Der US-Soldat Bradley Manning ist für die Weitergabe von geheimen Informationen an die Enthüllungsplattform Wikileaks verurteilt worden. Ein US-Militärgericht ließ allerdings den schwerwiegendsten Vorwurf der Feindesunter-stützung fallen.  

Washington/Fort Meade - Regungslos nahm der blasse junge Mann in der Uniform das Urteil von Richterin Denise Lind entgegen. Dann huschte ein schüchternes Lächeln über sein Gesicht. Erleichterung, gewiss, über die Zurückweisung des wichtigsten der 22 Anklage-Punkte. Bei einer Verurteilung wegen „Feindeshilfe“ hätte dem Gefreiten Bradley Manning lebenslange Haft gedroht. Dagegen sah die Militärrichterin in 19 anderen Punkten genügend Beweise, Manning zu verurteilen.

Im Maximalfall addieren sich die Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Spionagegesetz, Computer-Kriminalität und anderer Rechtsbrüche zu einer Strafe, die den Angeklagten auch so ein Leben lang hinter Gitter bringen können. Über das Strafmaß entscheidet Lind nach der Urteilsphase, in der sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung von diesem Mittwoch an erneut gegenüberstehen.

In ersten Reaktionen zeigten sich Bürgerrechtler erleichtert über den Freispruch von dem schwerwiegendsten Vorwurf. Die American Civil Liberties Union erklärte, darüber hinaus bleibe es beunruhigend, dass die Regierung Whistleblower als Spione verfolge. „Die Regierung will offenbar jeden einschüchtern, der daran denkt, künftig wertvolle Information zu enthüllen“, sagte Ben Wizner. Die Organisatoren der Enthüllungsplattform Wikileaks warfen der US-Regierung wegen des Urteils gegen Manning vor, einen „gefährlichen Sicherheits-Extremismus“ zu betreiben. Wikileaks-Gründer Julian Assange sagte bei einer Pressekonferenz: „Dies war nie ein fairer Prozess.“ Manning selbst hatte seine Motivation wie folgt beschrieben: „Ich möchte, dass die Menschen die Wahrheit sehen.“

Fall Manning gilt als Präzedenzfall

Die Regierung äußerte sich zunächst nicht. Der Vorsitzende im Geheimdienste-Ausschuss im US-Kongress Mike Rogers sprach von einem Tag, „an dem das Recht gesiegt hat“.

Der Fall Manning gilt als Präzedenzfall für sogenannte Whistleblower, die Geheimnisse mit dem Argument verraten, Missstände aufzudecken. Noch während Mannings Prozess lief, folgte bereits ein ähnlicher Fall: Der US-Bürger und ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden ging mit Enthüllungen über geheime Spitzelprogramme an die Öffentlichkeit. Die US-Regierung droht ihm deshalb mit Strafverfolgung. Snowden sitzt derzeit in Moskau fest.

Nur deshalb kam es zu dem achtwöchigen Gerichtsdrama auf dem Militärgelände von Fort Meade. Tatsächlich hatte der Geheimdienst-Analyst Manning, der seit seiner Verhaftung im Mai 2010 in Irak in Haft sitzt, in zehn anderen Punkten seine Schuld eingestanden. Chef-Ankläger Ashton Fein präsentierte 80 Zeugen und versuchte mit deren Aussagen den Vorwurf zu untermauern, Manning habe wissentlich mit dem Feind zusammengearbeitet. Die Anklage stützte sich auf Dokumente, die bei der geheimen Kommando-Aktion gegen Osama bin Laden sichergestellt wurden. Der Terrorführer habe die von der Enthüllungsplattform Wikileaks verratenen Informationen ausgewertet. „Er war kein Geheimnis-Aufdecker. Er war ein Verräter“, argumentierte Mayor Fein. „Ein Verräter, der den Wert der kompromittierten Information in der Hand des Feindes verstand und absichtlich Schritte unternahm, sicherzustellen, dass diese sie zusammen mit dem Rest der Welt erhalten.“ Aus Sicht der Verteidigung war der damals 20-jährige Gefreite ein Idealist. Je mehr der Geheimdienstanalyst durch seine Arbeit über die Kriege in Irak und Afghanistan erfuhr, desto mehr hätte ihn sein Gewissen geplagt. „Er war ein junger, naiver, aber wohlmeinender Soldat, der menschliches Leben und seine humanistischen Ansichten ins Zentrum seiner Entscheidungen rückte,“ meinte Verteidiger David E. Coombs.

Manning nutzte seine Position in Irak, tausende an Diplomaten-Kabeln und Militärberichten aus dem so genannten Siprent geladen zu haben – eine Art Internet im Internet zu der rund 2,5 Millionen Regierungsbeschäftigte Zugang haben. Er brachte dafür eine wiederbeschreibbare CD mit zur Arbeit. Zur Tarnung beschriftete er sie mit „Lady Gaga“.