"Ich bin bei vielen in einer Schublade. Aber das stört mich nicht": Walter Trefz. Foto: Rath

Trauer in Stadt und Kreis Freudenstadt: Walter Trefz (82) ist tot. Er starb am Donnerstagabend bei der Fahrt mit dem Auto auf der B 28. Die Nachricht verbreitete sich noch am Abend in Windeseile.

Freudenstadt-Kniebeis - Förster, Umweltaktivist, Kommunalpolitiker und Original vom Kniebis – Walter Trefz war eine Persönlichkeit, deren Bekanntheit über den Kreis hinausreichte, und eine schillernde dazu. Kauz und Vordenker, Rebell und Integrationsfigur, Überzeugungs-täter mit der Bereitschaft zu völlig neuen Standpunkten, unbeugsam und einfach nur herzensgut – man konnte Walter Trefz auf sehr unterschiedliche Weise sehen.

Wahrscheinlich sind auch alle Attribute richtig – und doch nicht ausreichend, um sein Wesen zu skizzieren. "Ich bin bei vielen in einer Schublade. Aber das stört mich nicht", hat er kurz vor seinem 80. Geburtstag gesagt.

Mut zu neuen Ansichten

Für viele verkörperte Walter Trefz den Urtyp des kernigen und sperrigen Schwarzwälders. Mit Trachtenjacke und seinem schlohweißem Rauschebart passte er auch in dieses Bild. Dabei stammte Trefz, geboren am 8. Oktober 1938, eigentlich aus Stuttgart. Ende des Zweiten Weltkriegs zog er mit seiner Mutter zur Oma nach Lombach. Sein Vater kehrte nicht aus dem Krieg zurück. Das Dorf und das "Leben im Frauenhaushalt" habe ihn geprägt – und in seiner Haltung bestärkt, dass die Politik weiblicher werden sollte. Das sei er den "Trümmerfrauen" schuldig, die nach dem Krieg maßgeblich mithalfen, das Land wieder aufzubauen und den "Laden am Laufen" zu halten.

Auch arbeitete Walter Trefz nicht zeitlebens als Förster. Er hatte zunächst als Zeitsoldat gedient, als Gebirgsjäger in Bad Reichenhall. Er sei "überzeugter Soldat" gewesen und zuletzt Oberleutnant, ehe er nachträglich den Kriegsdienst verweigerte und Pazifist wurde. Die Zeiten und damit die Notwendigkeiten hätten sich geändert, sagte Trefz. Logischer Schluss für ihn war es, auch seine Meinung zu ändern, ohne das zuvor Gewesene zu leugnen oder zu bereuen. Im Gegenteil: Seine Zeit in der Armee wolle er nicht missen. Ein Widerspruch? Oder gar Opportunismus? Für ihn sicher nicht. Trefz sagte, er brauche diese Gegensätze und Brüche, um die eigene Mitte zu finden. "Wer ständig in der Mitte läuft, weiß nicht, was links und rechts des Weges sonst noch liegt." Da passt es ganz gut, dass Walter Trefz, der Grenzgänger, mit seiner Jugendliebe Helga Pfau am Grenzweg hoch oben auf dem Kniebis wohnte. Wo sonst?

Den Vorwurf, gedankenlos oder aus Bequemlichkeit mit dem Strom zu schwimmen, konnte man Walter Trefz sicher nicht machen. In den 80er-Jahren war er einer jungen Partei beigetreten, die sich für Umweltschutz und Frieden einsetzte, die "Grünen". Trefz demonstrierte gegen Atomkraftwerke und "Sauren Regen" durch Braunkohle-Kraftwerke, war in Wackersdorf und Wyhl mit dabei – hart in der Sache, aber milde im Umgang mit den Menschen auf der anderen Seite. Die jungen Polizisten in Wyhl, die der Staat seinerzeit hatte aufmarschieren lassen, hätten dem Demonstranten leid getan. Auch ihnen seien von den Wyhlern und Demonstranten belegte Brote durch den Zaun hindurch zugesteckt worden. "Die hatten Hunger und waren schlecht versorgt", erinnerte sich Trefz. Es sei ja auch im die Sache gegangen, nicht gegen Menschen.

