Osteoporose gilt als Krankheit alter Frauen. Das ist falsch, auch Jüngere und Männer sind betroffen. Insgesamt leiden in Deutschland etwa 6,5 Millionen Menschen unter Knochenschwund. Doch die Anzeichen bleiben oft unerkannt, die Behandlung beginnt viel zu spät. Dabei kann man viel tun, um Knochen zu stärken.
Es heißt oft: 50 ist das neue 30. Das mag gefühlt so sein. Doch mit steigendem Alter wird die Gesundheit fragiler – und mit ihr werden die Knochen spröder. Das ist nicht unvermeidbar. Dennoch tritt Osteoporose, der verstärkte Abbau von Knochenmasse, bei etwa 6,5 Millionen Menschen in Deutschland auf, Tendenz steigend. Experten gehen allerdings davon aus, dass nur 20 Prozent der Betroffenen die richtige Diagnose erhalten. Ein Unding.
Was ist Osteoporose? Osteoporose ist eine Erkrankung des Knochens, die auch als Knochenschwund bezeichnet wird. Die Knochendichte (oder auch Knochenmasse) nimmt dabei ab, der Knochen wird poröser und somit anfälliger für Brüche. Nach derzeitigem Kenntnisstand der Medizin ist eine Heilung nicht möglich. Rechtzeitig erkannt, ist sie aber gut behandelbar. Doch da liegt das Problem: Oft wird Osteoporose erst spät diagnostiziert.
Welche Symptome gibt es? Osteoporose wird manchmal als „stiller Dieb am Knochen“ bezeichnet, denn gerade zu Beginn fehlen oft Symptome. Manchmal können Rückenschmerzen auf eine Erkrankung hinweisen. Bei längerer Dauer sollte man diese Beschwerden unbedingt abklären lassen. Bei fortgeschrittener Osteoporose kommt es dann oft zu Knochenbrüchen, häufig ohne Anlass – wie einen Sturz oder einen Schlag. Da das ganze Skelettsystem angegriffen werden kann, auch der Kiefer, kann es zu Zahnausfall kommen.
Wer ist betroffen? In Deutschland sind rund 6,5 Millionen Menschen an Osteoporose erkrankt. Ganz genau lässt sich dies nicht beziffern, die Dunkelziffer ist hoch. Klar ist aber: „Es sind mehr Frauen von Osteoporose-bedingten Knochenbrüchen betroffen als von Brustkrebs, Schlaganfall und Herzinfarkt zusammen“, sagt Reiner Bartl, Leiter des Osteoporose-Zentrums der Uni München.
Was sind Risikofaktoren? Osteoporose kann als Folge von Schilddrüsenüberfunktion, bei rheumatischen Erkrankungen und Nierenschwäche oder nach einer Langzeittherapie mit Kortison auftreten. Generell steigt das Risiko zu erkranken aber mit zunehmendem Alter, vor allem bei Frauen in und nach den Wechseljahren. Was viele nicht wissen: Meist als typische Krankheit alter Frauen wahrgenommen, betrifft Osteoporose auch Jüngere sowie Männer – nämlich jeden Fünften über 50, teilt das Kuratorium Knochengesundheit mit.
Das Thema spielt jedoch in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. „Es ist nicht sexy, über alte Knochen zu sprechen“, so Andreas Kurth, Chefarzt am Marienhaus-Klinikum Mainz und Vorstandsmitglied im Dachverband OsteolMogie. Da frühzeitige Therapie aber entscheidend ist, um Frakturen zu vermeiden, sei die Sensibilisierung für die Krankheit wichtig. Doch bisher bekommen nur 20 Prozent der Betroffenen die richtige Diagnose und Behandlung. „Ein unhaltbarer Zustand“, fasst Clemens Becker, Altersmediziner am Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart, zusammen. „Man stelle sich vor, nur jeder fünfte Krebspatient bekäme eine angemessene Behandlung – der Aufschrei wäre unüberhörbar.“
Woran liegt das? Osteoporose tut oft nicht weh, zumindest nicht am Anfang. Erst damit verbundene Knochenbrüche führen zu Schmerzen und zu vielen weiteren Problemen, etwa zu Einschränkungen der Lebensqualität. „Wenn die Betroffenen mit einer Fraktur zu uns in die Klinik kommen, ist das Kind fast schon in den Brunnen gefallen“, sagt Kilian Rapp, Ärztlicher Leiter der Geriatrie am RBK. Auch deshalb, weil das Risiko für weitere Brüche erheblich steigt – und bei alten Menschen letztlich die Gefahr der Pflegebedürftigkeit.
Stattdessen muss man bei der Früherkennung ansetzen. Das Hindernis: „Im Prinzip ist nicht wirklich klar, wer für Knochen zuständig ist – Hausarzt, Orthopäde, Gynäkologe, Internist, Endokrinologe?“, sagt Markus Ketteler, Chefarzt in der Inneren Medizin und der Geriatrie des RBK. Zudem werde eine Knochendichtemessung von den gesetzlichen Krankenkassen erst dann bezahlt, wenn es bereits zu einer Osteoporose-bedingten Fraktur gekommen sei. Diese Messung gilt bisher aber als der einzige Weg, den Zustand und die Entwicklung der Knochen rechtzeitig zu beurteilen.
Wie sieht die Behandlung aus? Als Basistherapie gilt eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D. Zusätzlich stehen zwei Gruppen von Medikamenten zur Verfügung, die entweder den zu starken Knochenabbau bremsen oder den Knochenaufbau fördern. „Am sinnvollsten ist es, zuerst am Knochenaufbau und dann an der Stabilisierung zu arbeiten“, sagt der Experte Kilian Rapp. Die Therapien sind langwierig – und sie kosten: „In Deutschland fallen dafür jährlich gut zehn Milliarden Euro an“, so Rapp. Bei Bedarf ist außerdem eine effektive Schmerztherapie wichtig.
Was hilft bei Beschwerden? Bei Wirbelbrüchen kann eine Korsage helfen, die an den Körper angepasst wird, den Rücken stützt und Fehlhaltungen korrigiert. Es gibt bundesweit auch zahlreiche Selbsthilfegruppen. Generell ist Bewegung essenziell, auch im hohen Alter. Denn Muskeln schützen Knochen. Auch gesunde, ausgewogene Ernährung ist sinnvoll. Neben Kalzium und Vitamin D sollte auf genügend Magnesium, Fluor, Zink sowie die Vitamine A und C geachtet werden.
Wie kann man vorbeugen? „Osteoporose ist kein unvermeidliches Schicksal im Alter“, sagt Markus Ketteler. Wer auf kalziumreiche Ernährung achtet, kann vorbeugen. Einseitige Diäten, zu viel Kaffee und Alkohol sowie Rauchen begünstigen hingegen Osteoporose. Vorbeugen kann man auch mit Sturzprophylaxe. Am wichtigsten ist aber, mobil zu bleiben, sprich: sich regelmäßig zu bewegen. Knochenaufbauend wirkt dabei vor allem Krafttraining.