Christian Lindner (FDP) lässt die Kritik von Ampel-Kollegen und Wirtschaftsexperten an sich abprallen und nennt Frankreich als Vorbild für einen Tankrabatt.
Schulden – dieses Wort scheint Christian Lindner geradezu strategisch zu vermeiden, als er am Mittwoch bei der Bundespressekonferenz seinen Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vorstellt: Der Bundesfinanzminister spricht lieber von „geplanten zusätzlichen Krediten“, von der „Aufnahme“ oder ganz einfach von den „99,7 Milliarden Euro, die wir einhalten“. Das klingt auch alles irgendwie schöner, positiver, zuversichtlicher als dieser schwere Begriff, den der FDP-Chef nur ungern als erstes Stichwort mit seiner Haushaltspolitik verbunden sehen möchte: „Schulden“. Also umschifft es der Finanzminister clever, rhetorisch geschickt wie er ist.
Ein Journalist fragt Lindner gar, ob er zum Sozialist geworden sei
Vielleicht hilft es ihm ja dabei, seine früheren Forderungen widersprechende Politik zumindest etwas zu verdecken: Denn plötzlich macht Lindner Schulden in großem Stil. Und das, obwohl er sich vor nicht allzu langer Zeit noch vehement gegen eine solche Haushalts-und Finanzpolitik ausgesprochen hat. 99,7 Milliarden Euro Schulden sieht Lindners Haushaltsentwurf für 2022 im Kernhaushalt vor. Dazu kommt das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr und ein Ergänzungshaushalt, in den alle Belastungen durch den Krieg in der Ukraine fließen sollen, wie etwa das vom Bund angekündigte neue Energie-Entlastungspaket. Das wird eine mächtige Gesamtsumme von Schulden, bei der es Lindner früher schwindelig geworden wäre.
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Und nicht nur das, auch in anderen Positionen hat der Finanzminister eine 180-Grad-Wendung vollzogen. Während Lindner in früheren Zeiten stets auf das Motto „Der Markt regelt das“ setzte, schlägt er nun im Alleingang mit seinen FDP-Kollegen doch einen Eingriff durch den Staat vor: Lindner will den Spritpreis unter zwei Euro drücken – was eine Menge Geld kosten würde: Bei 40 Cent Entlastung pro Liter für drei Monate nämlich 6,6 Milliarden Euro. In der Opposition hätten Lindner und seine Partei einen solchen kostspieligen Vorschlag wohl niemals befürwortet. Ein Journalist fragt Lindner gar, ob er zum Sozialist geworden sei.
Frankreich als Vorbild für einen Tankrabatt
Mit seiner Idee, die Verbraucher angesichts der hohen Energiepreise mit einem Tank-Rabatt zu entlasten, ist Lindner auf heftige Kritik gestoßen – sowohl bei den Ampelpartnern SPD und Grüne als auch bei Wirtschafts-und Finanzexperten. Die Kritikpunkte: Ein solcher Zuschuss nach dem Gießkannen-Prinzip sei das falsche Signal, weil dann auch Besserverdienende günstiger Sprit bekommen würden und kein Anreiz gesetzt werde, um fossile Brennstoffe einzusparen. Zudem sprachen sich die Tankstellenbetreiber gegen Lindners Vorschlag aus, weil dieser für viele Tankstellen nicht umzusetzen sei, bei manchen gar Existenznöte auslösen könnte, wenn sie bis zur Erstattung des Rabatts durch den Staat in Vorleistung gehen müssten.
Diese Argumente scheinen am Finanzminister aber regelrecht abzuprallen, er gibt sich nach wie vor sehr überzeugt von seiner Idee. „Ich halte weiterhin an meinem Vorschlag für einen Kraftstoffrabatt fest, weil wir eine breite, wirksame und vor allem schnelle Maßnahme brauchen, um die Menschen zu entlasten“, sagte Lindner und hob Frankreich als Vorbild für einen Tankrabatt vor: Im Nachbarland gibt es ab dem 1. April dann 15 Cent Zuschuss pro Liter. Im nächsten Jahr aber will Lindner wieder die Schuldenbremse einhalten und „nur“ Kredite in Höhe von 7,5 Milliarden Euro aufnehmen. In Kombination mit „Bremse“ fällt es ihm offensichtlich auch nicht mehr schwer, das Wort „Schulden“ in den Mund zu nehmen.