Die Asylbewerber aus Pakistan freuen sich, wenn sie Besuch bekommen. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Ein Besuch bei den 16 Asylbewerbern im alten katholischen Pfarrhaus. Ohne Deutschkurs sind sie aufgeschmissen. Mit Kommentar.

Waldachtal-Salzstetten - Irfan kennt bisher nur ein deutsches Wort: Fahrrad. Er ist einer der 16 jungen Pakistaner, die seit rund zwei Wochen als Asylbewerber in Salzstetten wohnen. Ohne Sprachkenntnisse leben sie weitgehend isoliert in dem Ort. Bei einem Besuch in ihrem Heim, dem alten katholischen Pfarrhaus, bin ich positiv überrascht: So viel Gastfreundschaft hätte ich von Flüchtlingen nicht erwartet.

"Do you speak English?" (Sprechen Sie englisch?), frage ich, als zwei der Pakistaner mich vor der Haustüre begrüßen. "Nur sehr wenig", sagt mir einer der beiden auf Englisch. Der andere Mann heißt Irfan, mit ihm gelingt die Verständigung auf Englisch. Er fragt mich, ob ich nicht reinkommen wolle, drinnen seien noch mehr Leute. Ich willige ein und folge den Männern durch das Haus. Sie alle wohnen im ersten Obergeschoss. Ich nehme den Duft von pakistanischem Essen wahr, als ich die Treppe hinaufgehe. Irfan bittet mich in ein großes Zimmer, das augenscheinlich als Wohn- und auch als Schlafzimmer genutzt wird. "Hier schlafen fünf von uns", sagt er und deutet auf die Stockbetten an der Wand. Vor dem Fenster stehen Sofa und Stühle um einen Tisch, in der Ecke ein Fernseher. Es läuft MDR.

Die Männer scheinen sich über meinen Besuch sehr zu freuen. Irfan holt noch seine Mitbewohner hinzu. Alle geben mir die Hand, setzen sich aufs Sofa. Dann geschieht etwas, womit ich wirklich nicht gerechnet hätte: Weil ich Gast bin, bekomme ich einen Energy-Drink in der Dose serviert.

"Die Leute von der Kirche sind sehr nett zu uns"

Irfan beginnt zu erzählen, vor welchen Schwierigkeiten er und seine Mitbewohner jetzt stehen, nachdem sie Pakistan wegen politischer Unruhen und Armut verlassen hatten: "Wir müssen die deutsche Sprache lernen, aber wir bekommen keinen Kurs. Ohne deutsch zu sprechen, kann ich nicht einmal ein Bankkonto eröffnen. Auch Internet haben wir hier nicht, und die SIM-Karte für das Smartphone funktioniert nicht. Deshalb können wir nicht einmal mit Freunden oder unseren Familien Kontakt aufnehmen." Ohne deutsch zu sprechen und mit nur wenigen Englischkenntnissen können die Pakistaner oft nicht einmal ihre einfachsten Bedürfnisse ausdrücken. Und mit Englisch würden sie in Salzstetten sowieso nicht weit kommen. Irfan beklagt auch: "Ich weiß nicht, wer für uns verantwortlich ist, an wen ich mich wenden kann. Die Leute von der Kirche sind sehr nett zu uns. Sie haben uns Fahrräder besorgt." "Fahrrad" sagt er auf deutsch.

Radfahren ist eine der wenigen Aktivitäten, die den Männern möglich ist. Pfarrer Anton Romer hatte sich darum gekümmert, dass den Asylbewerbern Räder zur Verfügung gestellt werden. Irfan beschreibt das triste Leben im Ort: "Alles, was ich den Tag über mache, ist essen und schlafen". Auch würde er gerne einmal Salzstetten verlassen und beispielsweise nach Freudenstadt fahren. "Aber es fahren nicht viele Busse", meint er.

Ihm ist auch bewusst, dass viele Salzstetter ihnen als Asylbewerbern skeptisch gegenüberstehen. "Niemand möchte uns helfen, weil alle Angst haben." Dabei würde Irfan, genauso wie seine Mitbewohner, gerne etwas aus seinem Leben machen. "Ich möchte Arbeit finden", sagt er. Sein Appell lautet: "Bitte helft uns."

Info: Mögliche Hilfsprojekte für Flüchtlinge

Unterstützung für die Asylbewerber formiert sich in Waldachtal. Der katholische Pfarrer Anton Romer setzt auf die Zusammenarbeit der katholischen, evangelischen und kommunalen Gemeinde in Waldachtal. Unserer Zeitung sagt er: "Wir werden versuchen, einen Sprachkurs anzubieten. Die Frage ist nur, wer einen Kurs unterrichten könnte." Auch kann er es sich vorstellen, einen Freundeskreis Asyl zu gründen, um auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge einzugehen. Es gebe auch die Möglichkeit, Patenschaften zu arrangieren. "Dabei geht es vor allem darum, Zeit und Hilfe zur Verfügung zu stellen." Romer sieht es als notwendig an, dass die Asylbewerber Unterstützung aus der Bevölkerung bekommen. "Denn das Landratsamt ist heillos überfordert."

Kommentar: Hilferuf

Von Daniel Begemann

Fast täglich erreichen uns Nachrichten über im Mittelmeer gekenterte Flüchtlinge. Doch die menschlichen Tragödien finden längst nicht mehr nur vor den Grenzen Europas statt. Sondern direkt in unseren Dörfern, vor unseren Haustüren, sogar mitten im idyllischen Schwarzwald-Ort Salzstetten. Und plötzlich stehen die Bewohner des Dorfes vor einer ganz neuen Herausforderung: Es gilt, Barrieren zu überwinden. Da sind einerseits die Verständigungsschwierigkeiten, andererseits ist es die Skepsis gegenüber den Fremden. Wir sollten sie nicht als Flüchtlinge, sondern als Menschen sehen. Menschen, die derzeit ohne Hilfe aufgeschmissen sind. Junge Leute, die sogar in der Fremde gastfreundlich sind, die gerne noch etwas aus ihrem Leben machen wollen. Jetzt liegt es an den Waldachtalern: Wollen sie helfen oder lassen sie die menschliche Tragödie auch vor ihrer Haustüre zu?