Am Ende entscheiden die Mitglieder über die Ausgliederung Foto: dpa

Die Ausgliederungspläne des VfB Stuttgart werden mehr und mehr greifbar – nun auch mit einer Summe, die die Daimler AG als erster Investor bereit wäre zu zahlen. Auch weitere Details wurden nun bekannt. Daimler wiederum erklärt seine Beweggründe.

Stuttgart - Man kann von Wolfgang Dietrich ja halten, was man will. Eines kann man dem Präsidenten des VfB Stuttgart aber keineswegs vorwerfen: dass er in einer abwartenden Haltung verharren würde. Man erfährt viel über den Vorwärtsdrang des 67-Jährigen, wenn man mit den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle des Clubs spricht. Beim Redaktionsbesuch unserer Zeitung am Mittwoch liefert das Vereinsoberhaupt weitere Belege. Wo geht’s lang? Wo findet die Konferenz statt? Wo gehen wir jetzt hin? Wolfgang Dietrich ist nur schwer zu bremsen. Schon gar nicht bei einem Thema, das ihn umtreibt, seit er seine Wahl zum VfB-Präsidenten am 9. Oktober 2016 angenommen hat: die mögliche Ausgliederung der Profisparte.

Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Stefan Heim (Finanzen) und Jochen Röttgermann (Marketing) ist Dietrich nach Stuttgart-Möhringen gekommen – und nicht ohne frohe Kunde für den VfB. Jedenfalls sind dem VfB-Präsidenten Stolz und Zufriedenheit anzumerken, als er verkünden kann, dass aus einer jahrzehntelangen Anbahnung nun eine Partnerschaft „auf einer ganz anderen Ebene“ werden könnte. Es geht – wie gesagt – um die mögliche Ausgliederung der Profikicker in eine Aktiengesellschaft. Und es geht um die Daimler AG, die verbindlich zugesagt hat, als erster Investor einzusteigen, wenn es das Votum der Mitglieder am 1. Juni erlaubt. Mit einem Investment von 41,5 Millionen Euro.

„Wir sind unheimlich stolz darauf, dass wir Nägel mit Köpfen machen konnten“, sagt VfB-Chef Wolfgang Dietrich zu der in den vergangenen Tagen unterzeichneten Vereinbarung. Und Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, erklärt dazu: „Wir bei Daimler wissen: Gerade in Zeiten, in denen es nicht rund läuft, gilt es weiter hart zu arbeiten, mutige Entscheidungen zu treffen – und immer an den Erfolg zu glauben. Was auch hilft, ist die Unterstützung von starken Partnern.“ Ein solcher wäre der Autobauer als Anker-Investor (11,75 Prozent der Anteile) und als mögliches Zugpferd für andere interessierte Partner. Vier bis fünf davon will der VfB in den nächsten drei Jahren für sich gewinnen.Insgesmt wollen die Strategen aus dem weiß-roten Haus so 100 Millionen Euro generieren. „Jetzt ist klar, dass wir keine Luftschlösser gebaut haben, als wir dieses Ziel genannt haben“, sagt Dietrich.

Warum investiert Daimler in den VfB?

Der Verein war mit einer neuen Berechnung seines Unternehmenswertes in die Verhandlungen mit der Daimler AG gegangen. Nach dem erfolgreichen Abschluss würde dieser Wert im Anschluss an die Investition des Autobauers bei mehr als 350 Millionen Euro liegen. Möglich macht dies auch der ab der nächsten Saison geltende lukrative TV-Vertrag sowie der aktuelle Zuspruch der Mitglieder (9250 neue seit dem Abstieg) und Zuschauer. „Der VfB ist ein sportliches Symbol dieser Region“, sagt der Clubpräsident. Das Engagement der Daimler AG darf entsprechend als Standort-Marketing gesehen werden.

„Daimler ist dem VfB seit mehr als 100 Jahren eng verbunden“, sagt Zetsche, „wir sind davon überzeugt, dass die neue Vereinsführung, die Spieler und die Fans dafür sorgen werden, dass wir auf der Mercedesstraße bald auch wieder große sportliche Erfolge feiern können.“ Neben der neuen Rolle als Investor würde Daimler sein Engagement als Hauptsponsor (Mercedes-Benz Bank) noch ausbauen.

