung kannte – die nach oben. Andererseits hat er auch in den Jahren der Hochkonjunktur immer wieder auf Entwicklungen hingewiesen, die ihm Sorge bereiten – und deren Folgen jetzt immer deutlicher sichtbar werden.

Die Unternehmen des Zollernalbkreises haben in der ersten Jahreshälfte Dienstleistungen und vor allem Waren im Wert von 1,24 Milliarden Euro ausgeführt; das ist ein Prozent weniger als im Vorjahr. Bezeichnenderweise schrumpften die Exporte nach China um vier Prozent – hier zeichnet sich ab, dass die Chinesen ihren Bedarf an Industriegütern aus dem mittleren Qualitäts- und Preissegment immer mehr selbst decken – und gleichzeitig den eigenen Export weiter forcieren.

Etliche hausgemachte Probleme

Die Deutschen tun sich schwer damit, dem etwas entgegenzusetzen. Vor allem, weil sie teuer sind. Gewiss, die Inflation ist ein globales Phänomen, aber die Deutschen haben zudem hausgemachte Probleme: Das ehrgeizige Ziel der Energiewende wird durch exemplarisch umständliche Verfahren und vielfältige Widerstände ausgebremst; weder der Bau der Stromtrassen noch der regenerativen Energie, moniert Lindner, komme von der Stelle. Die Stromsteuer liege über dem von der EU zugelassenen Mindestniveau; seine Senkung fänden Lindner und IHK-Geschäftsführer Wolfgang Epp sinnvoller als selektive Subventionen, bei denen es selten gerecht zugehe, und die erfahrungsgemäß, einmal eingeführt, nie wieder abgeschafft würden.

Besonders misslich: Mittelfristig sei hier keine Änderung in Sicht, und das sei Gift für Investitionen im Inland und damit für den deutschen Arbeitsmarkt. Die IHK hat einen „Energietisch Zollernalb“ ins Leben gerufen, einen Zusammenschluss von neun Unternehmen, die gemeinsam Einsparpotenziale in Sachen Energie suchen, dazu eine Kompetenzstelle Energieeffizienz, die vor allem kleineren Firmen ihre Beratungsdienste anbietet und ungeahnte Einsparmöglichkeiten eröffnet. Aber das allein wird nicht reichen.

Die Viasabteilungen kommen nicht hinterher

Eine weiteres Problem: die deutsche Demografie. Mittlerweile, so Lindner, wachse sich der Fachkräfte- zu einem Arbeitskräftemangel aus, der ohne Zuwanderung nicht zu bewältigen sei. Die gebe es zwar, aber die Wirtschaft habe nichts davon: Bis Flüchtlinge in Lohn und Brot stünden, vergingen Jahre, und bis eine einwanderungswillige Fachkraft aus Marokko oder Pakistan ein Arbeitsvisum erhalte, ebenfalls. Die Gründe sind vielfältig: die hohen Migrationshürden der EU, unterbesetzte deutsche Konsularabteilungen, die gleichzeitig zwanghaft akribisch arbeiteten, und die Unfähigkeit, den Verfahren per Digitalisierung auf die Sprünge zu helfen.

„Wer soll diese Daten den alle überprüfen?“

Womit ein weiteres Problem bereits angesprochen wäre: die überbordende deutsche Bürokratie, deren Kontrollwut laut Lindner der vielleicht schwerste Klotz am Bein der Wirtschaft in Deutschland und im Zollernalbkreis ist. Um etwa Lieferketten zu kontrollieren, müssten theoretisch Millionen von Daten erhoben werden: „Wer soll die überprüfen? Das Personal existiert doch gar nicht.“ Allerdings räumt der IHK-Vizepräsident ein: Für den bürokratischen Overkill seien letztlich deutsche Risikoscheu und der deutsche Hang zur Prinzipienreiterei, zum Sicherheitsdenken und zum Rechten und Hadern verantwortlich: „ Nicht die Sachbearbeiter sind schuld. Wir alle sind es.“