Eine heikle Sache für das Verhältnis Stadt und Umland: der Wunsch der Stadt, dass sich Umlandgemeinden an den Kosten der Sanierung von drei Schulen in der Stadt (hier das DHG) beteiligen sollen. Foto: Pfannes

Wenn sich der Gemeinderat von Bösingen mehr als drei Stunden Zeit nimmt an einem lauen Oktoberabend, bleibt es nicht aus, dass sich Tops und Flops beinahe die Hand reichen, wenn über Windenergie, Kindergartenanbau, Ortsdurchfahrt, Schullastenausgleich und Eltern gesprochen wird.

Nicht nur draußen präsentieren sich die Blätter herbstlich bunt, auch im Ratszimmer in Bösingen geht es abwechslungsreich zu.

Windenergie – Flop

Es dauert halt seine Zeit, bis so eine von höchsten Politikebenen deklarierte Notwendigkeit wie den Bau von Windenergieanlagen in Baden-Württemberg in die Gänge kommt. Obwohl bereits mehr als zwei Jahre ins Land gegangen sind, seitdem der Bösinger Gemeinderat mehrheitlich sein Einverständnis erteilt hat für den Bau von drei Anlagen auf Herrenzimmerner Gemarkung, etwa 246 Meter hoch, zwei auf Privatgrund, eine auf Gemeindeland, überrascht es immer wieder, wenn die eine oder andere Vorschrift und somit die eine oder Behörde ein Anliegen hat. Aktuell darf sich der Gemeinderat mit kommunalen Ausgleichsflächen beschäftigen. Bauherr, die Firma Alterric, benötigt sogenannte Ablenkflächen von insgesamt 5,5 Hektar an Grünlandflächen. Generell: Ausgleichsflächen sind ein knappes Gut in der Gesamtgemeinde. Dies auch mit Blick auf das Windparkprojekt Bösingen.

Foto: Pfannes

Windenergie – Top

Bürgermeister Peter Schuster ist ein Mann der Kommunikation und will zeitnah auf die Ortsbauernvorstände zugehen, mit Landwirten das Gespräch suchen und im Kontakt mit der Firma Alterric bleiben. Es gibt vier Möglichkeiten, so der Schultes: kommunale Ausgleichsflächen wie vier erst im November auf neun Jahre verpachtete Flurstücke, private Eigentümer, die Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen, ein Maßnahmen-Mix, der zwischen der Anlage von Feldlerchenfenstern und der Gestaltung des Mastfußbereichs zum Schutz des Rotmilans variiert, sowie eine Kombination aus den drei genannten Möglichkeiten. Das Finanzielle klingt nicht unattraktiv. In anderen Fällen zahle die Firma Alterric durchaus etwa 1500 Euro pro Hektar für Pacht und Pflege im Jahr.

Kindergartenanbau – Top

Die Arbeiten haben begonnen. Die ersten beiden Pakete wurden und werden vergeben: neun Gewerke bereits in der Sommerpause, weitere sechs aktuell. Erfreulich gestalten sich dabei die Gesamtkosten. Die Kostenberechnung vom November 2022 betrug 999 600 Euro, der Kostenanschlag vom 26. September 987 633,05 Euro.

Dies, obwohl die seit Januar geltende Photovoltaikanlagenpflicht nun auch bei einem Anbau angewendet werden müsse, wie Architekt Harald Ganter (Ganter Architektur, Dunningen), berichtet. Diese Zusatzmaßnahme liegt bei 24 123,95 Euro. Während die Ausstattungen (Einbauküche, Möblierung, Außenspielbereich) zugelegt haben (von 61 880 auf 94 315,20 Euro), hat sich das Paket Bauwerk/Baukonstruktion verringert: von 564 060 Euro auf 505 474,13 Euro.

Der Anbau an den Kindergarten Bösingen hat begonnen und wird bis weit ins kommende Jahr andauern. Foto: Pfannes

Ziel ist, mit dem Rohbau vor dem schlechten Wetter fertig zu werden. Und generell die gesamte Maßnahme vor dem kommenden Kindergartenjahr abzuschließen. 175 000 Euro Ausgleichstockmittel, so Peter Schuster, sollen die Finanzierung im Jahr 2024 unterstützen. Dies im Zusammenhang mit der Waldgruppe, die gleichfalls die notwendig gewordenen zusätzlichen Kindergartenplätze schaffen soll.