Am Zaun von Wackersdorf

In Freudenstadt saß Walter Trefz 30 Jahre lang für die Bürgeraktion im Gemeinderat und 25 Jahre für die Grünen im Kreistag. Umwelt- und Klimaschutz waren seine Themen, auch dort vertrat er seine Standpunkte mit Leidenschaft. Drei Landräte hat er miterlebt, und nicht selten sackten sie auf ihren Stühlen in sich zusammen, wenn Walter Trefz auch zu vorgerückter Sitzungsstunde zu einem seiner flammenden Plädoyers in Sachen Natur, Klimaschutz oder Mobilfunkstrahlung ausholte. Es war ihm einfach egal. Das Ringen um die beste Lösung könne nun mal mühselig sein. Zuletzt gehörte er noch für die Grünen der Regionalversammlung des Regionalverbands Nordschwarzwald an. Außerdem war Trefz Mitbegründer des Bunds für Umwelt und Naturschutz in Freudenstadt.

1966 trat Trefz im in der Forststelle Stadtwald Freudenstadt, Revier Christophstal, seine erste Forststelle an. Den Beruf hatte von der Pike auf gelernt: 1953 als Forstanlern-Lehrling bei Förster Kopp im Steinwald, 1956 an der Landespflanzschule Nagold, ab 1958 als Jungförster und Forststudent. 1964 trat er in den den Forstdienst des Landes ein. 1973 wechselte Trefz zur staatlichen Forstverwaltung als Revierförster auf den Kniebis. 1999 ging er in den vorzeitigen Ruhestand – aus gesundheitlichen Gründen auf eigenen Wunsch und ohne großen Abschied.

Auch hier eilte Trefz der Ruf voraus, ein umtriebiger Kopf zu sein. Man könnte auch nervig sagen. Sein Mantra seit jeher: Der Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume und nicht nur ein Holzlieferant. Eine naturnahere Forstwirtschaft muss her. Es heißt, seine Mitarbeiterakte bei den Forstbehörden hätte rund 1100 Seiten umfasst, was Trefz weder bestätigen noch dementieren wollte. Aber amüsiert hat es ihn schon. Vorangegangen waren jahrelange Auseinandersetzungen mit der Forstdirektion Karlsruhe und seinen Vorgesetzten beim Staatlichen Forstamt Freudenstadt. Walter Trefz wurde degradiert. Im Kern der Konflikte ging es um die Frage, inwieweit Trefz als mündiger Bürger öffentliche Stellung gegen die Verwaltungsauffassung beziehen darf und wie sich dies mit seiner Loyalitätspflicht als Beamter vereinbaren ließ. Der damalige Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser soll ihm einen Spruch sehr übel genommen haben: "Politiker sind für den Wald gefährlicher als der Borkenkäfer."

Der Wald war für Walter Trefz auch Rückzugsort. Immer wenn er Ruhe brauche, gehe er an einen seiner Lieblingsplätze im Forst. "Der Wald tut uns gut. Ein halber Tag im Wald, und die Blutwerte verbessern sich deutlich. Das ist nachgewiesen", sagte Trefz. Jäger und Tierschützer gleichermaßen zu sein, schließe sich für ihn nicht aus, ebenso wenig Waldschutz und -nutzung. Walter Trefz saß gerne an seinem heimeligen Kaminofen. Der Mensch wisse noch viel zu wenig über den Wald und die Zusammenhänge dieses Lebensraums, er müsse lernen.

Im März hatte Trefz das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Umweltminister Franz Untersteller sagte bei der Verleihung, Trefz habe sich regelrecht in den Wald verliebt, sei zu einem "Naturphilosophen" geworden. Als Berater in der Gesetzgebung für Wald und Jagd habe sein Wort stets Gewicht gehabt. Als Experte für den ökologischen Waldbau sei Trefz über das Land hinaus bekannt, nicht zuletzt für sein "schier unglaubliches Engagement", als auch für seinen gutmütigen Humor mit einer gewissen Schlitzohrigkeit.

"Es gibt, was es gibt"

Große Sympathien hatte Walter Trefz für Bürgerbewegungen, für ihn eine der lebendigsten Formen der Demokratie überhaupt. Streit gehöre zur Demokratie, und wenn es mal knallte, dann fand er das richtig gut – sofern sich die seiten am Ende nicht unversöhnlich gegenüberstanden. Am Donnerstagabend soll Walter Trefz auf dem Weg zu einem Treffen der Initiative gegen das Gewerbegebiet in Ahldorf gewesen sein.

Wie Walter Trefz wohl zu Leben und Tod gestanden hatte? Auch er musste in Leben bittere Schicksalsschläge hinnehmen. 2002 kam Florian, der ältere seiner beiden Söhne, ums Leben. Eine leise Andeutung, wie sein eigener Abschied aussehen könnte, hatte er vor zwei Jahren fallen gelassen: "Zu zwei Dingen lädt der Schwabe nicht ein: Zu seinem Geburtstag und zu seiner eigenen Beerdigung. Wer kommt, der kommt, und dann gibt’s, was es gibt."