Fünf Nachwuchshistorikerinnen der Walther-Groz-Schule vor der Plakat-Doku mit dem Ergebnis ihrer Recherchen. Foto: Freudenberger

Der Geschichte ihrer Heimat haben 90 Walther-Groz-Schüler im Albstädter Stadtarchiv nachgespürt.

Die Weltgeschichte sei die Summe all dessen, was vermeidbar gewesen wäre, soll Bundeskanzler Konrad Adenauer einst gesagt haben – es lohnt sich daher, sie zu studieren. 90 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe eins des beruflichen Gymnasiums der Walther-Groz-Schule haben im Geschichtsunterricht untersucht, wie Gleichschaltung, die Diskriminierung und Verfolgung von Andersdenkenden während der Nazizeit „vor der eigenen Haustür“ aussahen.

Die drei Lehrkräfte Larissa Freudenberger, Annemarie Mayer und Ulrich Hausmann konsultierten zu diesem Zweck das Stadtarchiv und schnürten zusammen mit seinem Leiter Nils Schulz Quellenpakete, anhand von denen die Schülerinnen und Schüler sich in der Feldforschung übten.

Das Albstädter Stadtarchiv hielt eine Fülle an Material für die Schüler bereit

Das Material war vielfältig; es reichte von Postkarten über Protokolle, Briefe und Zeitungsartikel bis hin zu Bildquellen. Themen waren der politische Extremismus der ausgehenden Weimarer Republik, die Verfolgung von Minderheiten und Andersdenkenden zu Beginn der Naziherrschaft, die Gleichschaltung auf kommunaler Ebene und schließlich Krieg und Kriegsende.

Das Projekt begann mit einer Archivführung im benachbarten Stadtarchiv. Nils Schulz präsentierte den Schülern einzigartige Unikate aus der Historie der Region, kommunales Notgeld aus Ebingen und Tailfingen zum Beispiel – den Schülern fiel es nicht schwer, eine gedankliche Brücke zwischen dem Inflationsherbst 1923 und der inflationsgeplagten Gegenwart zu schlagen.

Inflations- oder kommunales Notgeld war keine Erfindung der 1920er-Jahre

Was es mit dem Notgeld auf sich hatte, darüber gab die mit Abstand wichtigste kommunale Archivaliengattung Aufschluss, die Gemeinderatsprotokolle jener Krisenzeit. Wobei Inflationsgeld nicht nur in den 1920er-Jahren erfunden wurde, sondern schon viel früher existierte: Schulz präsentierte seinen Gästen einen württembergischen 1623 geprägten Hirschgulden aus dem Dreißigjährigen Krieg, der gewöhnlich im Heimatmuseum Ebingen ausgestellt wird.

Andere Beispiele: Inventuren und Teilungen aus dem 19. Jahrhundert, zeitgenössische Werbeplakate für Kriegsanleihen aus dem Ersten Weltkrieg, ein Zeitungsartikel aus dem Revolutionsjahr 1848, das Kopialbuch des Heilig-Geist-Spitals aus dem 15. Jahrhundert, das Personenstandsregister, in dem der bekannteste Sohn Ebingens, Kurt Georg Kiesinger, von 1966 bis 1969 Bundeskanzler, auftaucht, und die Partnerschaftsurkunde der Städte Albstadt und Chambéry von 1979.

Die Walther-Groz-Schüler gewannen eine eindrucksvolle Expertise

Und die NS-Zeit? Das Archiv besitzt sowohl Zeugnisse des Widerstands als auch der Gleichschaltung: hier gebundene Ausgaben der kommunistischen Wochenzeitung „Die Rote Bombe“ aus den Jahren 1932 und 1933, dort einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Tailfingen vom 1. Mai 1933.

Mit Hilfe dieser und anderer Quellen tauchten die Schüler in eine spannende Vergangenheit ein – und legten später in den Referaten, die sie vor ihren Mitschülern hielten, eine eindrucksvolle Expertise an den Tag. Das Projekt wird im nächsten Schuljahr fortgesetzt.