Rottweil will Geld – Flop

Schullastenausgleich heißt der Oberbegriff. Die Stadt Rottweil will eine Vereinbarung mit etlichen Umlandgemeinden abschließen zur finanziellen Beteiligung eben jener an den Sanierungsmaßnahmen von drei Schulen. Für Bösingen bedeutet dies: Achertschule – Fertigstellung der Sanierung Mai 2023, zwei Schüler aus der Gemeinde, Ausgleichskosten 61 817 Euro; Droste-Hülshoff-Gymnasium – Ende 2024, 16 Schüler, 316 188 Euro; Albertus-Magnus-Gymnasium – erstes Quartal 2028, 25 Schüler, 353 084 Euro.

Doch 14 Gemeinden gehen nicht mit Rottweil d’accord und haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, federführend dabei sind Deißlingen, Dunningen, Zimmern und Wellendingen. Rottweil bezieht sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Dezember 2022.

Kreis- und Gemeinderat Rainer Hezel kann die Empfehlung des Gemeindetags, im Rahmen der sogenannten Freiwilligkeitsphase zu kooperieren, nicht nachvollziehen. Hezel: Die Schülerzahlen schwanken ja jährlich.

Und: Es geht ja auch um die Klärung des Schullastenausgleichs bei rückwirkenden Projekten. Ein Ziel der Umlandgemeinden deshalb: Schullastenausgleich nur für künftige Projekte und unter Mitsprachemöglichkeiten.

Wie verständlicherweise angemerkt wird, stehen nahezu überall Schulhaussanierungen an, und nicht nur Schulen in Rottweil haben Schüler von außerhalb. Kurz: Ein extrem heikles Thema.

Der Bösinger Gemeinderat beschließt seine grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme von Gesprächen, aber zuerst wird auf Erkenntnisse aus dem Rechtsgutachten gewartet.

Ortsdurchfahrt – Flop

Thomas Hoppe irritiert die Ortsdurchfahrt von Herrenzimmern. Nach einer gefühlten Spontansanierung des Landkreises wirkt der Ist-Zustand etwas unaufgeräumt. Bürgermeister Peter Schuster berichtet, dass es geheißen habe, am 10. Oktober sei alles beendet. Aber er wolle sich erkundigen, wie die Strategie der Entscheidungsträger aktuell aussehe.

Das Gastspiel in der Ortsdurchfahrt in Herrenzimmern wartet auf den dritten Akt und möge doch zeitnah weitergehen. Foto: Pfannes

Da dieses Vorhaben des Landkreises kurzfristig gekommen sei, habe es keine Gelegenheit gegeben, in einem Aufwasch 31 Sinkkästen auszutauschen. Deren Einbau in die Gullys soll das Klappern der darüberfahrenden Lkw beenden. Doch so ein Sinkkasten ist nicht billig. Mehr als 30 000 Euro kalkuliert derzeit die Verwaltung.

Ortsdurchfahrt – Info

Die komplette Sanierung der Ortsdurchfahrt in einem Rutsch erscheint utopisch. Angedacht war ja eine Straßenbelagssanierung bis zur „Sonne“ ab 2024 im Zusammenhang mit dem Bau der zweiten Einfahrt ins „Eschle“. Es ist sinnvoll, erst die Lage im Untergrund – Wasserleitung mit Blick auf immer wieder auftretende Rohrbrüche und Abwasserkanal – genau zu sondieren. Deshalb dürfte im Zusammenhang mit der zweiten Zufahrt ins „Eschle“ lediglich eine Belagsauffrischung bis zur Wiesenstraße möglich sein.

Mit Blick auf den „Masterplan Entwässerung“ dürfte ein Start in der Senke beim Friedhofweg sinnvoll erscheinen, so der Schultes, dann könne es Richtung Ortsausgang gehen und in einem weiteren Schritt Richtung Rathaus.

Weg zur Schule – Flop

Da ein Zebrastreifen in der Rottweiler Straße in Herrenzimmern in absehbarer Zeit Utopie bleiben dürfte, müssen andere Lösungen her. Gemeinderatsmitglieder erinnern an den Fußweg, der vom „Eschle“ Richtung Friedhof führt und mit Straßenlampen ausgestattet wurde (vor nicht allzu langer Zeit ein Wunsch einer anderen Elterngeneration). Weiter geht es dann am Friedhof vorbei Richtung Kirchstraße 2, zum Zebrastreifen in der Ortsmitte und schließlich direkt in die Schule und den Kindergarten.

