Das Liapor-Gelände (links) in Tuningen, direkt neben der Autobahn 81, soll der Standort für ein neues Großgefängnis werden. Foto: Götz

Favorit für Gefängnis steht fest: Grün-Rot empfiehlt Neubau in Tuningen. Eventuell Bürgerentscheid. Mit Kommentar.

Tuningen - Nach jahrelangen Bürgerprotesten gegen ein Großgefängnis im Raum Rottweil wagt die grün-rote Landesregierung einen neuen Anlauf. Auf einer Industriebrache im Schwarzwald-Baar-Kreis soll ein Gefängnis-Neubau entstehen.

Den Standort direkt an der A 81 wollen Justizminister Rainer Stickelberger (SPD), Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dem Kabinett vorschlagen. Geplant ist ein Großgefängnis für 400 bis 500 Häftlinge. Dadurch könnten die sanierungsbedürftigen Vollzugseinrichtungen in Rottweil, Hechingen, Oberndorf, Villingen-Schwenningen, Tübingen und Waldshut-Tiengen geschlossen werden.

Das 16 Hektar große Areal war von 1967 bis 2012 Standort des Liapor-Blähtonwerks. Dieses war wegen stark gestiegener Energiekosten unrentabel geworden, schloss 2012 seine Pforten und liegt brach.

Der Favorisierung des Tuninger Standorts ging ein jahrzehntelanges Tauziehen voraus. Immer wieder waren seit 1970 mögliche Standorte ins Auge gefasst, verworfen oder wegen Protesten aufgegeben worden. 2012 startete Grün-Rot einen neuen Standortsuchlauf.

Gefängnisse in der Region entsprechen nicht mehr den Vorgaben

Doch auch die Entscheidung für Tuningen ist nicht endgültig: Der Gemeinderat und der Tuninger Bürgermeister Jürgen Roth (CDU) stellten einen Bürgerentscheid in Aussicht; die Aktionsgemeinschaft gegen ein Gefängnis in Tuningen sammelt bereits Unterschriften.

Am Neubau einer Justizvollzugsanstalt für den Raum Schwarzwald-Baar-Heuberg führt für die Landesregierung allerdings kein Weg vorbei. Die Gefängnisse in dieser Region entsprechen nicht mehr den Vorgaben für die Unterbringung von Häftlingen.

Die Gewerkschaft der Gefängnismitarbeiter begrüßte den Vorschlag. Damit scheine "eine jahrelange Hängepartie" bald beendet zu sein, sagte der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Alexander Schmid.

Kommentar: Gefangen

Von Cornelia Spitz

Eine Gefängnisdebatte nimmt eine Gemeinde gefangen – und die grün-rote Landespolitik fängt sich eine nicht enden wollende Geschichte ein. Es ist verflixt: Kaum ist Rottweil vom Tisch, flammt der Protest an anderer Stelle wieder auf. Diesmal in Tuningen. Gefängnisgegner blasen zum Sturm, ein Bürgerentscheid ist in Vorbereitung. Man darf gewiss sein: Auch mit dem Bekenntnis zum dortigen Standort von Justizminister Rainer Stickelberger und Finanzminister Nils Schmid ist im Streit um den Platz für ein Gefängnis noch lange nicht aller Tage Abend. Das aber hat sich die Landesregierung selbst eingebrockt, als sie 2011 eine Politik des Gehörtwerdens versprach und als erstes Symbol dafür den Protesten gegen ein Gefängnis in Rottweil nachgab. Ob sich aber überhaupt ein Standort finden lässt, an dem es keinen Aufschrei gegen ein Großgefängnis gibt, darf bezweifelt werden.