Mitsotakis Mitte Juni im Wahlkampf vor der erneuten Stimmabgabe Foto: dpa/Giannis Papanikos

Umfragen sehen Kyriakos Mitsotakis vorn. Der konservative Ex-Premier kann mit einem Mandat für eine zweite Amtsperiode rechnen.

Die Wahlberechtigten in Griechenland entscheiden am Sonntag, wer das Land die nächsten vier Jahren regieren soll. Der bisherige Premierminister Kyriakos Mitsotakis und seine konservative Nea Dimokratia (ND) gelten als Favoriten.

In jüngsten Umfragen, die während der vergangenen Tage veröffentlicht wurden, liegt die ND mit rund 40 Prozent weit vor dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza), das nur auf knapp 20 Prozent kommt und damit zweitstärkste Partei ist. Der Urnengang wurde notwendig, weil bei der Parlamentswahl am 21. Mai keine Regierungsbildung zustande kam. Diesmal kommt ein Wahlrecht zur Anwendung, dass der stärksten Partei bei der Sitzverteilung einen Bonus von bis zu 50 Mandaten gibt. Den Umfragen zufolge kann Mitsotakis mit rund 160 der 300 Sitze rechnen. Das wäre ein klares Mandat für eine zweite Amtszeit.

Gute Noten für Mitsotakis

Auch persönlich bekommt Mitsotakis in den Umfragen gute Noten: 40 Prozent der Befragten möchten ihn als nächsten Ministerpräsidenten sehen. Dem Syriza-Vorsitzenden Alexis Tsipras, der Griechenland von 2015 bis 2019 regierte, wollen nur 15 Prozent dieses Amt noch einmal anvertrauen. Unter Mitsotakis hat das einstige Krisenland in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Wende geschafft. Beim Wirtschaftswachstum liegt Griechenland seit 2021 in der Spitzengruppe der EU-Staaten. Kein anderer Staat der Währungsunion hat seine Schuldenquote in den letzten zwei Jahren so drastisch gesenkt wie Griechenland. Die Arbeitslosenquote liegt auf dem niedrigsten Stand seit 13 Jahren. Mitsotakis erste Amtszeit war von Ausnahmesituationen beherrscht: Erst belagerten Zehntausende Migranten wochenlang die türkisch-griechische Grenze, dann stürzte die Pandemie das Land in die Rezession. Als die überwunden war, brachten der russische Überfall auf die Ukraine, die Energiepreisexplosion und die Inflation neue Herausforderungen. Im Sommer 2022 eskalierten die Spannungen mit der Türkei.

Wichtige Reformen stehen an

Mitsotakis hatte im Wahlkampf für einen klaren Wählerauftrag geworben, um in den kommenden vier Jahren wichtige Reformen umsetzen zu können, die wegen des Krisenmanagements in den ersten vier Jahren zurückstehen mussten. Dazu gehören die Sanierung des staatlichen Gesundheitswesens, eine Justizreform, um die Rechtsprechung zu beschleunigen und eine Reform des Bildungswesens. Bei den öffentlichen Unternehmen gibt es noch Missstände, wie das schwere Zugunglück vom Februar zeigte. Die Katastrophe, die 57 Todesopfer forderte, war auf krasse Versäumnisse beim staatlichen Bahnunternehmen OSE zurückzuführen.

Für den radikal-linken Syriza-Chef Tsipras geht es am kommenden Sonntag auch um seine eigene politische Zukunft. Wenn Syriza bei dem Urnengang am Sonntag sein Ergebnis nicht deutlich verbessert oder sogar weitere Stimmen verliert, was sich in einigen Umfragen andeutet, dürfte die Führungsfrage auf die Tagesordnung kommen.