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Fast alle Versicherer erhöhen Tarife für 2012 - Mit der Anpassung von Leistungen sparen.

Stuttgart - Die meisten Kfz-Versicherungen teilen ihren Kunden in diesen Tagen mit, dass sich die Tarife für das kommende Jahr erhöhen, bei manchen um bis zu 30 Prozent. Betroffen sind Neu- und Bestandskunden. Wer durch einen Wechsel bis zum 30. November Geld sparen möchte, sollte auch die Leistungen vergleichen.

Den Brief von seiner Kfz-Versicherung hätte Friedrich Lösch (Name geändert) aus Filderstadt lieber nicht geöffnet. Um 50 Prozent soll sich sein Versicherungsbeitrag für 2012 erhöhen. Womit lässt sich das rechtfertigen? Das fragt sich in diesen Tagen nicht nur Friedrich Lösch.

Egal ob Neu- oder Altkunden, junge oder alte Fahrer: Die meisten Autobesitzer werden für das nächste Jahr höhere Prämien (so wird der Versicherungsbeitrag auch genannt) zahlen müssen. "Die letzten sieben Jahre haben sich die Kfz-Versicherer einen aggressiven Preiskampf geliefert. Die Beiträge sind für die Kunden gesunken, obwohl es immer mehr Schäden gab", sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Die durchschnittliche Kfz-Prämie ist laut ADAC seit 2005 um rund 15 Prozent gesunken.

Nach zwei Wintern mit vielen Glatteisunfällen in ganz Deutschland und immer teurer werdenden Ersatzteilen sind Kfz-Versicherungen für die Anbieter zum Zuschussgeschäft geworden. "Auf jede Versicherungseinnahme von 100 Euro kommen im Schnitt Ausgaben von 107 Euro", sagt Jochen Oesterle, Versicherungsexperte beim Automobilclub ADAC.

Nachdem 2010 zwei Anbieter von Kfz-Versicherungen pleitegegangen sind, bitten die übrig gebliebenen nun ihre Kunden zur Kasse. Während der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft schätzt, dass die Tarife der Kfz-Versicherungen um durchschnittlich ein bis zwei Prozent erhöht werden, gehen der Bund der Versicherten und "Finanztest" von bis zu vier Prozent aus. Je nach Kunde, Wohnort und Auto sind im Einzelfall auch 30 und mehr Prozent möglich, wie das Beispiel von Friedrich Lösch zeigt. Solche Kunden sollten auf jeden Fall über einen Wechsel von Tarif oder Anbieter nachdenken.

Bis wann ist ein Wechsel möglich?

Bei den meisten Anbietern ist der 30. November der Stichtag für die Kündigung. Da nicht der Poststempel, sondern das Zustelldatum bei der Versicherung zählt, sollte der Brief (am besten per Einschreiben mit Rückschein) bis zum 26. November verschickt werden. Die Kündigung ist auch per Fax noch am 30. November möglich - dann sollte man allerdings den Sendenachweis als Beleg aufbewahren. Einige Versicherungen informieren ihre Kunden aber auch erst im Dezember über die höheren Prämien, um sie vom Wechsel abzuhalten. Denn was viele nicht wissen: Auch nach dem 30. November dürfen sie kündigen, wenn der Anbieter die Preise erhöht hat - und zwar noch 30 Tage nach Erhalt der Post, sagt Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Lohnt sich ein Wechsel überhaupt, wenn alle Anbieter die Preise erhöhen?

Ja, denn vor allem langjährige Kunden haben häufig einen Tarif, der nicht mehr zu ihnen passt. "Das kann man ganz schnell mit einem Anruf bei der aktuellen Versicherung klären", sagt Jochen Oesterle vom ADAC. Dabei hilft es, die sogenannten weichen Fakten zu überprüfen: Fährt die Tochter noch mit dem Familienauto? Stimmt die jährliche Kilometerleistung oder ist sie nur grob - und zu hoch - geschätzt? Gibt es für das Auto inzwischen eine Garage? Mit der Überprüfung solcher Punkte und der Anpassung des Tarifs lässt sich oft schon einiges sparen. Weitere Möglichkeiten, den Tarif zu senken, sind die Werkstattbindung (es dürfen nur die Werkstätten genutzt werden, die der Versicherer vorgibt - vorher prüfen, ob eine in der Nähe dabei ist), die Höhe des Selbstbehalts (wenn man sich diesen im Schadensfall auch wirklich leisten kann) und eine jährliche statt vierteljährliche Zahlung der Beiträge. Zudem lohnt es sich, Alternativangebote von zwei, drei anderen Versicherungen einzuholen.

