Bauherrin Ute Wendel (rechts) und Zimmermeister Markus Veit (links) vor dem Tiny House, an dessen Aufbau Veits Team seit vier Tagen arbeitet. Foto: Fuchs

Auf dem Anwesen der Wendel-Ahnen entsteht das "Ferienhäusle Casa Wendy". Das erste sogenannte "Tiny House" in Loßburg wird gerade aufgebaut. Was es damit auf sich hat und warum das die Zukunft des Wohnens sein könnte, erklären Bauherrin und Erbauer.

Loßburg - Das rote Hausdach fehlt noch. Aber dafür, dass seit dem Spatenstich erst vier Tage vergangen sind, macht die Baustelle beachtliche Fortschritte. Drei Handwerker tackern und schrauben trotz winterlicher Temperaturen in Rekordzeit. Es muss ja auch nur noch aufgestellt werden, das quasi fertige Tiny House in Loßburg-Rodt.

Im Schloßgässle 3 stand bis 2007 noch ein altes Bauernhaus, das Haus der Urahnen "Wendel". Ute Wendel, die heute in Owingen-Billafingen am Bodensee wohnt, ist die sechste Generation, seit das Haus 1832 durch eine Heirat in ihren Familienbesitz kam. Das Haus selbst sei aber noch älter. Das habe man ihm in jeder Ecke angesehen. "Mein Opa wurde in dem Bauernhaus geboren, so wie seine 16 älteren Geschwister", so die heutige Grundstücksherrin. "Die Räume waren höchstens zwei Meter hoch, es gab nur vier Schlafkammern und ein Plumpsklo", erinnert sie sich. Der Keller sei am Ende vom Salpeter zerfressen und die Kellerdecke eingestürzt gewesen, sodass ein Abriss des Gebäudes unvermeidbar gewesen sei.

Bis 2007 habe es aber immerhin sechs Generationen überlebt. Maria Weber, eine Großcousine von Wendel, wollte das Grundstück damals verkaufen. Damit es in Familienbesitz bleibt, hat Wendel es genommen. Die langjährige Reiseveranstalterin für Mittel- und Südamerika hat erst im vergangenen Jahr die ehemalige Werkstatt ihres Großvaters, genau auf dem Grundstück daneben, umgebaut. "Schuhmacherwerkstatt Wilhelm Wendel" heißt die Ferienwohnung, die sie passend zum Namen original urig gehalten hat.

Idee kommt von Bauwägen aus Amerika

Ob es in Coronazeiten riskant sei, Ferienhäuser zu eröffnen? "Ich kann warten, bis die Tore nach Südamerika wieder auf gehen oder mir ein anderes Standbein aufbauen", gibt Wendel zu bedenken. Das erste Standbein hat gelitten. "Ich musste den Kunden die Reisen zurückzahlen, von Geld, das gar nicht mehr da war", erzählt sie. "Das ging nur mit Kredit. Ich selber hatte ab November kein Einkommen mehr." Wenn das Thema Urlaub aber langsam wieder aufkomme, sei das Ferienhaus die sicherste Variante. Da fiel die Entscheidung nicht schwer, das zweite Grundstück nun auf ähnliche Weise zu nutzen.

Bei der Umsetzung hat sich Wendel von anderen Kulturen inspirieren lassen. "Tiny Häuser sind in Südamerika sehr beliebt", erklärt sie. Das sind, kurz gesagt, mobile – also jederzeit versetzbare – Minihäuser, maximal 50 Quadratmeter groß, aber mit allem drin, was es zum Leben braucht. "So etwas ist mir immer vorgeschwebt", sagt sie. Damit war sie bei ihrem alten Freund, Zimmermeister Markus Veit, an der richtigen Adresse. Der wohnt nämlich schon längst in einem und hat in seiner Zimmerei am Bodensee auch schon anderen Tiny-House-Interessenten den Traum vom kleinen Eigenheim erfüllt.

