Auch wegen der Bauarbeiten an den Doppelhäusern von Opfer und Angeklagtem entzündet sich immer wieder ein Streit. Archivfoto: Palik Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgermeister und Ortsvorsteher schildern vor Gericht, wie Angeklagter und späteres Opfer aneinandergeraten

Von Verena Schickle Kreis Rottweil. Der Nachbarschaftsstreit, der der tödlichen Auseinandersetzung in Wilflingen vorausging, blieb in dem Wellendinger Ortsteil nicht unbemerkt. Einmal eskalierte er sogar vor dem versammelten Ortschaftsrat.Gut einen Monat, bevor es zum Äußersten kommt, kommt es zu einer "Zufallsbeobachtung", wie der Vorsitzende Richter es gestern formulierte: Vor dem versammelten Wilflinger Ortschaftsrat geraten Mustafa Y. und sein Nachbar Hanspeter Wilhelm aneinander. Einmal mehr, wie so oft in den zwei Jahren zuvor. Spätestens da ist klar: In der Schulstraße braut sich etwas zusammen. Inzwischen muss sich der 39-jährige Y. wegen heimtückischen Mordes vor der Ersten Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil veranworten. Er hat seinen Nachbarn erschossen.

"Wenn das so weitergeht, dann passiert noch was": An diese Worte eines Wilflinger Ortschaftsrats erinnerte sich der Wellendinger Bürgermeister Thomas Albrecht bei seiner Aussage vor Gericht. Gefallen waren sie am Abend des 13. Juni. Gut einen Monat später, am 15. Juli, fielen die tödlichen Schüssen.

An dem Juniabend hatte sich der Wilflinger Ortschaftsrat vor dem Rathaus getroffen. Das befindet sich schräg gegenüber des Doppelhauses der Familien Wilhelm und Y. Auch wenn sich Bürgermeister und Ortsvorsteher Thomas Meyer gestern nicht ganz einig waren, wie weit das Gebäude vom späteren Tatort entfernt ist – ob 30 oder 60 Meter: Ihre Eindrücke von den Geschehnissen stimmen überein. Beide berichteten, dass Hanspeter Wilhelm begonnen habe, ein Scheunentor abzuflexen. Das ging nicht ohne Lärm und Staub vonstatten, woraufhin Y., bei dem ein Fenster offenstand, aufgeregt aus dem Haus gekommen sei. Was folgte, war eine Auseinandersetzung. "Es gab durchaus lautere Worte." Albrecht sagte aus, er habe damals das Gefühl gehabt, Wilhelm habe seinem Nachbarn mit Absicht nicht Bescheid gegeben, dass dieser wegen der Arbeiten besser die Fenster schließen sollte. Als guter Nachbar hätte man dies aber tun können.

Dass mit der Nachbarschaft nicht alles in Ordnung war, wusste der Rathauschef schon vorher. "Es gab immer wieder Probleme mit der Familie Wilhelm wegen des Überfahrtsrechts", erklärte er. Dazu kamen Risse in der Wand des Angeklagten, die entstanden waren, nachdem das spätere Opfer in seiner Haushälfte einen Balken entfernt hatte. Er habe beiden Familien anwaltliche Beratung empfohlen, erklärte Albrecht.

Zudem berichtete er über ein Gespräch mit den Parteien und der Baurechtsbehörde im Rathaus. Auch dieses habe sich hochgeschaukelt. "Ich muss sagen, Herr Wilhelm hat aus meiner Sicht nicht gerade zu einer guten Nachbarschaft beigetragen", erinnerte sich der Schultes. Sachlich sei er bei dem Termin gleichwohl geblieben.

Während er Wilhelm als selbstbewusst kennengelernt hatte, sei Y. bei dem Gespräch in sich gekehrt gewesen. Wegen seiner schlechten Deutschkenntnisse konnte er wohl auch nicht allem folgen.

Ortsvorsteher Thomas Meyer berichtete von einem Termin in der Bürgersprechstunden mit der Frau des Angeklagten. Diese Begegnung beschrieb er als "tränenreich". Inhalt: "große Probleme" mit den Nachbarn. Eine Durchfahrt auf ihr Grundstück sei nicht mehr möglich, weil die Wilhelms Eisennägel aufgestellt hätten, habe die Frau erklärt. Daraufhin wollte Meyer mit dem 43-Jährigen sprechen. Wilhelm habe er an dem Abend zwar nicht angetroffen, wohl aber die Stäbe entdeckt, die dieser in den Rasen gesteckt hatte. Zwei davon sogar auf dem gemeindeeigenen Grundstück des Jugendhauses. Diese beiden habe er herausgezogen, berichtete Meyer – einige Zeit später steckten sie wieder im Boden.

Die Nachfrage, ob es schon mit den Vorbesitzern des Wilhelm-Hauses Probleme mit dem Überfahrtsrecht gegeben habe, beantworteten sowohl Albrecht als auch Meyer mit Nein.

Gleichwohl zeigte sich gestern, wie unterschiedlich die Bilder sind, die die Zeugen vom Opfer zeichneten: Während ein ehemaliger Arbeitskollege aussagte, "es war schwierig, mit ihm umzugehen" und berichtete, "wir sind immer mal wieder aneinander gerasselt", vermittelte eine Ex-Freundin einen anderen Eindruck von dem langjährigen Ringer. "Er war stark, und er war stolz." Aber provoziert habe er nie etwas. Am Montag geht der Prozess weiter.