Am Landgericht Tübingen läuft seit Mittwoch ein Vergewaltigungsprozess. Foto: M. Bernklau

Angebot für Deal am ersten Prozesstag. Erzwungenen oraler und vaginale Verkehr.

Tübingen/Calw - Der am Mittwoch eröffnete Vergewaltigungs-Prozess vor dem Tübinger Landgericht handelt auch von einem muslimischen Familiendrama. Denn den angeklagten Taten in Calw und Sindelfingen ging wohl eine verbotene Jugendliebe voraus. Romeo und Julia unterm Kopftuch.

Staatsanwältin Rotraud Hölscher kann die Vorgeschichte nur am Rande interessieren: Vom jugendlichen Sex hatte vor allem die fromm-muslimische Calwer Familie des Mädchens nichts wissen dürfen. Und genau damit – und mit kompromittierenden, womöglich erpressten Facebook- Fotos – soll der Angeklagte, ein türkischstämmiger 23-Jähriger aus Sindelfingen, seine zeitweilige Freundin unter Druck gesetzt haben, nachdem sie die Beziehung beendet hatte. Bis zu Vergewaltigungen. Samt Schlägen.

Angebot für einen Deal am ersten Prozesstag

Nach Jugendstrafrecht verhandelt die Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Armin Ernst deshalb, weil das frühere Paar, zuvor wohl schon für zwei Jahre zusammen, zur Zeit der ersten angeklagten Taten im Jahr 2016 noch als heranwachsend galt. Das muslimische Mädchen ist ein Jahr jünger als sein zeitweiliger Freund und Liebhaber. Der junge Mann soll, so die Anklage, die im Frühjahr 2016 ausgesprochene Trennung nie akzeptiert haben.

Weil das junge Paar vertraut war, soll es im Sommer 2016 in Sindelfingen ein Treffen in der Wohnung des jungen Mannes gegeben haben, als seine Eltern im Urlaub waren. Nach der Staatsanwältin gab die Frau den Widerstand gegen den geforderten Sex im elterlichen Schlafzimmer bald auf, nachdem sie vom Ex-Freund massiv zum Ausziehen gedrängt worden war. Sie solle "jetzt leiden", habe er angekündigt.

Später, so die Anklage, hätten Freunde des Mädchens eine Art Überfall gegen den jungen Liebhaber arrangiert, mit dem er eingeschüchtert werden sollte – wohl vergeblich.

Doch der junge Deutschtürke drohte bald, die fromme Familie seiner Freundin nicht nur über das unstatthafte Verhältnis an sich in Kenntnis zu setzen, sondern auch mit intimen Fotos, die er noch gespeichert hatte.

Laut Anklage erzwang er mit solchen Drohungen nicht nur weitere Handy-Fotos, sondern auch sexuelle Gefügigkeit bei Treffen im Auto – in Heumaden, auf einem Feldweg bei Stammheim und beim Landratsamt Calw, nachdem er seine Ex jeweils spätabends am Heumadener Jugendhaus oder daheim abgeholt hatte. Als er dabei auf dem Smartphone der jungen Frau noch unverschleiert freizügige Partyfotos aus deren Urlaub entdeckt hatte, soll der Eifersüchtige mit seinen Erpressungen noch zugelegt haben.

Schließlich habe er weitere Intimfotos gefordert und eigene pornografische Bilder seines Geschlechtsteils nicht nur an die junge Frau versandt, sondern unter falschen Nicknames auch über Facebook und Instagram gepostet, um die junge Frau bloßzustellen.

Erzwungenen oraler und vaginale Verkehr

Der vielfache im Frühjahr 2017 und letztmals im Herbst des Jahrs erzwungene orale und vaginale Verkehr, begleitet von Ohrfeigen, Schlägen, Würgen und Freiheitsberaubung im Auto, so die Staatsanwältin, habe "erniedrigenden Charakter" gehabt.

Doch schließlich erstattete das muslimische Mädchen Anzeige.

Um der jungen Frau eine öffentliche Aussage zu ersparen, gab es erst zu Beginn des ersten Verhandlungstages ein Angebot der Kammer für einen so genannten Deal – Strafnachlass gegen ein hinreichendes Geständnis – für das sich Anklage, die Nebenklage und die beiden Verteidiger zunächst prinzipiell gesprächsbereit zeigten.