Lampen erleuchten den Fußweg vom „Eschle“ Richtung Friedhof und weiter Richtung Zebrastreifen in der Dorfmitte Herrenzimmern. Foto: Pfannes

Somit würde das Queren der vielbefahrenen Rottweiler Straße aus Richtung Eschle oder Lupfenstraße in den frühen Morgen- und den mittleren Mittagstunden unterbleiben (sicher, dies wäre die kürzeste Strecke für kleine und große Füße vom „Eschle“ in die Ortsmitte) und somit eine potentielle Gefahr minimiert werden. Diese Anregung soll Eltern in der kommenden Woche gegeben werden.

Gebühren – ein Muss

Mit Blick auf Vorgaben und eine angestrebte Kostendeckung werden Abwassergebühr und Wasserzins erhöht. Das Abwasser um 40 Cent pro Kubikmeter (von 3,70 Euro auf 4,10 Euro), für die Kostendeckung dieses Haushalts wären 71 Cent erforderlich gewesen. Für Bürgermeister und Gemeinderat ein Unding. Der Wasserzins erhöht sich um 20 Cent (von 2,60 Euro auf 2,80 Euro). Dies gilt ab Haushaltsjahr 2024.

Um diese Erhöhung einordnen zu können, hat die Verwaltung berechnet, was diese 60 Cent für eine vierköpfige Familie bedeuten würde: im Schnitt 9 Euro pro Monat mehr, so der Bürgermeister.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang betrifft das Riesenprojekt Kläranlagenzusammenschluss – und ein Zuschussantrag, den die Gemeinde zum 1. Oktober 2024 stellen will und muss. Je höher der Kostendeckungsgrad bei Abwasser und Wasser ist, umso höher sollte der Zuschuss für das Mehrmillionen-Projekt ausfallen. Maximal gibt es 80 Prozent.

Nebenbei: All dies zeigt – wieder einmal –, dass den Verwaltungen die Arbeit nie ausgeht, solange es immer mehr gibt, was umgesetzt werden soll.

Gewerbesteuer – Top

Den aktuellen Zwischenstand nennt Kämmerin Elena Flindt. Erfreulich: 2,1 Millionen Euro bedeuten 600 000 Euro mehr, als im 2023er-Haushaltsplan kalkuliert und notiert.

Strompreis – Top

Gleichfalls eine gute Sache. Nach dem Schock vom Spätherbst 2022. Das Ergebnis der Bündelausschreibung, von dem Bösingen profitiert, da teilgenommen, reduziert die Kosten im Vergleich zum laufenden Jahr beträchtlich: von 329 000 Euro auf künftig 182 000 Euro (also minus 147 000 Euro). Beim Gas laute laut Schuster die Summe der Wenigerausgaben 174 000 Euro.

Kleiner Nebeneffekt: Die Lampen leuchten nachts nun 30 Minuten länger: bis 0.30 Uhr. Eine Überprüfung nach der Sitzung bestätigt das Gesprochene.

Kommunalwahl – Info

Es bleibt beim Bewährten: unechte Teilortswahl, 14 Gemeinderäte, je sieben Sitze für Bösingen (1763 Einwohner) und für Herrenzimmern (1636 Einwohner). Die Umrechnung der Einwohnerzahl auf die Sitzverteilung beträgt: 7,26 zu 6,73. Und als Wahllokal im Juni 2024 wird der Gemeinschaftsraum im Haus Josefine festgelegt.

Ein Geburtstag – Top

Das Beste kommt zum Schluss. Bernadette Stritt und Gudrun Müller, Bürgermeister-Stellvertreterinnen, sowie der gesamte Gemeinderat mit Kämmerin Elena Flindt und Hauptamtsleiterin Katharina Scheit, die an diesem Abend zur Eheschließungsstandesbeamtin (ein schönes deutsches Wort) bestellt wird, gratulieren Peter Schuster zu seinem 60. Geburtstag sehr herzlich.

Peter Schuster bedankt sich bei Gemeinderat und Mitarbeitern. Foto: Pfannes

Der Jubilar freut sich sichtlich und betont: „Ich schätze Ihre Wertschätzung total.“ Hochmotiviert und außerdem getragen von der Unterstützung seiner Frau und Familie, ist es sein Anliegen, „gemeinsam mit Ihnen für die Bürger und Bürgerinnen etwas zu bewegen.“ Der Beifall dauert lang.