Foto: Marc Eich

Kampf ums Überleben befürchtet. Hoffnung auf Rückkehr der Kunden nach Krise. Mit Video und Kommentar

Villingen-Schwenningen - An vielen Geschäften sind die Gitter heruntergelassen, Inhaber informieren ihre Kunden, dass sie wegen des Coronovirus geschlossen haben. Vom 18. März bis "zum: nicht bekannt" heißt es in einem Schaufenster. Die Szenarien in Villingen und Schwennigen gleichen sich: Nur noch in Lebensmittelgeschäften, Drogeriemärkten und Apotheken drängen sich die Kunden.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

In manchen Straßencafés in Villingen genossen die Besucher am Mittwoch die Sonnenstrahlen in bester Laune, ungetrübt von der aktuellen Lage. Vereinzelt haben auch Geschäfte auf, die nicht zur Grundversorgung zählen. Ein Blumenhändler bringt bunte Sträuße und blühende Pflanzen zum Schleuderpreis unter die Leute, damit sie nicht im Laden dahinwelken.

Geschäfte setzen auf Bestell- und Lieferservice

Vor verschlossenen Türen standen die Kunden am Mittwoch bei der Post im Modepark Röther. Die Stadt wolle einwirkend tätig werden, um eine Lösung zu finden, teilte Oxana Brunner, Pressesprecherin der Stadt, mit.

Fragen & Antworten: Was ist jetzt überhaupt noch erlaubt?

Die Information, dass er schon am Mittwoch und nicht erst ab Donnerstag die Türen dicht machen muss, ist zu Alexander Hagin vom Kleidergeschäft Enigma Mode nicht vorgedrungen. Die Stadt habe ihn bisher nicht informiert. Doch viel los sei ohnehin nicht mehr, so drehe er nach zwei Terminen am Nachmittag den Schlüssel um, erklärt er. Und fragt, wie es wohl weitergeht mit ihm und den Angestellten, ob es tatsächlich finanzielle Unterstützung gibt, müsse er die kommen den Wochen doch weiter Miete zahlen. Die laufenden Kosten treiben viele Händler um, da ist der Appell an die Vermieter zu hören, ihnen in dieser schwierigen Zeit entgegenzukommen und auf einen Teil des Geldes zu verzichten.

Statement zur Lage von OB Jürgen Roth (Quelle: Facebookseite von Jürgen Roth)

Vielen Geschäften im Schwenninger City Rondell brechen ebenfalls die Einnahmen weg. Die Apotheke ist geöffnet, Lebensmittel, Drogerieartikel und Zeitungen sind erhältlich. "Wir nehmen unsere Rolle als Nahversorger sehr ernst und setzen alles daran, unserer Verantwortung gegenüber Mietern und Kunden auch unter den derzeit erhöhten Sicherheits- und Hygienemaßnahmen bestmöglich nachzukommen", betont Centermanagerin Sarah Hildbrand. Sicherheit und Gesundheit von Kunden wie Mitarbeitern hätten oberste Priorität. "Daher wird unser gezielt eingewiesenes und sensibilisiertes Sicherheitspersonal dafür Sorge tragen, dass sich Personen nur zum Zwecke der Nahversorgung im Center aufhalten. Unnötige Ansammlungen von Menschen wollen wir so auf ein Minimum reduzieren", schildert sie das strikte Vorgehen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Damit gerade Menschen mit einem erhöhten Risiko erst gar nicht für tägliche Besorgungen vor die Türe müssen, bietet beispielsweise der Villinger Cap-Markt einen Lieferservice an. Nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie, allerdings sei die Nachfrage in den vergangenen Tagen sichtlich gestiegen, sagt Marktleiterin Michaela Fahl. Gerade auch von auswärts gebe es Anrufe, wenn sich erwachsene Kinder um ihre Eltern sorgen. Bestellungen seien sowohl direkt im Laden als auch telefonisch möglich, dienstags und freitags bringe der Fahrer die Einkäufe zuhause vorbei. "In haushaltsüblichen Mengen", fügt Michaela Fahr hinzu. Jetzt sei Vernunft gefragt – und Geduld, bis die Waren wieder ausnahmslos zur Verfügung stehen, "alle geben bei den Nachlieferungen ihr Bestes". Die meisten Kunden seien sehr verständnisvoll, unterstreicht die Marktleiterin. Bald kehre hoffentlich wieder der übliche Rhythmus ein.

