Sind gerüstet für ihren Einsatz: Die Pausenengel schlichten an der Grundschule in Winterlingen Streit. Foto: Holbein Foto: Schwarzwälder Bote

Pausenengel: Projekt an der Winterlinger Grundschule / Die Kinder lernen bei Problemen zu vermitteln

Sie schlichten Streit und spielen mit den Kindern auf dem Schulhof: An der Grundschule in Winterlingen sind in den beiden großen Pausen Schüler als "Pausenengel" unterwegs, um bei Problemen einzugreifen und ihre Hilfe zur Mediation anzubieten.

Winterlingen. "Das ist eine gute Sache, da gibt es nicht mehr so viele Verletzte", sagt Ben. Der Neunjährige ist ein "Pausenengel" an der Winterlinger Grundschule und weiß, wovon er spricht: "Ich habe früher selbst manchmal Streit in der Pause gehabt." Das gehört jetzt der Vergangenheit an, seitdem Ben an dem Streitschlichter-Projekt mitwirkt. Auch wenn er bisher noch keinen Streit schlichten musste, macht ihm die Aufgabe Spaß: "Wir werden als Pausenengel akzeptiert."

Dazu haben die aktuell fünf Pausenengel unter der Anleitung der Sozialpädagogin Jennifer Wingerter eine spezielle Ausbildung durchlaufen. In sechs Stufen, so erläutert die 26-jährige Betreuerin, lernten die Mädchen und Jungen, wie eine Mediation abläuft: von der Begrüßung über das Erklären der Regeln bis hin zum Finden von Lösungen und dem Schließen eines Vertrags zwischen den Parteien.

Plakat soll auf die Arbeit aufmerksam machen

Die Schüler sind in jeder großen Pause – zwei gibt es an der Schule am Tag – im Einsatz nach einem Plan, der für jeden in der Woche vier Dienste vorsieht. Dabei sind sie immer zu zweit unterwegs. "Vorhin haben welche miteinander gerangelt", erzählt Leona. Angst, dazwischen zu gehen, hat die Neunjährige nicht: "Nein, es macht Spaß, die Streitenden auseinander zu bringen. Wenn man etwas zu denen sagt, dann hören die auf." Damit die "Pausenengel" und ihre ehrenamtliche Arbeit auch bekannt sind an der Schule, sind die Teilnehmer am Projekt noch einmal durch alle Klassen gegangen und haben sich vorgestellt, vor allem bei den Erstklässlern. Zudem haben sie ein Plakat gestaltet, das sie in der Schule aufhängen wollen: mit den Fotos der aktuellen Pausenengeln. Bei ihrem Einsatz tragen sie eine blaue Weste und haben einen Ausweis dabei.

Solche Aufklärung ist wichtig: "Es gibt schwierige Situationen, da wollen sich die Streitenden nicht helfen lassen. Das Problem ist, dass diese Schüler wenig Vertrauen zu den Pausenengeln haben", erkennt die neunjährige Adelina, die vor kurzem eine Prügelei zwischen Jungen und Mädchen geschlichtet hat, bei der einem Kind in den Bauch getreten worden sei: "Das war nicht so toll."

Über solche Vorfälle reden die Projektteilnehmer im Nachhinein. Jennifer Wingerter hat dabei einen "sehr guten Kontakt zu den Schülern", die sie immer ansprechen dürfen, wenn sie etwas belastet. Jetzt soll es zudem wöchentliche Treffen geben, um die Woche auszuwerten und immer wieder das Streitschlichten zu üben. Daneben absolvieren die neuen Streitschlichter einen Erste-Hilfe-Kurs, bei dem die "alten" Pausenengel ihre Kenntnisse auffrischen. Das geschieht in Zusammenarbeit mit dem Winterlinger Roten Kreuz. Mittlerweile haben sich die Pausenengel Respekt bei den Schülern erworben.

Derzeit sind acht Drittklässler in der Ausbildung im Rahmen des Projekts Pausenengel, das ins zweite Schuljahr geht. Sie treffen sich immer am Mittwochnachmittag von 14.10 bis 15.45 Uhr zu zwei Schulstunden, um ihren Einsatz zu erlernen.

Neue Streitschlichter beginnen im Februar

Zum nächsten Schulhalbjahr werden sie die aktuellen Streitschlichter verstärken. Dann – ab Februar nächsten Jahres – will auch der achtjährige Noah dafür sorgen, dass "ein bisschen mehr Ruhe auf dem Schulhof" einkehrt: "Wir achten darauf, dass sich die Schüler besser benehmen und nicht immer streiten." Die Ausbildung sei "gut und erfolgreich". Noah jedenfalls fühlt sich bestens vorbereitet.

Auch der gleichaltrige Felix freut sich auf seinen ersten Einsatz und hat keinen Bammel davor. Er wird für die Erst- und Zweitklässler zuständig sein. Zumal sich alle Pausenengel gegenseitig helfen, sollte es mal problematisch werden. Alle sind sich einig, dass ihre Arbeit sinnvoll ist und bereits gefruchtet hat.

Sozialpädagogin Wingerter zieht eine positive Zwischenbilanz der Hilfe auf dem Schulhof, die einen pädagogischen Hintergrund hat. Die Pausenengel seien voll dabei und hätten sich mit Rollenspielen präpariert für ihre Arbeit. "Die Kinder haben alles sehr gut aufgenommen." Zum Abschluss folgte eine Prüfung, bei der Wingerter die Inhalte abfragte und schaute, wie die Schüler einen Streit lösen. Und auch die Neuen "fügen sich gut ein".

Die nächste Pausenengel-AG startet zu Beginn des Schuljahrs im September 2019. Dann ist die Sozialpädagogin wieder auf der Suche nach Schülern, die sich gerne einsetzen, sozial stark sind, gerne partizipieren und sich engagieren wollen.

Auch die neuen Pausenengel werden dann üben, wie sie Spiele anleiten, um sie später auf dem Schulhof den anderen Schülern zu zeigen und mit diesen zu spielen – damit es erst gar nicht zum Streit kommt.

Mediation – lateinisch Vermittlung – ist ein strukturiertes, freiwilliges Verfahren zum konstruktiven Beilegen eines Konfliktes, bei dem unabhängige "allparteiliche" Dritte die Konfliktparteien in ihrem Lösungsprozess begleiten. Die Konfliktparteien, auch Medianten oder Medianden genannt, versuchen dabei, zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht.