Rund eine Woche noch, dann wählt die Mitgliederversammlung einen neuen Präsidenten. Wolfgang Dietrich bilanziert seinen bisherigen Wahlkampf und kündigt schnelle Maßnahmen an, sollte er ins Amt kommen.
Stuttgart - Es ist ja nicht so, dass Wolfgang Dietrich eine Notwendigkeit gesehen hätte, seinem Leben noch eine wochenlange Studienreise hinzuzufügen. Doch am 15. August ist er trotz allem noch einmal aufgebrochen – und rund eine Woche, bevor er zum neuen Präsidenten des VfB Stuttgart gewählt werden will, bilanziert er: „Die vergangenen Wochen waren sehr lehrreich. Jede Veranstaltung hat mich schlauer gemacht.“
Der 68-Jährige hat, nachdem seine Kandidatur offiziell war, wenig ausgelassen im und um den VfB. Mit Verantwortlichen von rund 140 Fanclubs kam er in Kontakt, den verschiedenen Abteilungen des VfB hat er sich vorgestellt, dem Ehrenrat hat er einen Besuch abgestattet, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle kennen nun ebenso sein Gesicht wie verschiedene Interessensgruppen rund um den Verein. Im Rahmen der Reihe „VfB im Dialog“ stellte er sich dann am Donnerstagabend noch den Fragen der Mitglieder. Wie er all das empfunden hat? „Ausnahmslos kritisch-positiv.“ Was auch zeigt: So ganz einfach ist es nicht, eine Woche vor der Mitgliederversammlung die Stimmung zu beschreiben.
DFL gibt grünes Licht
Die kritischen Themen sind besprochen – wobei Dietrichs Rolle als ehemaliger Sprecher des Bahnprojekts S 21 recht schnell keine ganz große Rolle mehr gespielt hat. Viel mehr beschäftigte die VfB-Gemeinde, ob es Interessenskonflikte gebe, da Dietrich viele Jahre sein Geld als Darlehensgeber in der Profibranche tätig war. Die Quattrex AG führt mittlerweile Dietrichs Sohn Christoph, der Firmengründer hält noch 14 Prozent der Anteile – schließt aber jegliche Verquickung von Amt und früherem Geschäftsfeld aus. Am Donnerstag erklärte dann auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL), man sehe in der möglichen Konstellation kein Problem.
Formal ist damit geklärt, was Dietrich in den vergangenen Wochen wieder und wieder kundtat. In zahlreichen persönlichen Gesprächen konnte er punkten und auch bisherige Kritiker überzeugen. Dietrichs Zuversicht ist zuletzt gestiegen. Beschlossene Sache ist seine Wahl am 9. Oktober deshalb aber noch lange nicht.
Der Kandidat baut vorerst auf das bestehende Team
Vielerorts herrscht Uneinigkeit, eine Menge Mitglieder sind unentschlossen, dazu gibt es nach wie vor Gruppierungen, deren Ablehnung auch weitere Gesprächsangebote nicht ändern würden. Sie nennen Dietrich einen „Spalter“, der den Verein nicht einen könne. Der Kandidat kontert: „Ich bin das Gegenteil eines Spalters.“ Und argumentiert mit seiner beruflichen Vergangenheit: Wer es als Unternehmer nicht verstehe, Mitarbeiter mitzunehmen, sei „innerhalb von vier Wochen pleite“. Dietrich sagt aber auch: „Man darf als Präsident Entscheidungen nicht wegdelegieren. Wir brauchen ein starkes Führungsteam.“
So will er den VfB aus dem Tal der Tränen führen, für den Fall seiner Wahl kündigt er schnelle Maßnahmen an. Zum Beispiel: Mitgliederausschüsse noch in diesem Jahr – unabhängig davon, ob der vorgeschlagenen Satzungsänderung zugestimmt wird. Die Jugendarbeit kommt auf den Prüfstand, soll mit eigenen Geldgebern auf Vordermann gebracht und in der Clubführung stärker verankert werden. Im Rahmen einer „Geschäftsordnung“ sollen Stellenbeschreibungen präziser definiert und Verhaltensregeln aufgestellt werden. Um Stabilität im Verein zu gewährleisten will Dietrich zunächst auf das bestehende Mitarbeiter-Team setzen.
Mit diesen Vorsätzen biegt Wolfgang Dietrich nun auf die Wahlkampf-Zielgerade ein, allen Kritikern stellt er die Frage: „Will ich etwas gestalten oder es einfach zusammenschlagen.“ Für sich hat er die Antwort längst gegeben. Die der Mitglieder steht noch aus.