Die tägliche Routine fällt für Sabine Hauser von der Villinger Buchhaltestelle weg: Sie hat sich ins Homeoffice zurückgezogen und macht sich in den sozialen Medien für die Unterstützung des lokalen Handels stark. Schon seit Tagen hat sie sich auf die drohende Schließung vorbereitet und ihren Direktservice ausgebaut, Flyer entwickelt und diese weit verbreitet. Jetzt nimmt sie Bestellungen per Telefon und E-Mail entgegen, kümmert sich um die Auslieferung und hält online Kontakt zu den Kunden. Viele hätten sich schon mit Büchern für die nächsten zwei bis drei Wochen eingedeckt, hat sie beobachtet. Und sie habe Zuspruch von vielen erfahren, die den Handel nicht im Stich lassen wollen. Dies sei zum Überleben auch dringend notwendig.

Lebensqualität bricht in Innenstädten weg

Bestmöglich wolle der Gewerbeverband Oberzentrum (GVO) den Mitgliedern zur Seite stehen, versichert Geschäftsführer Carsten Dörr. Der Verband stehe in ständigem Kontakt mit der Stadtverwaltung, deren Krisenstab, der Industrie- und Handelskammer sowie weiteren Partnern. Neben Informationen gehe es auch um Ideen, wie sich die Geschäftsinhaber der Krise stellen könnten.

Denn die Einzelhändler blicken besorgt in die Zukunft. Wenn die Corona-Krise die Geschäfte länger lahm lege, seien Insolvenzen zu befürchten, erklärt Tanja Broghammer, zweite Vorsitzende des Spartenvorstandteams Handel und Gewerbe Villingen im GVO. Sie und ihre Kollegen hätten die Situation zwar schon seit Tagen auf sich zu kommen sehen, aber dennoch seien alle jetzt bestürzt. Das Lager von Mode Broghammer sei prall gefüllt mit der Ware für den Frühling, stellt die Geschäftsführerin fest, alle hätten sich auf den Verkaufsstart im Frühjahr gefreut, auch den Mitarbeiter falle die Schließung schwer. Zumal keiner wisse, wann er wieder im Laden stehen könne. Sie hoffe, dass sich angesichts geschlossener Geschäfte alle Gedanken machen, was ihnen der Einzelhandel wert ist, und sehen, wie viel Lebensqualität in diesen Tagen wegbricht.

Ebenso traurig stimmt Tan ja Broghammer die Absage des Innenstadtfests am Samstag, 4. April. Gemeinsam habe der Handel ein tolles Programm zusammengestellt, die Suche nach einem Ersatztermin laufe. "Und dann feiern wir ein Freudenfest", gibt sie die De vise aus. Sobald die Herausforderung überstanden ist, würde sie sich freuen, wenn alle wieder aufmachen, größere wie kleinere Geschäfte, und die Bürger in Villingen und Schwenningen Lust zum Bummeln und Einkaufen haben.

Kommentar: Solidarität

Von Martina Zieglwalner
 
In den Innenstädten in Villingen und Schwenningen ist es an einem der ersten Frühlingstage im Zeichen der Corona-Krise unheimlich still, kaum ein Café ist offen, die meisten Geschäfte sind geschlossen. Gastronomie und Einzelhandel trifft die Schließung hart. Existenzen stehen auf dem Spiel und da mit Arbeitsplätze, hinter denen ganze Familien stehen. Die Riesen des Onlinehandels wittern das große Geschäft. Doch da ist die Solidarität eines jeden mit dem Einzelhandel gefragt. Zum einen gibt es Geschäfte in der Region, die selbst einen Bestell- und Lieferservice bieten. Zum anderen lässt sich manche Anschaffung sicher verschieben, bis die Ladeninhaber wieder ihre Türen öffnen dürfen. Dann sind sie um so mehr auf Kunden angewiesen, um zu überleben, damit das Szenario dieser Tage nur vorübergehend ist und die Fußgängerzonen nicht gespenstisch leer bleiben.