Als vor Kurzem der erste Herbststurm des Jahres über Deutschland donnerte, war an manchen Orten im Kreis Freudenstadt Abholung der gelben Säcke – ausgerechnet, muss man sagen. Denn Teile des Inhalts liegen noch immer auf Wiesen, Hecken und Straßenrändern. Würde sich die Einführung der gelben Tonne nicht lohnen?
Horb/Kreis Freudenstadt - Schon vor zehn Jahren drängte die grün geführte Landesregierung auf die Einführung von gelber Tonne oder Wertstofftonne. Doch in vielen Landkreisen sind die dünnwandigen gelben Säcke immer noch die Regel.
"Ludwigsburger System" bald mit gelber und Glas-Tonne
Allerdings: Manche Landkreise oder Kommunen wie Reutlingen haben sie schon. Andere wie Ludwigsburg oder Ravensburg führen diese zum Beginn nächsten Jahres ein. Ludwigsburg startet sogar das "Ludwigsburger System" – ein neues Wertstoff-Sammelsystem, das neben der gelben Tonne auch die Abholung von Glas in einer Glas-Tonne oder einer "handlichen Glasbox" ermöglicht. (Die Glas-Tonne ist aber freiwillig. Auch kann Glas weiterhin in Container geworfen werden.)
Doch im Landkreis Freudenstadt bleibt es bei den gelben Säcken. Obwohl das beim beauftragten Unternehmen Remondis durchaus auf Gegenliebe stoßen würde. "Als sammelndes Unternehmen finden wir die gelbe Tonne grundsätzlich besser. Aber wir dürfen das nicht bestimmen. Die Entscheidung liegt bei den Kommunen, die aufgrund ihrer jeweiligen Infrastruktur das jeweils passende System auswählen", sagt Unternehmenssprecher Michael Schneider auf Anfrage unserer Zeitung.
Landratsamt will sich mittelfristig mit gelber Tonne beschäftigen
Und was sagt man im Landratsamt zu solchen Gedankengängen? Ulrich Hanfstein, Amtsleiter für Bau, Umwelt und Wasserwirtschaft im Landratsamt, antwortet eher bürokratisch: "In der aktuell gültigen Abstimmungsvereinbarung zwischen den Dualen Systemen und dem Landkreis ist festgelegt, dass die Leichtverpackungen im Gelben Sack gesammelt werden. Eine Überprüfung des Abfuhrsystems erfolgt von Zeit zu Zeit. Der Abfallwirtschaftsbetrieb wird sich im Rahmen der mittelfristig anstehenden Überarbeitung des Abfallwirtschaftskonzeptes auch mit den Themen Gelbe Tonne (statt Gelber Sack) und kombinierte Wertstofftonne (gemeinsame Erfassung von Leichtverpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen) beschäftigen."
Wertstofftonne? Ist das vielleicht noch besser als die gelbe Tonne? "Im Prinzip ja, denn wenn die – Achtung: Fachbegriff – ›stoffgleichen Nichtverpackungen‹ auch in einer kombinierten Wertstofftonne gesammelt werden dürfen, steigt theoretisch die Wertstoffausbeute beim Recycling entsprechend an", erklärt Remondis-Mann Schneider. Klingt gut. Aber: "Das Problem daran ist eher die Frage der Finanzierung. Das duale System, also die separate Erfassung von Leichtstoffverpackungen mittels Gelber Tonne/Gelber Sack finanziert sich durch die Lizenzgebühren der sogenannten ›Inverkehrbringer‹, also der Verpackungshersteller und der großen Einzelhandelsketten. Für andere Materialien wie Töpfe, Pfanne, Kinderspielzeug etc., die zwar aus den gleichen recyclingfähigen Stoffen bestehen, aber eben keine lizenzierten Verpackungen sind, bezahlt niemand für die Verwertung Geld. Wer bezahlt also die Sammler und Sortierer und Verwerter für die erheblichen Mehrmengen, die in einer Wertstofftonne gesammelt werden?"
Die Frage gelber Sack oder gelbe Tonne ist auch eine Geldfrage
Die Frage gelber Sack oder gelbe Tonne beziehungsweise Wertstofftonne ist also auch eine Geld-Frage. Und eine Frage der Vor- und Nachteile. Denn es gibt für Säcke und Tonne jeweils gute Argumente (siehe Info). Oftmals wird diese Debatte hochemotional geführt. Aber noch nicht im Landkreis Freudenstadt. Zumindest in näherer Zukunft werden die gelben Säcke bleiben. Beim nächsten Sturm sind also auch die Bürger in der Pflicht, wie Unternehmenssprecher Schneider erhofft: "Wir hoffen und appellieren, dass bei besonderen Wettersituationen die Säcke gesichert werden können. In Zweifelsfällen sollte man überlegen, die Säcke noch einmal bis zum nächsten Abfuhrterminen aufzubewahren."