"Der Trend kommt aus Amerika, da gibt es Bauwägen auf Rädern", so Veit. Er, der im klassischen Hausbau beheimatet ist, will den Tiny-Hausbau aber nicht von der Wohnwagen-Perspektive her angehen. "Es wäre ein Rückschritt, zu den Bauwägen zurückzukehren." Ganz zu schweigen von den Genehmigungsverfahren, die beim Minihaus ohnehin kompliziert seien. Bei ihm ist ein Tiny Haus ein ganz normales Holzhaus, nur eben kleiner. Für Strom und Wasserleitungen, Dämmung, Schallschutz und Solarstrom ist gesorgt wie bei einem großen Gebäude. Das Bad ist zwar nicht größer als in einem Wohnwagen, aber es hat ein Fenster.

Beliebt bei allen Altersgruppen

Im Fall von Loßburg hat das Häuschen, das in Veits Werkstatt entstanden ist, 35 Quadratmeter. Es gibt eine Terrasse und ein Carport. Normalerweise kommen die Häuser am Stück und werden per Kran abgesetzt. Wendel schwebten jedoch vier Meter Breite vor. Das war zu viel, als dass Veit es damit von seiner Werkstatt aus durch die engen Gassen geschafft hätte. Daher wurde der Zedern-Bau nach dem Baukasten-Prinzip in Loßburg zusammengesetzt. Boden und Wände kamen fertig, mit Fenstern darin. Ende dieser Woche steht der Bau. Ab Mai will Wendel, sofern es Corona erlaubt, an Feriengäste vermieten, sodass jeder das Wohnen auf kleinstem Raum ausprobieren kann.

Und was ist nun der Vorteil bei einem winzigen Häuschen? "Man ist für sich allein, hat einen Stellplatz, man ist unabhängig und in Corona-Zeiten funktioniert die Schlüsselübergabe kontaktfrei", nennt Wendel die positiven Aspekte aus Sicht einer Ferienwohnungsvermietung.

Veit baut die Tiny Häuser, vor allem am Bodensee, hauptsächlich für Personen, die nicht nur darin Urlaub machen, sondern darin wohnen wollen. "Niemand weiß, wohin die Mietpreise steigen. Aber es hat auch nicht jeder das Geld, sich ein Haus zu kaufen. Das Tiny Haus ist eine Alternative." Die Bevölkerung brauche immer mehr Wohnraum. "Aber im Alter wollen sich viele verkleinern. Da ist ein Tiny Haus ideal. Im Alter zieht man sich ohnehin immer mehr auf einen Wohnraum zurück." Eine Gewinnsituation auch für junge Familien, für die damit Häuser frei werden. Die Nachfrage nach Tiny Häusern komme aber aus allen Altersgruppen. Auch aus umwelttechnischer Sicht gebe es Vorteile. "Wir benutzen fast keinen Beton, das Haus ist großteils aus Holz, also quasi Bio", so der Erbauer. Und wie lange hält das klimafreundliche Häuschen? "So lange wie jedes andere Holzhaus", sagt Veit. "Im Schwarzwald wurden die Häuser von jeher aus Holz gebaut. Es besteht, so lange man es dicht hält."

Altes Nummernschild am neuen Gebäude

Im Schwarzwald sei das Thema noch nicht so stark angekommen. Viele, so Veit, wollen ein Tiny House, aber oftmals fehle das passende Grundstück. "Ein versetzbares Minihaus ist im Bebauungsplan oft nicht vorgesehen oder die Gemeinden sagen, das passt nicht hierher." In Loßburg sei die Verwaltung dafür jedoch offen gewesen. Laut Bauamt, ergänzt Wendel, sei es zwar das erste Tiny House, aber wohl nicht das letzte.

Im Vergleich zu 2007 ist das Grundstück nicht mehr wiederzuerkennen. Alles, was von dem alten Bauernhaus geblieben ist, ist das Hausnummer-Schild. "Großvetter Georg hat es damals abgeschraubt", erklärt Wendel. "Vor ein paar Wochen ist er leider gestorben. Aber beim letzten gemeinsamen Wendel-Treffen hat er mir das Schild mit der Nummer überreicht." Wendel will es am neuen Ferienhäusle Casa Wendy anbringen, wo es schon bald die ersten Gäste begrüßen soll.