Sahra Wagenknecht, bisher in der Linkspartei, bereitet zur Zeit die Parteigründung vor. Foto: dpa/Soeren Stache

Sahra Wagenknecht will eine Partei gründen, die in Verteilungsfragen links tickt – aber auch um bisherige AfD-Wähler kämpft. Der Politologe Benjamin Höhne bewertet im Interview die Chancen dieses Projekts.

Mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ möchte die ehemalige Linken-Politikerin ein „seriöses Angebot“ auch für bisherige Protestwähler der AfD schaffen, sagt sie. Kann es ihr gelingen, hier substanziell Stimmen zu gewinnen? Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Universität Magdeburg hat Antworten.

Herr Höhne, ein Verein, der aus bisherigen Mitgliedern der Linken entstanden ist, wird für AfD-Wähler interessant: Wie passt das zusammen?

So, wie Sahra Wagenknecht ihre Themen kommuniziert, dringt sie in einen Bereich ein, der in Teilen parteipolitisch von der AfD besetzt ist. Wagenknecht positioniert sich nur auf der ökonomischen Achse links – für soziale Gerechtigkeit. Gesellschaftspolitisch eher rechts. Dass sie mit dieser Mischung womöglich punkten kann, lässt sich in ersten Umfragen erkennen.

Benjamin Höhne, Universität Magdeburg /Gerlind Klemens

Wagenknecht wurde in der Vergangenheit AfD-Nähe vorgeworfen. In welchen Punkten überschneidet sich das Parteiprogramm der AfD mit ihren Themen?

Die wohl größte Gemeinsamkeit ist die Migrationsskepsis, die bei der AfD bis hin zur radikalen Ablehnung reicht. Auch bei anderen Themen entfernt sich Wagenknecht von einer klassisch linken Wählerschaft. Linke Parteien setzen sich zum Beispiel für gendergerechte Sprache ein. Wagenknecht findet diese Form der Inklusion nicht wichtig. Manches deutet darauf hin, dass Wagenknechts „Bündnis“ eine populistische Partei wird. Dann hätte sie die Pose des Kampfes gegen das politische Establishment mit der AfD gemeinsam, gegen angeblich abgehobene Eliten.

Womit muss die AfD rechnen, wenn das Bündnis Sahra Wagenknecht als Partei wählbar wird? Springen ihr die Wähler ab?

Wahrscheinlich ja. Im Osten hat Sahra Wagenknecht Chancen, Wähler von der rechtspopulistischen bis rechtsextremen AfD für sich zu gewinnen. Wenn die AfD dort in Umfragen teils bei 30 Prozent liegt, sind darunter nicht durchweg stramm Rechtsextreme, sondern Menschen, die mit der Demokratie fremdeln, die Protest artikulieren wollen. Sie könnten zu Wagenknecht wechseln.

Sie machen einen Unterschied zwischen Ost und West.

Die Linke hat sich im Westen immer schwergetan, in Landtage einzuziehen. Im Osten ist sie auch eine regionale Interessenvertretung für ostdeutsche Befindlichkeiten. Wagenknecht weiß, dass für sie im Westen weniger zu holen ist – auch, weil linke Politik dort in einer anderen Traditionslinie steht. Sie wird im Westen kaum linke Wähler von sich überzeugen. AfD-Wähler könnte Wagenknecht aber auch dort gewinnen.

Glauben Sie, dass die Abwanderung der Wähler hin zum Bündnis Sahra Wagenknecht schnell spürbar wird?

Ich muss deutlich voranstellen, dass wir über ein Phänomen reden, das noch gar nicht da ist. Ich habe große Zweifel, dass Sahra Wagenknecht einen Organisationsapparat in den Kommunen, auf Landes- und Bundesebene aufbauen kann. Wird sie genug Mitstreiter und finanzielle Ressourcen finden? Nach einer Parteineugründung in den Bundestag einzuziehen, ist äußerst selten. Aber wenn sie es schafft, hat ihre Formation elektorales Potenzial. Dieses wird sich bei der kommenden Europawahl und den Landtagswahlen im Osten zeigen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die beiden Parteien zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen?

Sollte die Wagenknecht-Partei in Landtage oder Bundestage einziehen, wird es mit der Koalitionsbildung noch schwieriger. Mit ihr wird niemand koalieren wollen – ebenso wenig wie mit der AfD. Die AfD und Wagenknecht werden auch nicht zusammenarbeiten. Soziale Gerechtigkeit ist für Sahra Wagenknecht ein großes Anliegen, bei dem sie kaum eine Gemeinsamkeit mit der AfD hat.

Wenn eine Zusammenarbeit ausgeschlossen ist, könnte die Konkurrenz beider Parteien dazu führen, dass sich die AfD versucht abzugrenzen. Wie kann das aussehen?

Zunächst einmal sind rechtspopulistische Parteien sehr flexibel darin, programmatisch auf welchen Zug auch immer aufzuspringen, wenn es Erfolg versprechend scheint. Die AfD zeigt sich nach außen unbeeindruckt. Intern zerbrechen sich aber viele sicherlich die Köpfe darüber, wie sie mit der möglichen neuen Konkurrenz umgehen könnten. So könnte die AfD das Thema soziale Gerechtigkeit stärker akzentuieren. Man würde es ihr nur nicht so recht abnehmen.

Und eine weitere Radikalisierung?

Das glaube ich nicht, sie ist ja schon sehr weit nach rechts gerückt. In Thüringen und Sachsen-Anhalt ist sie vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. Viel weiter radikalisieren kann sie sich kaum noch.