Feier mit Fahne: Boris Becker 1987, nach dem großen Spektakel von Hartford Foto: imago/Sven Simon

Deutschland trifft in Hartford auf die USA – klingt wenig spektakulär. Doch wenn Julian Nagelsmann am Samstag sein Debüt als Fußball-Bundestrainer gibt, weht Sportgeschichte durch die Stadt. Frag’ nach bei Boris Becker.

USA gegen Deutschland in Hartford. Na, klingelt’s? Da war doch was! Wenn Julian Nagelsmann an diesem Samstag sein Debüt als Bundestrainer gibt, weht ein Hauch von großer Sportgeschichte durch die Hauptstadt des US-Bundesstaates Connecticut. An diesem Samstag fordert die DFB-Elf den Gastgeber im Pratt & Whitney Stadium (21 Uhr deutscher Zeit). Weniger als zehn Autominuten entfernt schrieb Boris Becker 1987 in Hartford ein Kapitel deutsche Sportgeschichte. Sechs Stunden und 21 Minuten dauerte sein epischer Kampf mit John McEnroe in der Halle namens Civic Center, dann hatte er die US-Tennisikone niedergerungen – es war der Grundstein für die Daviscup-Triumphe 1988 und 1989.

Historisch wird nun sicher auch das Spiel der DFB-Elf gegen die USA, schließlich ist es nicht weniger als das Debüt des Bundestrainers Nagelsmann. Aber eines scheint gewiss: Das Fußballspiel am Samstag wird hinterher nicht mal im Ansatz so in Erinnerung bleiben wie das Daviscup-Match zwischen McEnroe und Becker anno 1987.

Jetzt gibt es wieder ein sportliches Kräftemessen zwischen den USA und Deutschland in Hartford – Grund genug für uns, auf das epische Spektakel von 1987 in derselben Stadt zurückzublicken.

An dessen Ende hat der damals 19-jährige Becker den großen John McEnroe niedergekämpft und entnervt. 4:6, 15:13, 8:10, 6:2, 6:2 heißt das spektakuläre Ergebnis. Alleine die ersten drei Sätze dauern insgesamt mehr als fünf Stunden (damals gibt es im Daviscup noch keinen Tiebreak), garniert mit Drama und Psychospielchen satt.

So beschimpft McEnroe seinen Gegner aus Deutschland ausdauernd und legt sich permanent mit dem französischen Stuhlschiedsrichter Claude Richard an. „Big Mac“und „Bum-Bum-Boris“ liefern sich im Relegationsspiel gegen den Abstieg aus der Weltgruppe immer wieder Wortgefechte über das Netz hinweg. Es entwickelt sich ein Kampf, mit allen Haken und Ösen. Becker spricht nach dem Spiel von „Krieg“.

Vorher auf dem Platz setzt der Leimener immer wieder kleine Nadelstiche, in der Endphase des hochdramatischen zweiten Satzes geht er unmittelbar vor McEnroes Aufschlägen immer wieder die Grundlinie entlang, was Big Mac aus der Fassung bringt. Becker gewinnt den Marathonsatz, obwohl McEnroe vorher fünf Satzbälle zur möglichen 2:0-Satzführung hat, mit 15:13. Doch die Wut bringt den „Bad Boy“ zurück, McEnroe holt sich Satz drei mit 10:8.

Doch hinterher hat McEnroe keine Chance mehr. Er wütet nur noch, sodass Becker irgendwann halb-amüsiert, halb-genervt in eine Tirade reinruft: „Was ist denn nun schon wieder los?“ In Hartford geht es in Richtung Mitternacht, in Deutschland sitzen die ersten Menschen beim Frühstück, als Becker beim Matchball einen profanen Rückhand-Volley ins Feld spielt. Der Kampf ist zu Ende.

„Ganz gleich, was auf dem Platz passiert ist, es hat Spaß gemacht, gegen dich zu spielen“, sagt Becker am Netz zu McEnroe versöhnlich. Der US-Amerikaner ist am Boden. „Ich hatte nicht mehr viel übrig“, sagt McEnroe: „Ich habe alles gegeben, was ich konnte. Es war schön, Teil eines großen Matches gewesen zu sein. Ich wünschte nur, das Ergebnis wäre anders.“

Boris Becker spricht später „vom größten Match, das ich je gespielt habe“ – und gibt seinem Gegner verbal noch eine mit: „Ich bewundere John als Tennisspieler, aber er tut mir als Mensch leid. Er wird genau wissen, warum“.

Jetzt, am Samstag, ist Fußball in Hartford. USA gegen Deutschland. Nach 90 Minuten und ein bisschen Nachspielzeit wird das Spiel vorüber sein. Anders als 1987 – beim epischen Spektakel über sechs Stunden und 21 Minuten.