Welche Leistungen sollte die Kfz-Versicherung enthalten?

Pauschal lässt sich das nur für wenige Punkte sagen, denn der richtige Versicherungsschutz hängt von Dutzenden Faktoren ab, unter anderem von Fahrer, Fahrweise, Fahrzeug und der finanziellen Situation. Was auf jeden Fall jeder braucht, ist eine Kfz-Haftpflichtversicherung, die Schäden bei anderen ersetzt. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Deckungssumme von 7,5 Millionen Euro für Personenschäden und eine Million für Sachschäden. Der Bund der Versicherten (BdV) rät zu einer pauschalen Deckungssumme von mindestens 100 Millionen Euro, weil bei Personenschäden womöglich eine lebenslange Rente gezahlt werden muss. Teil- und Vollkasko sind freiwillig, sie springen bei Schäden am eigenen Fahrzeug ein. Je teurer beziehungsweise neuer dieses ist, umso eher lohnt sich das - aber auch für Halter, die größere Schäden finanziell nicht selbst begleichen können. Eine Teilkaskoversicherung ist laut BdV empfehlenswert, wenn das Fahrzeug jünger als acht Jahre ist, weil nur der Zeitwert ersetzt wird. Vollkasko lohnt sich in den ersten drei, vier Jahren nach der Anschaffung.

"Grundsätzlich sollte man beim Vergleichen darauf achten, dass die Leistungen stimmen und nicht nur der Preis", sagt Oesterle. Einige Anbieter hätten in den letzten Jahren ihre Preise nur deswegen senken können, weil sie gleichzeitig Leistungen gestrichen oder verändert haben. "Wenn Sie beim Überfahren einer roten Ampel einen Unfall bauen und die grobe Fahrlässigkeit nicht mehr abgesichert ist, bleiben Sie auf dem Schaden sitzen."

Beim BdV gibt es ein Merkblatt mit wichtigen Leistungen (www.bundderversicherten.de/kfzversicherung), auch die Zeitschrift "Finanztest" listet in der Novemberausgabe auf, bei welchen Leistungen man sparen kann und bei welchen besser nicht.

Vergleichsportale sind ein guter Weg, um den günstigsten Anbieter zu finden - oder?

Hat man den Fahrzeugschein zur Hand, sind diese Rechner ein bequemer Weg, um Tarife verschiedener Anbieter zu vergleichen. Das Problem dabei: Viele Portale vergleichen nur wenige Anbieter, das heißt, der Kunde findet nur bedingt das für ihn günstigste Angebot am Gesamtmarkt. Außerdem ist die Unabhängigkeit mancher Portale fraglich, weil sich in Versicherungen eingekauft haben. Wer die Portale nutzt, sollte seine Daten bei verschiedenen Anbietern eingeben und die Ergebnisse vergleichen. Und statt Dinge wie Wildunfall oder Neuwertentschädigung einfach anzuklicken, weil sie sich gut anhören, lohnt ein genauer Blick, was wirklich hinter der Leistung steckt.

Wer hilft noch?

Unabhängige Beratung gibt es nicht umsonst, sagt Versicherungsexperte Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Er empfiehlt den Kfz-Vergleichsrechner der Stiftung Warentest für 16 Euro (www. test.de/kfz-analyse).

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bietet eine Versicherungshotline an (montags bis donnerstags 10 bis 18 Uhr: 0900/ 1 77 44 43, 1,75 Euro/Minute). Wer Führerschein, Fahrzeugschein und die letzte Beitragsrechnung parat hat, erfährt schon während des Telefonats, wie groß die Einsparmöglichkeiten sind. Eine Liste von Versicherungsangeboten bekommt man einige Tage später schriftlich nach Hause geschickt. Es fällt nur die Telefongebühr an (in der Regel nicht mehr als 15 Euro).