Zwei Muslimas mit Burkini in einem Hallenbad in Villingen-Schwenningen haben die Gemüter erregt: Bei Facebook gab es rund 800 Kommentare dazu. Foto: Haid

Vorfall in VS löst Aufregung in sozialen Netzwerken aus. Laut islamischer Gemeinde "wahrscheinlich Einzelfälle".

Villingen-Schwenningen - Zwei Muslimas tauchen in einem Hallenbad mit Burkini auf – und lösen in den sozialen Medien eine digitale Welle von Reaktionen aus: Nach der Berichterstattung im Schwarzwälder Boten sind unter dem betreffenden Facebook-Post mehr als 800 Kommentare aufgelaufen. "Muss jeder selbst wissen was er anziehen will... Wozu die ganze Aufregung?", beschwichtigt etwa Manuel S., während Beate R. auf den Tisch haut: "Sie sollten sich einfach anpassen oder fern bleiben, basta. Andere Länder andere Sitten." Und Sezer D. fühlt sich in die Situation der beiden Badegäste ein: "Hat sich mal jemand gefragt wie die beiden sich wohl gefühlt haben? Die sind hin um sich einen schönen Tag zu machen und was passiert pure Diskriminierung!!!". Wohingegen Nicole R. bekräftigt: "Ich finde die Aufregung völlig gerechtfertigt. Es gehört einfach nicht in unsere Kultur."

Diskussion auf Facebook mitverfolgen:

Und wie kommentiert die Türkisch Islamische Gemeinde (Dtitib) Villingen-Schwenningen? Für deren ersten Vorsitzenden, Necip Karadaban, sind die beiden Muslimas mit Burkini "höchstwahrscheinlich Einzelfälle". Gelassen regiert er auf die Anfrage des Schwarzwälder Boten: Seit er neun Jahre alt ist, lebe er in Deutschland. In seiner eigenen Familie – er hat eine Tochter – sei das Thema Burkini noch nie aufgekommen. Während viele Facebook-User die Diskussion darüber aus der emotionalen Reserve lockt, bleibt Karadaban eher nüchtern: "Deutschland hat eigene Gesetze. Daran muss man sich halten. Ich habe vor der deutschen Lebensart großen Respekt." Zudem gebe es "ganz bestimmt Vorschriften in den Bädern und dementsprechend muss man sich auch verhalten". Die beiden Burkini-Trägerinnen sorgen innerhalb der Ditib offenbar aber keineswegs über Diskussionsstoff – die beiden Muslima seien nicht Mitglied der Türkisch Islamischen Gemeinde VS.

Kein direkter religöser Bezug

Anders als der Ganzkörper-Badeanzug auf den ersten Blick vermuten lässt, hat der Burkini offenbar keinen direkten religiösen Bezug. "Im Islam gibt es keine Kleidervorschriften, sowohl für Männer als auch für Frauen", erklärt Fatih Sahan, Islamwissenschaftler und Landeskoordinator des Ditib-Landesverbands Baden, zu dem auch  die Gemeinde in Villingen-Schwenningen gehört. Fatih weiter: "Art und Weise der Kleidung werden je nach Region und Kultur unterschiedlich interpretiert."

Der islamische Theologe hat indes eine ganz andere Perspektive auf die beiden Muslima mit auffälliger Badekleidung: "Wenn die muslimischen Frauen zum Hallenbad im Burkini gehen wollen, sollte das als Zeichen der Integration gesehen werden, weil sie als Bürger unseres Landes mit ihrer eigenen Religiösität am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen." Man solle "akzeptieren und tolerieren, wenn jemand Burkini trägt. Das stört niemanden".

Wie handhaben es andere Schwimmbäder?

Wirklich niemanden? Der Schwarzwälder Bote hat bei den größeren Schwimmbädern der Region nachgefragt. Aquasol in Rottweil, badkap in Albstadt, Panoramabad in Freudenstadt und Badeparadies in Titisee-Neustadt berichten auf Nachfrage übereinstimmend: Frauen im Burkini betreten diese Bäder nur selten. Tobias Degout, Geschäftsführer des Freudenstädter Bads, spricht etwa von "einmal im Monat". Beschwerden der westlich gekleideten Gäste seien bei ihm noch nicht angekommen.

Das ist offenbar aber nicht überall so. Eine Sprecherin des Aquasol in Rottweil berichtet etwa: "Nicht alle Badegäste sind damit einverstanden und fragen nach, ob der Burkini überhaupt erlaubt ist." Aus Titisee-Neustadt heißt es ebenso: "Burkinis werden nicht immer als ordnungsgemäße Badekleidung angesehen."

Tatsächlich gibt es in den befragten vier Hallenbädern kein Verbot von Burkinis. In der Badeordnung sei von "ordnungsgemäßer Badebekleidung" die Rede – und das schließe des Ganzkörperbadeanzug nicht aus. Tobias Degout erklärt: Verboten seien etwa Baumwoll-T-Shirts oder Stoffunterwäsche: Einerseits würde mehr Chlor zur Desinfektion des Wassers benötigt und zudem sei der Wasserverlust größer, weil sich die Stoffe stärker mit Wasser vollsaugten.

Burkinis sind daher wohl auch weiterhin erlaubt.