Obwohl der Ölpreis zuletzt nach unten ging, wird Tanken nicht billiger. Warum sich die Wettbewerbshüter jetzt einschalten und wer sich womöglich die Taschen füllt.
Der Ölpreis ist fast auf dem Niveau vor Beginn des Ukraine-Krieges. An den Tankstellen ist davon aber nichts zu spüren, der Spritpreis liegt immer noch weit über der Marke von zwei Euro je Liter. Das ruft nicht nur die Wettbewerbshüter auf den Plan, sondern weckt auch das Misstrauen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Doch wer macht sich da die Taschen voll? „Wenn die Rohölpreise jetzt wieder sinken und die Tankstellenpreise dem nicht folgen oder sogar weiter steigen sollten, muss man sich das genau ansehen“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Dazu gehörten mehrere Marktstufen – vom Rohölmarkt über die Raffinerien und den Großhandel bis zu den Tankstellenbetreibern.
Wirtschaftsminister schaltet sich ein
Die Machtposition der großen Tankstellenketten am deutschen Kraftstoffmarkt ist laut Wirtschaftsminister Habeck seit Langem ein strukturelles Problem. „Es darf nicht sein, dass Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlagen. Wenn es dafür Hinweise geben sollte, etwa auch beim Vergleich mit den Preisbewegungen in anderen EU-Ländern, werden wir gesetzgeberische Maßnahmen vorbereiten, um dem Bundeskartellamt eine bessere Marktüberwachung bei den Kraftstoffen zu ermöglichen“, kündigte er an. „Mein Haus hat das Bundeskartellamt gebeten, die Benzin- und Dieselpreise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden“, so Habeck.
Wer macht den großen Reibach?
Wie viel genau zu welchen Preisen getankt wird, weiß auch das Kartellamt nicht. Zwar erhebe die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe alle Preisdaten der Mineralölfirmen, nicht jedoch Daten über die jeweils abgegebenen Mengen. „Eine gesetzliche Verpflichtung der Marktteilnehmer, auch Mengendaten an die Markttransparenzstelle zu liefern, würde die Aussagekraft unserer Daten deutlich verbessern“, sagt Mundt.
Wenn der Verdacht bestehe, dass sich Konzerne an der aktuellen Weltlage bereichern könnten, sollte man „statt nach Steuersenkungen nach den Wettbewerbsbehörden rufen“, findet auch der baden-württembergische SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Weder die Rohölpreise noch der Dollarkurs, weder Lieferengpässe noch Probleme mit der Logistik rechtfertigten die aktuellen Höchstpreise bei Sprit, so Stoch.
„Zu Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine stieg der Rohölpreis tatsächlich stark an, doch das hatte mehr mit Panik des Marktes zu tun als mit echten Engpässen. Nicht der Krieg machte den Preis, sondern die Spekulation“, so der Politiker.
„Mein Eindruck ist, dass ein paar Ölmultis gerade den großen Reibach machen“, schrieb gar der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auf Twitter.
Autofahrer merken nichts von sinkendem Ölpreis
Vom sinkenden Rohölpreis haben die Autofahrer bislang nichts gemerkt. Anders als der Ölpreis ist der Spritpreis nach dem extremen Anstieg der vergangenen Wochen auf hohem Niveau geblieben. Diesel kostete am Mittwoch im bundesweiten Tagesdurchschnitt 2,253 Euro pro Liter, Superbenzin 2,218 Euro und Super E10 noch 2,160 Euro je Liter.
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Der Preis für Öl der in Europa wichtigen Sorte Brent, der bereits zu Wochenbeginn unter die Marke von 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) gesunken ist, dann kurzfristig wieder leicht drüber lag, rutschte am Mittwoch erneut unter die magische Marke und kostete 99,80 Dollar je Barrel. Der Ölpreis liegt damit deutlich unter dem Höchststand. Nach dem russischen Angriff war er bis Anfang vergangener Woche über 130 Dollar gestiegen, in der Spitze sogar auf mehr als 139 Dollar – jetzt liegt er um rund ein Drittel darunter.
„Geld bleibt zwischen Ölförderung und Tankstelle hängen“
Zu dieser Diskrepanz, dass der Ölpreis fällt, der Spritpreis dagegen unverändert hoch ist, äußerte sich auch der ADAC. „Trotz aller kriegsbedingter Sondereffekte und Erklärungen für die hohen Spritpreise – irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen“, sagte Kraftstoffmarkt-Experte Jürgen Albrecht. „Die Mineralölkonzerne verdienen im Raffineriegeschäft derzeit richtig gutes Geld.“
Preis für Rohöl und Spritpreise sind entkoppelt
Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) verweist darauf, dass die Kraftstoffpreise infolge des Ukraine-Krieges europa- und weltweit gestiegen sind, zudem treffe eine höhere Nachfrage auf ein geringeres Angebot. „Wir registrieren zurzeit beispielsweise eine deutlich höhere Nachfrage nach Diesel aus osteuropäischen Ländern, die teilweise auch von Deutschland aus bedient wird“, sagte ein Verbandssprecher. Gleichzeitig sei das Angebot zurückgegangen, weil die Unternehmen auf eigene Initiative den Import von Diesel und auch Rohöl aus Russland reduzierten. Zudem seien die inländischen Heizölbestellungen zuletzt deutlich gestiegen und Heizöl und Diesel seien verwandte Raffinerieprodukte.
„Beide Faktoren, die höhere Nachfrage und das begrenzte Angebot, haben auf dem Weltmarkt zu den stark gestiegenen Produktpreisen und in der Folge auch zu höheren Tankstellenpreisen geführt“, so der Sprecher. Das gelte für Kraftstoffe aus heimischer Produktion ebenso wie für importierte Kraftstoffe. Dadurch hätten sich die Produktmärkte für Benzin und Diesel vom Rohölmarkt derzeit weitgehend abgekoppelt.
Rabattgutscheine oder Tankzuschuss?
So argumentiert auch Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Tankstellenverbands ZTG. Treibstoff werde teurer und knapper. Dazu kämen Angst und Spekulation. Insgesamt wächst der Druck auf die Politik, die hohen Spritpreise abzufedern – beispielsweise mit Rabattgutscheinen oder einem Tankzuschuss.
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