Villingen-Schwenningen soll sogenannte "Stolpersteine" bekommen. Foto: Spitz/© MCM – stock.adobe.com/Montage: Köppel

Constanze Kaiser hält flammende Rede. ­Gemeinderat beschließt Verlegung mit 24 Ja-Stimmen.

Villingen-Schwenningen - Zum gefühlt x-ten Mal standen die Stolpersteine für VS am Mittwoch auf der Tagesordnung des Gemeinderates Villingen-Schwenningen. Doch einen entscheidenden Unterschied gab es: Dieses Mal sollten sie tatsächlich beschlossen werden.

Eine der jüngsten Stadträtin von Villingen-Schwenningen und Mit-Gründerin des Vereins Pro Stolpersteine VS, Constanze Kaiser, war es, die eine flammende Rede hielt und damit nicht nur den 23 Befürwortern und Antragstellern der Stolpersteine in VS aus dem Herzen sprach, sondern auch vielen Zuhörern und Beobachtern.

Es war mucksmäuchenstill im Saal, als die Grünen-Stadträtin zu ihren bedachten und würdevollen Worten ansetzte. Es sei ihr eine besondere Ehre, so Constanze Kaiser, diese Rede nun halten zu dürfen. Das sei ihr "auch persönlich außerordentlich wichtig".

Geschichten der Opfer gehen unter die Haut

"Als junge Schülerin besuchte ich im Rahmen eines Austauschprojektes mit einem polnischen Jugendorchester aus Katowice das Vernichtungslager in Auschwitz. Unsere polnischen Freunde rieten uns davon ab, da es eine zu große Belastung für uns junge Leute sei, aber für uns war es eine Selbstverständlichkeit, diesen Teil unserer gemeinsamen Geschichte kennenzulernen. Diesen Besuch werde ich wohl nie vergessen." Eindrucksvoll schilderte Kaiser im Folgenden das Grauen, "die arbeitsteilig geplante und industriell durchgeführte Ermordung". In einem "Vernichtungslager wie Auschwitz" werde einem dies "in besonderer Intensität bewusst".

Auch die Geschichten der Opfer hier in der Stadt Villingen gehen unter die Haut und können, so Kaiser, Geschichte ganz nahe bringen. Etwa die Geschichte von Edith Boss, "die zur St. Ursula-Schule ging und dem Schwimmclub angehörte, bis Juden das Villinger Schwimmbad nicht mehr betreten durften". Edith Boss wurde nach Lettland verschleppt.

Oder die Erlebnisse der Familie Schwarz mit ihren drei Kindern. "Alle drei überlebten, weil ihre Eltern sie rechtzeitig in die Schweiz brachten. Die Eltern wurden jedoch mit weiteren Familienmitgliedern im Oktober 1940 nach Gurs deportiert und letztlich in Auschwitz ermordet."

"Es ist geschehen und es kann wieder geschehen"

Viele weitere Beispiele erinnerten daran, "welche Hölle Menschen aus unserer Stadt durchleben mussten". Weil sie nicht vergessen werden dürften und um vorzukehren und aufzuklären, wolle man künftig auch die Villingen-Schwenninger und ihre Besucher über diese Geschichte(n) stolpern lassen. Denn, so zitierte Constanze Kaiser den Auschwitz-Überlebenden Primo Levi: "Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen."

Aus vollem Herzen appellierte Kaiser an die Kollegen, dem Antrag zuzustimmen. Nur eine Fraktion wandte sich in der der Rede folgenden Aussprache dagegen: die AfD. Jürgen Schützinger von der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLHV) sah in den Stolpersteinen eine Propaganda-Aktion.

Das Gros des Gemeinderats aber, 24 Stadträte, stimmte am Ende zwar für die Verlegung von Stolpersteinen in Villingen-Schwenningen – 14 jedoch, viele davon auch von CDU und Freien Wählern, stimmten dagegen, Klaus Martin (CDU) enthielt sich.