Info: Welche Gründe für eine gelbe Tonne sprechen
"Wenn die gelbe Tonne umgeweht wird, verteilt sich der Müll nicht gleich so. Es ist hygienischer und sauberer. Sie können theoretisch auch Fahrzeuge mit Seitenlader einsetzen. Der Abtransport für gelbe Säcke geht nur händisch und benötigt mehr Personal", argumentiert der Remondis-Sprecher. n Im hohen Norden beispielsweise, im Kreis Pinneberg, argumentiert die zuständige Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Abfallbehandlung mBH: "Gelbe Säcke reißen schnell und werden bei Wind häufig auf die Straßen geweht. Durch die Umstellung können jährlich 15 Millionen Plastiksäcke im Kreis Pinneberg (Einwohnerzahl rund dreimal so groß wie im Kreis Freudenstadt, Anm.d. Red.) eingespart werden."n Michael Schneider von Remondis spricht dieses Problem ebenfalls direkt an: "Wenn Säcke kaputt gehen, können unsere Fahrer aus zeitlichen Gründen Müll nicht händisch einsammeln."
n Weitere Probleme mit gelben Säcken: Beschädigungen durch futtersuchende Tiere und die Zweckentfremdung.n Auch das Stadtbild wird dadurch "sauberer". In Horb beispielsweise kam es in der Vergangenheit schon zu einem Aufschrei, als die gelben Säcke während der Ritterspiele überall herumlagen.n Die gelben Tonnen können auch gut außerhalb der eigenen vier Wände gelagert werden.
Info: Welche Gründe für die gelben Säcke sprechen
- "In manchen älteren Innenstädten können die Wege zu eng sein, so dass für die Tonnen und größere Abfuhrfahrzeuge kaum Platz ist", sagt Remondis-Sprecher Schneider. n Auch die zusätzliche Anschaffung von zu vielen Tonnen ist problematisch: hohe Investitionskosten und benötigte Rohstoffe. Und: auch die Tonnen müssen irgendwann wieder entsorgt werden.
- Ebenso ein Problem: Die Tonnen haben nur ein begrenztes Volumen, nehmen aber stets Platz weg. Darauf geht auch das Entsorgungsmagazin E-Mag in einem Artikel ein: "Ein großer Nachteil der Gelben Tonnen ist, dass sie immer in ihren kompletten Ausmaßen präsent ist, selbst wenn sie nicht befüllt ist. Gelbe Säcke nehmen dagegen erst dann richtig Platz in Anspruch, wenn sie genutzt werden. Und: Fallen mehr Abfälle an, wird einfach ein zusätzlicher Sack von der Rolle gerissen."
- Auch dass die Säcke so dünn sind, was viele nervt (immerhin wurde die Dicke von 10 auf 15 My erhöht), habe seinen Sinn, sagt Thomas Mehl, Geschäftsführer des dualen System "BellandVision", im Entsorgungsmagazin: Für den eigentlichen Zweck, die so genannten Leichtverpackungen (LVP), also Verpackungsabfälle aus Kunststoff, Metall und Verbundstoffen. reiche das aber. Schwerere Abfälle, die nicht in die gelben Säcke gehören, fachsprachlich Störstoffe genannt, fallen dagegen durch." Fehlbefüllungen sind schneller nachweisbar und lassen sich auch besser zuordnen.
- Wird Müll, der nicht in die Tonne gehört, ganz unten in den Müllgefäßen platziert, ist dieser nur zu entdecken, wenn die gesamte Tonne auf den Kopf gestellt würde. Das Magazin "E-Mag" schreibt: "Etliche Verbraucher sind der Ansicht, der in gelbe Tonnen oder Säcke geworfene Hausmüll könne dank innovativer Technik einfach wieder aussortiert werden. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Mit Störstoffen kontaminierte Leichtverpackungsabfälle sind in den allermeisten Fällen für das Recycling verloren und können nur noch verbrannt werden."
- In den Gelben Sack gehören nur Leichtverpackungen aus Kunststoffen, Metallen und Verbundstoffen.n Bei Weichblechdosen sollte man den scharfkantigen Deckel nicht oben stehen lassen, sondern ihn reindrücken. Das kann zu unnötigen Rissen im Sack führen.
- "All das trennen, was der Mensch problemlos trennen kann", sagt Remondis-Sprecher Michael Schneider. Also zum Beispiel den Joghurtdeckel komplett abziehen. Bei leeren Saftflaschen sollte man den Deckel abschrauben und den Kunststoffring unter der Öffnung entfernen. Auch die Kunststoff-Ausgüsse aus Tetrapacks – zum Beispiel Milchtüten – sollte man herauslösen. Auch bei Wurst und Käseverpackungen sollte man die obere Folie vom Boden abziehen, ebenso Aufkleber und Etiketten.
Nur so können alle Bestandteile wiederverwertet werden. Ziel ist es, möglichst viele Rohstoffe rauszuholen. Eine Tonne von diesem Material recycelt spart zwischen 1,2 bis 1,6 Tonnen CO2 ein.
- Nicht unterschiedliche Bestandteile ineinanderstecken. Wenn beispielsweise andere Folie in einen Joghurtbecher kompakt gestopft wird, können die Maschinen das eventuell nicht mehr trennen, sodass alles zusammen nicht verwertet werden kann.n Joghurtbecher & Co müssen nicht gespült sein. Sie müssen nur "löffelrein" sein. "Die unterschiedlichen Plastikarten werden nach der Trennung alle noch einmal gereinigt", so Schneider. Das Wasser zur Reinigung ist also Ressourcenverschwendung.
- Alles, was im Laden an Verpackungen über die Theke geht, darf in den gelben Sack – nicht nur Verpackung mit grünem Punkt.