Jutta Schleehauf gehört zu einer der wenigen in ganz Baden-Württemberg, die Schulhunde in der Praxis ausbilden darf. Foto: Thomas Fritsch

Ruhe, Aufmerksamkeit, gegenseitige Rücksichtnahme – vielleicht nicht die Auswirkungen, die man sich bei einem Hundebesuch unter Schülern vorstellt. Aber genau das können die Tiere in einer Klasse bewirken. Jutta Schleehauf aus Nagold-Hochdorf weiß das genau, denn sie bildet die Vierbeiner für pädagogische Einsätze aus.

Hunde – tierische Freunde des Menschen und meist besonders für Streicheleinheiten beliebt. Das hat sogar wissenschaftliche Hintergründe – aber dazu später noch mehr. Erst einmal zum eigentlichen Thema: Schulhunde.

 

Und damit sind nicht Hunde gemeint, die in der Schule leben oder einfach das Haustier, dass eine Lehrkraft am Tag mitbringt. Schulhunde durchlaufen eine Ausbildung wie auch Blindenführhunde oder Therapiehunde. Und die Ausbildung ist wahrscheinlich nicht weniger streng.

52 Theoriestunden, die in der IHK Potsdam absolviert werden – dazu gehören sechs Module mit abschließenden Klausuren – und mindestens 60 Übungseinheiten in der Praxis sind vorgeschrieben. Diese müssen die Lehrkräfte, denen die Hunde gehören, absolvieren.

Jutta Schleehauf bildet sei elf Jahren aus

Zum Schluss gibt es noch eine Abschlussprüfung im Einsatz und erst dann ist ein Hund wirklich ein Schulhund. Einer der maximal zwei Stunden in der Woche pädagogisch eingesetzt werden darf. Er lebt also wirklich nicht in den Fluren und Zimmern der Schule.

Jutta Schleehauf (rechts) unterstützt bei der Ausbildung der künftigen Schulhunde. Foto: Thomas Fritsch

In der Praxis werden die Lehrkräfte und ihre Hunde übrigens ausschließlich von einem Betrieb betreut, der vom Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V. (BHV) anerkannt ist. Jutta Schleehauf mit ihrem Ausbildungszentrum für helfende Hunde gehört zu den wenigen Betrieben in Baden-Württemberg.

Seit 2011 ist sie selbstständig mit ihrer Hundeschule für Assistenzhunde. Und seit 2019 begleitet sie immer wieder Lehrkräfte und deren Hunde auf dem Weg zum Schulhund. Dabei geht sie ganz individuell auf die Vierbeiner und ihre Bedürfnisse ein. Außerdem natürlich auch auf die individuellen Bedürfnisse der Lehrkräfte. Dazu gehören Themen wie das Alter der Schüler, die Unterrichtsfächer und vieles mehr.

Welche Voraussetzungen braucht der Hund?

Der Hund sollte – wie man es sich denken kann – einen entsprechenden Charakter haben. Ein ruhiges und freundliches Wesen. Das Tier sollte am Menschen interessiert und aufgeschlossen sein, dazu empathisch und natürlich sich gut mit Kindern verstehen. Dazu kommen eine geringe Aggressionsbereitschaft, Stressresistenz und keine Angst vor Umwelteinflüssen.

Nicht ohne Grund darf ein Schulhund nur rund eine Stunde am Tag und maximal zwei in der Woche zu einem Einsatz. Die Situation ist selbstverständlich auch stressig für den Vierbeiner. Dementsprechend ist es auch wichtig, dass der Hund einen guten Familienanschluss und ständige Kontakte zur Bezugsperson hat.

Aber auch wichtig: „Der Hund darf nicht zu viel dem Besitzer gefallen wollen“, erläutert Schleehauf. Der Hund sollte seine Grenzen nicht überschreiten. Das sei aber oft der Fall, wenn der Hund Befehle für seinen Besitzer ausführt, obwohl er nicht mehr kann.

