Am 31. Januar äußerte sich Martin Rothweiler im Internet in einer Weise, die Anstoß erregt. Foto: Screenshot/Bearbeitung: Köppel

Stadtrat Martin Rothweiler eckt mit Äußerung über paritätische Listen für Landtag in Brandenburg an. Mit Video und Kommentar

Villingen-Schwenningen - In einem Land, das gerade 100 Jahre Frauenwahlrecht feiert, sitzt er für die Alternative für Deutschland im Gemeinderat Villingen-Schwenningen und steht dem Kreisverband Schwarzwald-Baar der AfD vor: Martin Rothweiler. Doch jetzt lässt der AfD-Mann aufhorchen: Er schreibt von "Tittensozialismus" und eckt damit an.

Es ging um paritätische Listen für den Landtag in Brandenburg, wonach die Parteien ihre Kandidatenlisten für das Parlament künftig zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzen müssen. Ein Vorschlag, der dem AfD-Kreisvorsitzenden in der Region Schwarzwald-Baar, Martin Rothweiler, missfällt. In Brandenburg entscheide "ab 2020 die persönliche Ausstattung mit Geschlechtsteilen – offen verfassungswidrig – darüber, ob man im Landesparlament landet oder nicht", schrieb er auf seiner Facebook-Seite am 31. Januar und ging einen drastischen Schritt weiter, das sei, so Rothweiler, "mit einem Wort: Tittensozialismus."

Breuning: "gewöhnlich, gemein, niedrig"

Ein Ausdruck, der nicht nur seine Kritiker, sondern auch andere Gemeinderäte aufhorchen lässt. Der Schwarzwälder Bote hat sich umgehört bei Fraktionssprechern und Frauen im Stadtparlament: Darf sich ein Gemeinderat so äußern?

Renate Breuning, Grande Dame der VS-Kommunalpolitik und Fraktionssprecherin der CDU im Gemeinderat sieht Rothweiler durch diese Äußerung als "gewöhnlich, gemein, niedrig" geoutet. Schließlich sei der Begriff "Titten" als Bezeichnung der weiblichen Brust der Vulgärsprache zuzuordnen; "Damit entlarvt der Gebrauch eines solchen Begriffes den Verwender als vulgär, also laut Duden ›gewöhnlich; gemein; niedrig‹", so Renate Breuning. Insofern sei es "doch gut, dass sich ein Protagonist der AfD selbst als gewöhnlich, gemein, niedrig outet!" Auch die mangelnde Wertschätzung von Frauen durch Vertreter der AfD komme zum Ausdruck, indem Frauen auf dieses Geschlechtsmerkmal reduziert werden. "Wie so oft: Eine Aussage sagt mehr aus über den Urheber, als der Inhalt der Aussage selbst", so Breuning.

Elif Cangür, Gemeinderätin der Grünen, bekam gar eine Gänsehaut beim Lesen von Rothweilers Äußerung. Sie fordert, Martin Rothweiler möge sich "gefälligst bei allen Frauen umgehend entschuldigen". Mit solchen Äußerungen werden in ihren Augen Frauen jeden Alters, jeder Hautfarbe und Religion, aller Berufe und in allen Ländern der Welt diskriminiert. "Jetzt darf nicht ein AfD-Mann kommen und unsere europäischen Werte aufs Spiel setzen und das Wort ›Tittensozialismus‹ benutzen!" Rothweiler habe offenbar "etwas nicht verstanden", glaubt Cangür und erklärt: "Wir haben zwar Meinungsfreiheit aber keine Diskriminierungsfreiheit oder Beleidigungsfreiheit." Helga Baur, ebenfalls Stadträtin der Grünen, ist empört: "Rothweiler verunglimpft hier mehr als die Hälfte der Bundesbürger, indem er Frauen auf ihre Geschlechtsmerkmale reduziert und gleichzeitig die kleinere Hälfte der Deutschen, nämlich die Männer, als Opfer hinstellt. Wie erbärmlich!"

20 Männer, 20 Frauen – "weil das richtig ist"

Absolut "unterirdisch" findet ihre Fraktionskollegin Cornelia Kunkis-Becker die Äußerung. Obgleich in diesen Tagen 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert werde, zeige die Debatte um das "Parité-Gesetz" in Brandenburg und Bayern, "dass wir noch ein Stück des Weges vor uns haben". Äußerungen wie die zum "Tittensozialismus" von Rothweiler seien "geradezu beschämend", sie "spornen uns eher noch mehr an, um für die Hälfte der Macht zu kämpfen", meint Kunkis-Becker, die überzeugt ist: "Wenn mehr Frauen in Betrieben, Teams und Parlamenten sind, wird der Umgangston ein anderer sein."

Der Grünen-Fraktionssprecher Joachim von Mirbach fragt sich: "Welche Horde von Primaten will er damit beeindrucken?" Wenn ein Mitglied des Gemeinderates sich so äußere, "entblößt er seine schlechte Kinderstube, muss fortan als ›schwanzgesteuert‹ angesehen werden und hat offenbar panische Angst vor politisch engagierten Frauen". Die Grünen würden bei der Kommunalwahl den Wählern paritätisch 20 Frauen und 20 Männer zur Wahl anbieten – "weil das richtig ist". Frank Bonath von der FDP wollte Rothweilers Äußerung nicht kommentieren, ist aber gespannt, "mit wie vielen Frauen die AfD auf den Kommunalwahllisten bei uns in VS antreten wird". Andreas Flöß (Freie Wähler) gibt zu: "Ich finde so eine Quotierung, ehrlich gesagt, auch nicht gut", und weiter: "was ich aber auch nicht gut finde, ist die Wortwahl des Kollegen, das ist deplatziert!"

Schurr: "Wann geht bei ihm die Sonne auf?"

Für Edgar Schurr (SPD) ist Rothweilers Wortwahl "nicht nur vulgär und sexistisch, sondern auch frauenverachtend". Offensichtlich sei die AfD mit ihren Protagonisten "sehr weit davon entfernt, in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen zu sein". Schurr selbst billige jedem zu, eine eigene Horizontlinie für sich zu beanspruchen – "die Frage bleibt dann nur, wann geht beim Betreffenden die Sonne auf?" Er selbst würde "eine solche Person allein schon aus diesem Grund nicht wählen" und hätte nichts dagegen, "wenn die Wählerschaft sich durch solche Persönlichkeiten im Gemeinderat auch nicht vertreten wissen will."

Kommentar: Mannomann!

Von Cornelia Spitz

Frauenquoten? Kann man machen, muss man aber nicht. In dieser – glücklicherweise fortschrittlichen – Zeit leben viele starke Frauen, die ihren Weg gehen; mit, aber auch ohne Quoten. Man mag also zur Quotenfrage in der Politik stehen, wie man will, eines geht gar nicht: eine Äußerung, wie sie nun der AfD-Gemeinderat Martin Rothweiler getätigt hat. Ich gebe ihm Recht: Niemand hindert Frauen daran, sich zu engagieren oder für ein politisches Amt zu kandidieren. Die Diskussion über das Parité-Gesetz aber hat trotzdem ihre Berechtigung angesichts der Stagnation in gesellschaftlichen Fragen wie dem noch immer geringeren Verdienst von Frauen gegenüber Männern in gleichwertigen Positionen. Ob die Lösung dieser Probleme eine Frauenquote in der Politik ist, sei dahingestellt. Polemische Äußerungen wie Rothweilers "Tittensozialismus" aber sind es nicht – im Gegenteil!