Im Vorfeld von Gemeinderatssitzungen sollte nicht mehr unabhängig berichtet werden können. Das regelte eine neu erlassene Geschäftsordnung. Nach deutlichem Protest rudern Bürgermeister und Gemeinderat jetzt zurück – und bedauern den Vorfall.
Der St. Georgener Gemeinderat rudert bei seiner Regelung zur Presseberichterstattung im Vorfeld von Gemeinderatssitzungen zurück. Nach dem scharfen Protest beider in der Bergstadt ansässigen Medienhäuser ist die entsprechende Passage in der Geschäftsordnung jetzt wieder vom Tisch. In der Sitzung des Gremiums am Mittwochabend schilderte Bürgermeister Michael Rieger die Hintergründe – und erklärte sich.
Die Nachricht sorgte für großes Aufsehen und Kopfschütteln: Einstimmig hatte der Gemeinderat im Januar seine Geschäftsordnung geändert. Es wurde festgelegt, dass eine Berichterstattung durch die Presse auf Grundlage der Sitzungsunterlagen im Vorfeld der Sitzung nicht mehr zulässig sei.
Und das, obwohl die Unterlagen etwa eine Woche vor den Beratungen öffentlich über das Bürgerinformationssystem der Stadt für jeden einseh- und für die Vervielfältigung nutzbar sind. Lediglich nach vorheriger Zustimmung des Bürgermeisters hätte die Presse Themen aus der Sitzung aufgreifen dürfen. Ein klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit.
Unmissverständliche Protestschreiben
Das sorgte nicht nur bei vielen Bürgern für blankes Entsetzen. Die Chefredaktionen von Schwarzwälder Bote und Südkurier schickten unmissverständliche Protestschreiben an Bürgermeister Michael Rieger. Die Geschäftsordnung des Gemeinderates sei „ein eklatanter Eingriff in die Pressefreiheit“, erklärte Christoph Reisinger, Chefredakteur des Schwarzwälder Boten. Der betreffende Passus verstoße klar gegen die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit, gegen das Landespressegesetz und auch die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg. Christoph Reisinger und auch Stefan Lutz als Chefredakteur des Südkurier forderten in ihren Schreiben an Michael Rieger diesen unmissverständlich dazu auf, diese unrechtmäßige Regelung sofort wieder zu ändern.
Das kam an. Noch am gleichen Tag fand eine Sondersitzung der Fraktionsspitzen im Rathaus statt, das Presse-Verbot wurde umgehend wieder gekippt.
Rieger drückt sein Bedauern aus
„Die Verwaltung bedauert ausdrücklich, dass bei der Presse der Eindruck entstanden ist, man misstraue ihr oder wolle sie gar reglementieren“, erklärte Rieger in einer Stellungnahme und in der Ratssitzung am Mittwoch. Davon könne „natürlich nicht die Rede sein“.
Die Regelung stütze sich noch auf vergangene Zeiten, in denen die Unterlagen für den Gemeinderat nicht schon im Vorfeld der Sitzung für jeden öffentlich einsehbar waren. Dass es hier zum Konflikt mit der Presse-Sperrfrist kommen könnte, habe man „einfach nicht bedacht“, sagte Rieger. Er erklärte, man habe sich bei der Passage auf Vorlagen anderer, auch großer Städte im Land gestützt. Tatsächlich sind solche rechtswidrigen Passagen teils noch in anderen Orten zu finden – werden aber nicht in der Praxis angewandt.
Passage wird aus Geschäftsordnung gestrichen
Nach nochmaliger Prüfung habe man sich dazu entschlossen, den betreffenden Absatz zu streichen, erklärte Rieger in der Ratssitzung. Die entsprechende Änderung der Geschäftsordnung werde in der nächstmöglichen Gemeinderatssitzung auf die Tagesordnung gehoben – voraussichtlich im März, wie Rieger sagte.
Die beiden Chefredakteure von Schwarzwälder Bote und Südkurier begrüßen die schnelle Wendung und das Einsehen von Stadtverwaltung und Gemeinderat. Sie wollen sich jedoch mit Bürgermeister Rieger und dem Gemeinderat noch direkt austauschen, da es aus ihrer Sicht noch weitere wichtige Punkte bei der Zusammenarbeit zwischen Presse und Kommune zu klären gebe.