Außerdem dürfen nur vollständig gesunde Hunde in den Einsatz. Dass heißt er muss ungezieferfrei sein, regelmäßig medizinisch kontrolliert werden. Impfungen, Vorsorge und eine gute Körperpflege zählen ebenfalls dazu.

Wie läuft ein pädagogischer Einsatz ab?

Einsätze in der Schule sind ganz individuell anpassbar. Beispielsweise kann der Schulhund durch Würfeln Schüler in Gruppen einteilen. Dadurch entstehen nicht immer dieselben Gruppen und die Schüler lernen neue Zusammenarbeit kennen. Im Mathe-Unterricht kann der Hund beispielsweise „Bruchkissen“ – also Kissen auf denen ein mathematischer Bruch steht – apportieren. Die Schüler müssen diesen dann lösen. „Vieles hat mit apportieren zu tun“, meint Schleehauf, aber es gebe immer wieder neue Ideen, wie der Hund den Unterricht unterstützen kann.

In Hochdorf werden Schulhunde ausgebildet. Foto: Thomas Fritsch

Inwiefern helfen Hunde im Unterricht?

Der Hund kann in verschiedenen Bereichen wirken, erklärt Schleehauf. Dazu zählen Kognition und Lernen, die Wahrnehmung, Motorik und Körpergefühl der Kinder, Emotionalität, Sprache und Kommunikation und die Soziabilität.

Mittlerweile haben bereits rund 500 Schulen in ganz Deutschland Schulhunde im Einsatz. Schleehauf hat bisher von rein positiven Erfahrungen gehört. Unter anderem gehören ruhigere Klassen, eine bessere Wahrnehmung des Gegenübers, die Stärkung des sozialen Verhaltens der Kinder, stärkeres Einfühlungsvermögen der Kinder sowie bessere Leistungen in nonverbaler Kommunikation und vieles mehr dazu.

Schüler reflektieren eigenes Verhalten

Als Beispiel: Kinder wollen den Hund streicheln, dieser will aber wahrscheinlich eher zu einem ruhigeren Kind, als einem lauten und tobenden Schüler, erläutert die Hundetrainerin. Dadurch müsse der Schüler sein eigenes Handeln reflektieren, ruhiger werden und kommt so zum Erfolg: dem Streicheln.

Und das ist, wie bereits zu Anfang erwähnt – sogar wissenschaftlich bewiesen – einfach gut für die Schüler. Denn das Streicheln eines Hundes gilt als Anti-Stress-Maßnahme. Eine US-amerikanische Studie hat dies zuletzt im Jahr 2021 nachgewiesen. Dafür ist das sogenannte „Kuschelhormon“ – Oxytocin – verantwortlich. Denn der Oxytocin-Spiegel steigt bei Menschen merklich an, wenn sie einen Hund in der Nähe haben und ihn streicheln können. Das „Kuschelhormon“ sorgt für Vertrauen, wärmere Beziehungen und macht uns empfänglicher für zwischenmenschliche Signale – und reduziert dadurch auch den Stress in der Schule.

Lehrgang „Schulhund im Einsatz (IHK)“

Was ist das?
„Die IHK Potsdam bietet seit dem Jahr 2019 den fachspezifischen Bereich ‚Schulhund‘ als eigenständige IHK-Qualifizierung an“, heißt es auf der Webseite des Berufsverbands der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen (BHV). Das IHK Zertifikat „Schulhund im Einsatz (IHK)“ ist ein Bestandteil der IHK Weiterbildung zur Tiergestützten Intervention, welches als Pilotprojekt im Rahmen der ESF-Landesförderung entwickelt wurde. Der Lehrgang richtet sich an Pädagogen, Lehrkräfte, Erzieher, pädagogische Assistenten und Hundetrainer. „Gemeinsam mit dem BHV entstand so ein neuer Zertifikatslehrgang für den sachkundigen Einsatz von Schulhunden.“ Der Lehrgang „Schulhund im Einsatz (IHK)“ ist bundesweit der erste und bislang einzige Lehrgang im Bereich der Schulhundearbeit, der mit einem IHK-Zertifikat abgeschlossen werden kann.