Verkehrsminister Hermann ist sich sicher, dass es in den kommenden Jahren zu keiner Zusatzabgabe für Autofahrer kommen wird. Foto: dpa

In der Bodewig-Kommission haben die Länderverkehrsminister einen gemeinsamen Beschluss zur künftigen Verkehrsfinanzierung gefasst. Baden- Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist erleichtert.

Herr Hermann, wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen der Bodewig-Kommission?
Ich bin sehr zufrieden, vor allem weil der daraus abgeleitete Beschluss der Verkehrsministerkonferenz zukunftweisend ist und einstimmig gefasst wurde, inklusive Bayern. 16:0. Das hat es in der Form so noch nicht gegeben. Deswegen waren die Verhandlungen auch so mühsam. Mit dem einstimmigen Beschluss lässt sich bei den Koalitionsverhandlungen und darüber hinaus politisch gut arbeiten.
Wie viel Grün steckt darin?
Einiges! Wesentliche Elemente einer neuen nachhaltigen Infrastrukturpolitik und deren zukünftiger Finanzierung wurden vereinbart. Zentral ist, dass sich die Verkehrsminister aller Länder erstmals darauf verständigt haben, künftig dem Erhalt vor Neubau Vorrang einzuräumen. Und, dass das Verkehrssystem Schiene, Straße, Wasserstraße ganzheitlich gedacht und saniert werden muss. So, wie wir es in Baden-Württemberg bereits handhaben.
Die Kommission fordert für einen Sanierungsfonds über 15 Jahre 40 Milliarden Euro vom Bund zusätzlich. Wo soll das Geld herkommen?
Aus zusätzlichen Haushaltsmitteln. Da hat man gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium die Fühler bereits ausgestreckt. Begründung: Der Staat hat es in den letzten 10 bis 20 Jahren versäumt, genügend in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur zu stecken, und muss jetzt den Vermögensverzehr abarbeiten. Deshalb ein Sondertopf . . .
. . . der mit Geld woher gefüllt werden soll?
Konkret heißt das, dass künftig mehr Geld aus dem Haushalt, das von den Verkehrsteilnehmern ja schon eingenommen wird – z. B. durch Kfz-Steuer, Mineralölsteuer –, in den Verkehrsbereich zurückfließen muss.
Zusätzlich soll die Lkw-Maut ausgeweitet werden. Wann und in welcher Form?
Wir haben einen Stufenplan vereinbart. Zunächst geht es darum, mit den zusätzlichen Haushaltsmitteln ab 2014 dringend erforderliche Sanierungen nachzuholen. Dazu soll es spätestens 2015 mit der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen losgehen. Wir rechnen mit Maut-Mehreinnahmen von 2,3 Milliarden Euro jährlich. Ab 2016 ist dann die Ausweitung auf die Gewichtsklasse bis 7,5 Tonnen vorgesehen. Außerdem kann die Maut auf das nachgeordnete Netz, beginnend mit den Landesstraßen, ausgeweitet werden. Ich hätte mir auch noch die Bemautung der Sprinter-Klasse gewünscht, aber das war nicht durchsetzbar.
Glauben Sie, dass ein Bundesverkehrsminister der CSU da mitmacht?
Alle Parteien – einschließlich CDU/CSU – haben die Weiterführung der Lkw-Maut unterstützt. Deshalb der Kompromiss: Ausweiten ja, aber nicht auf die Klasse 3,5 bis 7,5 Tonnen und nicht gleich aufs gesamte Straßennetz.
Trotz zusätzlicher Haushaltsmittel und extra Maut-Einnahmen fehlt dann aber immer noch Geld. Wo sollte der Bund Ihrer Meinung nach an anderer Stelle sparen?
Das Konzept ist genau so angelegt, dass die Verkehrsnutzer zukünftig stärker an den verursachten Kosten beteiligt werden. Für eine Pkw-Maut gab es keinen Konsens.
Warum nicht?
Schlicht und einfach, weil die meisten Länder kategorisch dagegen sind. Nach zähem Ringen konnten wir uns in diesem Punkt nur auf eine Formulierung einigen, wonach der bayrische Vorschlag (eine Maut nur für Ausländer, d. Red.) auf seine juristische Tauglichkeit geprüft werden soll. Das war sozusagen das Entgegenkommen gegenüber Bayern – wohl wissend, dass es nie zu einer solchen Maut kommen wird.
Ihr Vorstoß nach einer entfernungsabhängigen Maut ist damit aber genauso tot.
Es war schnell klar, dass es keine Mehrheit für eine Pkw-Maut geben wird. Damit war erst recht mein Vorschlag hinfällig.
Was glauben Sie, wie es mit dem Thema unter einer schwarz-roten oder einer schwarz-grünen Regierung im Bund weitergehen wird? Horst Seehofer wird doch nicht lockerlassen.
Das Thema ist durch. Eine Pkw-Maut wird es in den kommenden Jahren nicht geben. Deswegen wäre jeder mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn er mit einer neuerlichen Forderung in Koalitionsverhandlungen eintritt. Das wäre eine Aufkündigung des gemeinsamen Beschlusses. Deshalb werde ich das auch nicht weiterverfolgen. Alles andere wäre unsolidarisch und politisch nicht sinnvoll. Wir haben uns auf den Weg zusätzliche Haushaltsmittel und Ausweitung Lkw-Maut geeinigt. Dabei muss es bleiben.
Die Bodewig-Kommission will außerdem erreichen, dass das Geld künftig „bedarfsgerechter“ verteilt wird. Was heißt das genau?
Bisher wird das Geld nach Quoten an die Länder verteilt. Wichtigstes Kriterium ist die Länge des Straßennetzes. Künftig wird der Zustand einer Straße oder einer Brücke entscheidend sein, der nach einheitlichen Kriterien definiert wird. Danach wird der Bedarf ermittelt. Wenn es so kommt, wäre das fast revolutionär.
Wäre das für Baden-Württemberg gut oder schlecht?
Ich glaube, dass es für alle Länder mit einem großen Sanierungsbedarf gut ist. Dazu zählt zweifelsohne auch unser Bundesland. Mittel- und langfristig wird es zu einer Verschiebung der Mittel von Ost nach West führen.
An den Straßen wird zurzeit viel ausgebessert, aber noch immer nach dem alten Prinzip der Flickschusterei – Teer ins Schlagloch gekippt, auf dass es ein paar Jahre hält. Sind Sie nicht angetreten, den Straßenerhalt nachhaltiger zu gestalten?
Doch, das bin ich, und Ihre Beobachtung ist auch nicht ganz richtig. Wir sanieren oberflächlich nur das, was Sinn macht. Das ist jetzt vor dem Winter an manchen Stellen unausweichlich. Aber seien Sie gewiss, dass wir eine gute Übersicht über den Zustand unserer Straßen haben und wissen, welche Straße grundlegend saniert werden muss. Wir sind dran, das systematisch abzuarbeiten – auch wenn das noch Jahre dauern wird.