Stimmen die Mitglieder gegen die Ausgliederung, läuft der Sponsoring-Vertrag des VfB mit der Mercedes-Benz-Bank wie vereinbart noch zwei weitere Jahre unverändert weiter. Wichtig ist zudem: die genannten Konditionen gelten nur im Falle eines Aufstiegs des VfB in die Bundesliga. Gelingt dieser nicht, würde Daimler im Falle einer Ausgliederung vorerst nur fünf Prozent der Anteile für 10,5 Millionen Euro erwerben. Dietrich erhofft sich durch das Geld der Investoren nach sportlich und wirtschaftlich mageren Jahren eine Anschubfinanzierung, um sich nach einem möglichen Aufstieg schnell wieder in der Bundesliga etablieren zu können.

Noch notwendiger sei die Finanzspritze von außen im Falle eines weiteren Jahres in der zweiten Liga. Das Geld soll „ausschließlich in den Sport“ fließen, betont der Vereinspräsident, meint damit aber auch die Verbesserungen der Trainingsbedingungen und die Nachwuchsabteilung. Dietrich verspricht: „Wir würden mit dem Geld vernünftig umgehen und wollen den Verein damit nachhaltig weiterentwickeln.“ Doch genau in diesem Punkt kommen manch einem Mitglied und Fan Zweifel.

Wie sollen Transferflops verhindert werden?

Schließlich hatten in den vergangenen Jahren auch riesige Transferüberschüsse nicht nachhaltigen Erfolg gebracht. Nun soll ein Vier-Jahres-Plan die Chance erhöhen, dass Kosten und Nutzen wieder in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Entscheidungen über Transfers werden breit diskutiert, für mögliche neue Spieler gibt es ein klares Profil. „Wir wollen Werte schaffen“, sagt Vorstandsmitglied Jochen Röttgermann. Eine Ausgliederung, so die Argumente der Clubführung, würde eine Planungssicherheit schaffen, die es so zuletzt nicht mehr gab.

Hochgerechnet rund 240 Millionen Euro beträgt laut einer Analyse von Finanzvorstand Stefan Heim in den kommenden vier Jahren der Mehrbedarf für die Rückkehr des VfB ins obere Tabellendrittel der Bundesliga gegenüber den aktuellen Etatzahlen. Folgeeffekte (TV-Gelder, Sonsoring, Merchandising) nach dem Verkauf von 24,9 Prozent der Anteile der VfB AG und steigendem Erfolg könnten die dann noch fehlenden 140 Millionen Euro einspielen. Kritiker einer Ausgliederung befürchten, der Verein lege sein Schicksal in die Hände der Investoren, mache sich abhängig und riskiere die stete Einmischung von Geldgebern. Diese Sorge versucht Dietrich den Mitgliedern zu nehmen: „Die Daimler AG hat keinerlei Interesse daran, ins operative Geschäft einzugreifen.“

Klar ist aber auch: Das Unternehmen würde als Investor und Hauptsponsor zwei von neun Mitglieder im Aufsichtsrat der AG stellen. Das Präsidium des Vereins entsendet ebenfalls zwei Mitglieder ins Kontrollgremium und bestimmt als Mehrheitseigner (75,1 Prozent) über die weiteren Aufsichtsräte entscheidend mit. „Der eingetragene Verein“, versichert der VfB-Boss, „würde stärker sein als vorher.“

Das ist das Ziel – es zu erreichen wird nicht einfach, 75 Prozent der anwesenden Mitglieder müssen auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung zustimmen. Weshalb Wolfgang Dietrich weiter nach vorne marschiert. Mehr als 20 Veranstaltungen besucht er noch bis zum 1. Juni. Das Motto dabei: „Information schafft Vertrauen.“ Die verbindliche Zusage der Daimler AG soll den Rückenwind noch verstärken.

Eine noch größere Wirkung hat in der Branche allerdings meist der sportliche Erfolg. Weshalb auch dem 21. Mai immense Bedeutung zukommt. Dann will der VfB Stuttgart zurück sein in der Bundesliga.